Menschen

Andreas Dornbracht

von Stephan Burkoff, 20.03.2013


Was die Schrankwand für das Wohnzimmer, die Einbauküche für den Kochbereich und Sideboards für den Flur, sind heute ausgeklügelte zum Teil elektronische Systeme für den Badbereich. Der Funktionsraum Nasszelle rückt ins Zentrum der Ausgestaltung des Zuhauses. Wir trafen Andreas Dornbracht auf der ISH, Weltleitmesse der Sanitärwirtschaft und sprachen mit ihm über neue Technologien, individuelle Rituale und die Zukunft der Badewanne.


Das Unternehmen Dornbracht gehört seit vielen Jahren im Designbereich zu den Vorreitern der Branche. Wie erklären Sie den Schritt hin zur Integration neuer Technologien in Dornbracht-Produkte?

Wir haben festgestellt, dass immer die persönlichen, individuellen Rituale im Mittelpunkt des Baddesigns stehen sollten. Und diese Rituale gehen weit über die Themen Ästhetik und Stil hinaus. Um auf sie einzugehen war und ist Technologie unumgänglich. Deshalb haben wir ganz bewusst unsere Innovationskraft gestärkt, viel Research betrieben und ein eigenes Team ins Leben gerufen, dass daran forscht, neue Darreichungsformen für Wasser zu finden. Das erste Ergebnis dieser konzentrierten Arbeit ist die neue Smart Water-Technologie.

Was sind die Vorteile dieses Systems?

Zunächst einmal sind wir mit Smart Water erst am Anfang einer Entwicklung, die zur Digitalisierung des Bades führt. Wir glauben, dass viele technologische Innovationen in der Vergangenheit, wie vieles was im Bereich des Smart Home angedacht wurde, zu komplex angelegt war und damit sowohl den Planer als auch den Nutzer überfordert hat. Deshalb haben wir ganz bewusst die Optionen begrenzt, auch wenn Hard- und Software deutlich mehr Potenzial haben. Das bedeutet aber auch, dass zukünftig durch einfache Software-Updates weitere Funktionen, wie beispielsweise eine Sprachsteuerung, zugeschaltet und installiert werden können. Womit die Zukunftsfähigkeit der Komponenten gewährleistet ist.

„Personal Needs Individual Spaces“ – was bedeutet das für Dornbracht?

Wir glauben sehr an den Trend der Individualisierung. Dass heißt, wir versuchen den individuellen Bedürfnissen und Wünschen des Menschen, seinen Ritualen im Badezimmer nahe zu kommen. Theoretisch wäre es heute schon möglich, dass ein Designer im Auftrag des Kunden oder ein Kunde selbst sich seine individuelle Dusch-Choreografie zusammenstellt. Sie könnten beispielsweise nach dem Sport ein anderes Dusch-Szenario haben als am Morgen. Wir haben darauf jedoch zunächst verzichtet, um bei Markteinführung sowohl auf Anwender- als auch auf Installateursseite die Schwelle für den Einstieg zu senken. Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden wir die angebotenen Funktionen schrittweise erweitern.

Welchen Menschen haben Sie als Zielgruppe vor Augen?

Ich glaube, wir sprechen Menschen an, die daran gewöhnt sind im täglichen Leben mit digitalen Tools zu arbeiten und den Mehrwert moderner Technologien erkannt haben. Für die also die Funktionalität und Ihre Vorteile im Alltag im Vordergrund stehen und weniger ein Statusdenken. Heute ist es so, dass auch bei langlebigen Gebrauchsgütern solche qualitativen Mehrwerte häufig fehlen. Hier schließen wir für den Badbereich eine Lücke. Ein zweiter Punkt und sicherlich ebenso wichtig ist das Thema Gesundheit. Also vor allem das Thema Vorsorge, Prävention und Prophylaxe. Auch da wird unsere Software Anwendungen ermöglichen, die sich positiv auswirken können. In beiden Fällen wird der Nutzen Treiber sein und nicht die digitale Technologie an sich.

Dornbracht hat mit seinem kulturellen Engagement schon viele prägende Projekte unterstützt. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Wenn Sie das darauf beziehen, welche Bedeutung die Kulturprojekte für uns als Unternehmen haben, dann ist es letztlich ein Teil unserer strategischen Auseinandersetzung mit der Zukunft. Also Erkenntnisgewinn, Research im eigentlichen Sinne. Man kann natürlich nicht über die Kunst erfahren, wie die Armatur von morgen aussieht. Aber man kann gesellschaftliche Trends ablesen und versuchen Schlüsse für neue Produkte daraus zu ziehen. Es ist auch eine Horizonterweiterung, die einem einen Blick über den Tellerrand der Branche erlaubt. Und natürlich gibt es auch aus Marketingsicht eine Wirkung, die für unser Unternehmen nicht von Schaden ist – das ist aber nicht der Hauptgrund unserer Aktivitäten. Vielmehr fühlen wir uns auch in einer gesellschaftlichen Verantwortung, wozu für uns eben auch gehört, Kulturförderung zu betreiben.

Was fällt Ihnen zu Hotelbadezimmern ein?

Viele Hotelbäder entsprechen einfach nicht mehr den Ansprüchen an das Ausstattungs- und Funktionsniveau, die ein Vielreisender heute mitbringt. Da sind wir in den Privatbädern schon viel weiter. In modernen Designhotels sind schon erste Ansätze zu sehen: Offenere, transparentere Bäder mit Tageslicht, die dennoch die Intimität wahren. Die standardisierte, traditionelle Bauweise des Hotelbadezimmers stellt die Hotelbetreiber heute jedoch auch vor große Herausforderungen, weil sie in ihrer Beschaffenheit allen Anforderungen moderner Bad-Architektur widersprechen. Da müssen großzügige Eingriffe vorgenommen werden, um aus der in die Jahre gekommenen Nasszelle einen transparenten Raum zum Wohlfühlen zu machen.

Welche Anforderungen stellen Sie persönlich an Ihr Bad?

Mir ist vor allem eine ästhetische Nachhaltigkeit wichtig. Ein Badezimmer mit einem Lebenszyklus von zwanzig Jahren sollte auch in zwanzig Jahren noch ästhetisch aktuell sein. Mein privates Bad soll sich nicht an modischen Erscheinungen orientieren, sondern an Zeitlosigkeit. Materialien, die zeitlos und natürlich sind. Und selbstverständlich spielt die Dusche für mich eine große Rolle.

Was sind die Trends im Badezimmer?

Neben der Digitalisierung glaube ich, dass es immer mehr auf Design, Funktionalität und Nachhaltigkeit ankommt. Ich denke zudem, dass die individuellen Lebensumstände der Badnutzer mehr in den Mittelpunkt rücken werden. Für uns bedeutet das insbesondere die wenige Zeit, die einem im Bad zur Verfügung steht, durch unsere Produkte in eine qualitativ wertvolle Zeit zu verwandeln. Aber wenn Sie es ganz konkret hören wollen: Mit unserer Innovation des Fußbades kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Badewanne schon bald dem Fußbad weichen wird. [lacht]

Herr Dornbracht, vielen Dank für das Gespräch.


Mehr zu neuen Produkten und Trends von der ISH 2013 finden Sie in unserem Special.
 
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Links

Dornbracht

www.dornbracht.com

Special zur ISH 2013

www.designlines.de

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