Adrian van Hooydonk
Der Leiter der BMW Group Design über Automildesign, die Arbeit mit BarberOsgerby und Inspirationen.
Die Marke BMW hat einen aufsehenerregenden Wandel vollzogen. Aus der Marke mit der „Freude am Fahren“ ist ein Design-Leader geworden, der mit zukunftweisenden Projekten und Produkten den Markt aufrollt ohne seine Herkunft zu vergessen. Wir haben Adrian van Hooydonk, den Leiter der BMW Group Design, in London getroffen und mit ihm über die Königsdisziplin des Industriedesigns, die Installation Precision and Poetry von BarberOsgerby im Victoria & Albert Museum und erfrischende Erfahrungen jenseits der Automobilindustrie gesprochen.
Herr van Hooydonk, Sie haben mal gesagt, von der ersten Idee bis zum Serienfahrzeug vergehen bei BMW etwa drei Jahre. Wie viel Prozent der ersten Idee finden sich im fertigen Fahrzeug wieder?
Das Zeitfenster stimmt. Das Schnellste, was wir schaffen können, sind zweieinhalb, die Regel drei Jahre. Wir versuchen, dass möglichst viel von der ursprünglichen Idee erhalten bleibt. Unser Design entsteht im Wettbewerb: Jeder unserer Designer ist aufgerufen, entweder für Interior oder Exterior eines neuen Fahrzeugs Skizzen zu liefern. Dieser Prozess findet weltweit in unseren Studios in Los Angeles, Shanghai und München statt. Aus den Skizzen wählen wir die vielversprechendsten aus und bauen Modelle, meist vier Stück: je vier für das Interior, je vier für das Exterior. Daraus wählen wir wiederum jeweils einen Vorschlag aus. Das ist dann genau das Auto, das in den weiteren zwei Jahren weiterentwickelt und schließlich gebaut wird. Wir machen kein Design for Committee – das heißt, es gibt keine Vermischung von Entwürfen – alles muss stimmig sein, von vorn bis hinten.
Bei der Auswahl müssen Sie also schon eine Idee davon haben, welche Autos die Menschen in zwei Jahren fahren wollen – wie schaffen Sie das?
Das ist das Allerschwierigste an unserem Job. Wir wählen einen Entwurf ein bis zwei Jahre vor der Serieneinführung aus – und eigentlich soll so ein Auto dann sieben bis acht Jahre verkauft werden! Wir suchen einen Entwurf, der mindestens zehn Jahre funktioniert. Eigentlich wollen wir noch mehr. Viele unserer Fahrzeuge werden über Jahrzehnte von Sammlern verehrt. Es geht also um Zeitlosigkeit. Man kann die Zukunft natürlich nicht voraussagen, aber Designer haben ziemlich feine Antennen für alles, was in der Welt passiert. Moderne Kunst, Architektur, Industriedesign. Wir sind immer im Dialog mit anderen Kreativen, arbeiten selber als Produktdesigner für andere Unternehmen. Aus all dem lässt sich für unser Design etwas ableiten.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit den Designern BarberOsgerby?
Ben Evans, der Direktor des Londoner Design Festivals, hat das Projekt initiiert. Er war der Meinung, wir sollten hier einmal teilnehmen und hat BarberOsgerby als Partner vorgeschlagen. Ich verfolge schon länger ihre Arbeit; ich mag ihren sehr klaren und doch emotionalen Stil. Deshalb habe ich sofort zugestimmt. Daraus ist wirklich ein Abenteuer geworden. Auch für Martin Roth, den Direktor des Victoria & Albert: Es passierte einiges in den heiligen Hallen. Aber er hat es mit Fassung getragen und ist nun auch begeistert.
Gab es ein Briefing?
Ich habe es bei unserer Kooperationen mit externen Designern und Künstlern bisher immer so gehalten, dass ich sie zunächst persönlich kennengelernt habe. BarberOsgerby haben wir dann durch unsere Designstudios geführt, ihnen gezeigt, wo, wie und an was wir gerade arbeiten. BMW hat ein großes Team von 600 Designern weltweit. Und wir haben auch ziemlich große Studios. Da waren sie dann schon beeindruckt. Man muss deshalb aufpassen, dass unsere Partner bei solchen Projekten nicht eingeschüchtert sind und Angst vor einer Zusammenarbeit bekommen. Natürlich haben sie auch ein Briefing bekommen – aber das war ein sehr offenes.
Am Ende ist es ein gigantischer, beweglicher Spiegel geworden – warum?
Gewissermaßen spiegelt sich ja die ganze Außenwelt in einem Auto: Die Oberflächen, die wir produzieren – in ihnen spiegelt sich die ganze Stadt! Wenn diese Reflexionen in Bewegung geraten, wird das Produkt quasi lebendig. Diese Dinge haben wir bei unseren Treffen einfach mal so festgehalten. Und all das finde ich jetzt in dieser Installation wieder.
Warum machen Sie solche Kooperationen?
Um unsere Ideen zu testen. Wir testen sie ja täglich in der Realität – die Autos fahren durch die ganze Welt – aber unsere Pläne und unsere Gedanken, die wollen wir auch mal überprüfen lassen. Und hören, was andere Kreative sagen und wie sie sie interpretieren.
Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit externen Designern von der mit ihrem Team?
Die Zusammenarbeit ist in beiden Fällen gleich professionell. Ich habe BarberOsgerby jedoch mehr Freiraum gelassen und weniger Zwischenpräsentationen angesetzt als sonst üblich. Das Projekt war eine bauliche Herausforderung! Ich habe mich darauf verlassen, und mein Vertrauen wurde belohnt. Ich denke, dass auch BarberOsgerby mehr riskiert haben als sonst.
Was, glauben Sie, macht solche Projekte für Designer interessant?
Designer wie BarberOsgerby sind sehr beschäftigt: Sie haben viele Deadlines, viele Projekte und deshalb viele Schwierigkeiten zu meistern. Installationen wie die im Victoria & Albert sind aufgrund der größeren Freiheit sicher eine Bereicherung.
Können Sie und Ihr Team von externen Designern lernen?
Uns verbindet viel. Auch ich habe als selbständiger Industriedesigner gearbeitet, bevor ich zu BMW kam. Letzten Endes ist das Automobildesign auch Industriedesign, das in großen Stückzahlen funktionieren muss. Alle Produktdesigner, die ich kennengelernt habe, nehmen wahr, welche Entwicklungen es im Automobildesign gibt und andersherum. Auch unsere Designer fahren zum London Design Festival, und es gab auch Teams von BMW, die den Designprozess bei BarberOsgerby beobachten durften. Es ist ein Lernen auf beiden Seiten.
Welche Rolle spielen diese Projekte für die Markenbildung von BMW?
So lange machen wir es ja noch nicht! Und es ist schwierig zu beziffern, welche Wirkung ein solches Projekt hat. Es sollte eine echte Auseinandersetzung sein. Wenn das gelingt, kann die Wirkung sehr positiv sein, aber eher unterschwellig. Wir stellen ja hier kein Auto aus. Unser Logo ist nicht zu sehen. Und dennoch kann die Ausstellung unsere Philosophie transportieren. Ich hoffe, dass die Installation auf Interesse trifft und Gedanken auslöst.
Haben neue Materialien und Fertigungstechniken das Autodesign vereinfacht oder schwieriger gemacht?
Beides. Durch die neuen Medien haben sich neue Möglichkeiten für den Skizzenprozess ergeben, auch das 3D-Modelling hat die Arbeit revolutioniert. Aber das brauchte seine Zeit. Am Anfang gab es viele Designer, denen konventionelle Methoden zunächst noch unkomplizierter erschienen. Heute haben unsere Designer die freie Wahl. Jeder kann so arbeiten, wie er möchte. Was die neuen Materialien, Verarbeitungstechniken und Technologien betrifft: Sie sind immer eine Inspiration und eine Herausforderung. Elektromotoren und die damit verbundenen Möglichkeiten und Anforderungen haben das gesamte Layout des Autos verändert. Damit muss man sich erst einmal auseinandersetzen.
Muss Elektromobilität nach Zukunft aussehen?
Als für uns dieses Zeitalter begann, haben wir uns intensive Gedanken gemacht. Es war sehr schnell klar, dass die Elektromobilität, wie wir sie sehen, von der Technologie her sehr revolutionär sein würde: von der Anordnung, vom Motor, von der Batterie und auch von der Struktur aus Carbon. Dazu passt, meinen wir, eigentlich nur ein sehr fortschrittliches Design. Die Technologie ist derart neu, dass es schade wäre, sie in eine herkömmliche Hülle zu fassen.
Mit ihrem Carsharing-Angebot Drive Now ist BMW sehr erfolgreich. Dabei handelt sich jedoch um Serienfahrzeuge, die für den persönlichen Besitz gedacht sind. Wann kommt das erste Carsharing-Auto von BMW?
Das ist eine sehr gute Frage, die wir uns auch schon gestellt haben. Für uns ist es erfreulich, dass Drive Now so erfolgreich ist. Es sitzen unsere jüngsten Kunden in den Autos – die dann die Möglichkeit haben, einmal den MINI oder einen 1er zu fahren. Noch sind wir auch deshalb der Überzeugung, dass man kein eigenes Carsharing-Fahrzeug braucht. Wir werden sehen, wie sich die Fahrzeuge im Abnutzungsverhalten zeigen. Dann muss man vielleicht überlegen, was man ändern muss. Vielleicht kommt dann auch irgendwann ein eigenes Fahrzeug speziell für diesen Zweck.
Herr van Hooydonk, vielen Dank für das Gespräch.