Alfredo Häberli
Alfredo Häberli wurde 1964 in Buenos Aires geboren. Im Alter von 13 Jahren zog seine Familie in die Schweiz, wo er 1991 an der Höheren Schule für Gestaltung in Zürich seinen Abschluss in Industriedesign absolvierte. Schon während seiner Studienzeit hat Alfredo Häberli mehrere Ausstellungen im Museum für Gestaltung organisiert. 1993 eröffnete er schließlich sein eigenes Designstudio in Zürich und konnte sich schnell einen Namen machen.mit Entwürfen für Alias, Authentics, Edra, Driade, Luceplan, Thonet, Zanotta und andere renommierte Hersteller. Während der Mailänder Küchenmesse Eurocucina im April 2008 präsentierte Alfredo Häberli nun seine erste Küche, die als kommunikative Werkstatt geschickt zwischen Tradition und Gegenwart vermittelt. Wir trafen Alfredo Häberli in Mailand und sprachen mit ihm über die Archaik der Küche, den Reiz von Patina und was sich hinter einer angenehmen Unordnung verbirgt.
Herr Häberli, mit Ihrer Konzeptküche für Schiffini haben Sie auf der diesjährigen Eurocucina in Mailand Ihre erste Küche präsentiert. Was hat es mit der archaischen Form auf sich?
Als ich anfing, über das Thema Küchen nachzudenken, habe ich schnell festgestellt, dass ich mehr Zeit in der Küche verbracht habe als im Wohnraum. Meine Eltern hatten ein Restaurant und meine Großeltern ein Hotel. Ich ging daher auf genau diese Archaik zurück. Meine Konzeptküche ist eigentlich eine Feuerstelle mit einer überdimensional großen Abzugshaube. Es gibt auch verschiedene Anspielungen auf historische Momente, die mir einfach in den Kopf gekommen sind wie zum Beispiel Kupfer, aus dem früher Pfannen gefertigt wurden. Die Küche ist für mich ein Ort der Arbeit, weswegen ich sie in Anspielung auf eine Werkstatt als große Werkbank aus massivem Holz entworfen habe.
An einer Stelle ist sie auch mit einem ebenfalls hölzernen Schraubstock versehen. Geht es darum, der minimalistisch „cleanen“ Küche der vergangenen Jahre eine Absage zu erteilen?
Ja, für mich sehen die Küchen der letzten zehn Jahre so aus, als bräuchte man zehn Angestellte, nur um sie zu putzen. Andere sehen so aus, als ob man in ihnen überhaupt nicht kochen würde. Ich wollte daher eine Gegentendenz einschlagen und wieder ein Stück weit zurückgehen. Ich denke, wir hatten einfach ein paar Jahre lang den falschen Film. Wir sollten ihn einfach wieder zurückspulen und noch einmal von vorne anfangen. Das ist die Idee dabei.
Die von Ihnen verwendeten Materialien Kupfer und Holz können auch über die Zeit eine besondere Patina annehmen…
Deswegen wollte ich auch nicht, dass die Küche zu sehr geputzt wird. Es ist schön, wenn man am Ende der Messe sehen kann, welche Stellen die Leute am meisten angefasst haben. Über Themen wie Patina wird heute kaum noch gesprochen. Wir möchten immer, dass alles so clean aussieht und super designt erscheint. Doch der Alltag ist nicht so. Die wenigsten haben ja Angestellte zuhause, die für sie kochen. Für normale Leute wie uns ist die Küche daher vor allem ein Arbeitsfeld. Fast so, als würde man im Garten arbeiten.
Neben der zentralen Werkbank findet sich auch ein vertikales Lager, auf dem Zutaten und Geschirr gut sichtbar platziert sind. Was hat es damit auf sich?
Die Idee dahinter war, dass ich beim Kochen eigentlich nie ein Kochbuch aufschlage und dann dieses oder jenes Gericht nachkoche. Ich bekomme meine Ideen, wenn ich frisches Gemüse oder andere Zutaten sehe. Es sind die besonderen Farben und Gerüche, die mich inspirieren. Darum habe ich das Regal angelegt wie einen vertikal verlaufenden Film, den man an sich vorbeiziehen lassen kann. Die Dinge, die einen interessieren, kann man dann einfach herausgreifen. Ich mag diese Idee einer „angenehmen Unordnung“.
Die Küchen sollen also wieder offener gestaltet werden und keine monolithischen Blöcke mehr sein?
Ja, denn sonst werden sie ja fast so sauber wie Operationssäle. Aber das ist nicht kochen. Kochen ist auch Chaos. Natürlich geht so etwas auf Messen immer ein wenig verloren, da die Dinge übertrieben werden. Dennoch möchte ich mit meiner Konzeptküche Fragen stellen. Die Antworten kommen sowieso von alleine. Es geht um eine positiv-kritische Sichtweise auf das, was mit den Küchen derzeit passiert.
Spielt die soziale Komponente dabei wieder eine größere Rolle?
Der große Esstisch zum Beispiel war immer ein Objekt mit vielen Funktionen. An ihm wurde nicht nur gegessen und geredet sondern ebenso auch Hausaufgaben gemacht und gespielt. Meine Mutter hat uns als Kinder immer auf den Tisch klettern und uns die von ihr selbst genähten Kleider anprobieren zu lassen. Es war so bequemer für sie, wenn wir auf dieser Höhe standen. Hinzu kommt die Sitzbank, die ebenfalls etwas sehr Archaisches an sich hat. Gäste sind mit ihr automatisch eingeladen, da Bänke stets dieses Gefühl von Freundschaft und Beieinandersitzen vermitteln. Das ist so ähnlich wie bei Bänken auf dem Oktoberfest. Ich muss allerdings gestehen, dass ich noch nie in München in einem Bierzelt war. Ich habe mich nicht getraut.
Vor Ihnen hat Vico Magistretti fast vierzig Jahre für Schiffini gearbeitet. Was ist das für ein Gefühl, zwei Jahre nach seinem Tod, nun die Nachfolge anzutreten?
Ich habe viel von ihm gelernt wie den wunderbaren Ausspruch „Beobachten ist die schönste Form des Denkens.“ Wenn man einfach nur einen Ausschnitt aus einer Küche von Magistretti nimmt, dann erkennt man sofort, um welche es sich handelt. Wenn man dasselbe Verfahren mit all den anderen Küchen hier auf der Messe machen würde, funktioniert es nicht, da sie komplett austauschbar sind. Magistretti hatte eine Handschrift, die den Küchen einen unverkennbaren Charakter gegeben hat. Der Druck war also sehr groß nach 40 Jahren in seine Fußstapfen zu treten. Ich wollte daher lieber erst einmal klein anfangen und keine fix und fertige Küche präsentieren. Aus dieser Idee entstand dann auch die nun vorgestellte Konzeptküche.
Sie haben anscheinend sehr großen Respekt vor dem Thema Küche?
Ja, denn Küchen sind das Komplizierteste im ganzen Haus, mehr noch als das Bad. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten für Schubladen, Türen oder Breiten. Jeder Zentimeter zählt dabei. Das ist etwas vollkommen anderes wie ein Stuhl, den man fertig kauft. Auch die Frage, wie man eine Küche bestückt, ist überaus komplex: Was nimmt man nun für einen Herd, was für einen Ofen, was für einen Kühlschrank und so weiter. Hinzu kommen die Anschlüsse für Wasser und Strom. Das ist wirklich extrem kompliziert.
In welche Richtung wird sich die Küche entwickeln?
Ich glaube, die Küche sollte wieder mehr ein Arbeitsort und weniger ein aufgeräumter Präsentierteller sein. Es geht nicht, dass man nur Fertiggerichte in die Mikrowelle schiebt, um eine saubere Küche zu haben. Sich Zeit nehmen zum Kochen und Freunde einzuladen wird also eine stärkere Rolle spielen. Im gleichen Moment erleben wir ja auch jeden Tag immer wieder, dass es mitunter auch ganz schnell gehen muss. Es wird also immer diese beiden Gegensätze geben.
Vielen Dank für das Gespräch.
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