Arbeitswelt der Zukunft
Ein Interview, das verrät wie Räume Leistungsergebnisse steigern
Unsere Arbeitswelt ist im Wandel – das ist keine Neuigkeit. Globalisierung und Digitalisierung, agile Arbeitsmethoden und der Kampf um Talente bringen Veränderungen mit sich, auf die Unternehmen reagieren müssen. Samir Ayoub ist geschäftsführender Gesellschafter von Designfunktion. In einer Studie ließ er das Fraunhofer Institut IAO Erfolgsfaktoren für die „Transformation von Arbeitswelten“ ermitteln – und erlangte überraschende Erkenntnisse.
Was motivierte Sie zur Studie? Als Consulting-, Planungs- und Einrichtungsunternehmen wollen wir unsere Kunden dabei unterstützen, für sich eine authentische Büro- und Arbeitswelt zu definieren. Dafür haben wir entsprechende Methoden entwickelt und uns vor drei Jahren entschieden, unsere Arbeit mit dem Fraunhofer Institut IAO wissenschaftlich basiert zu hinterlegen.
In Ihrer ersten Studie ging es um wirksame Büro- und Arbeitswelten. Was kam dabei heraus? Es wurde deutlich, dass sich in Büros der Multispace und Activity Based Working durchsetzen werden. Also begannen wir mit den Wissenschaftlern darüber zu diskutieren, wie eine erfolgreiche Transformation in diese Richtung stattfinden kann. Denn jedes Unternehmen hat ja einen individuellen Startpunkt und will eigene Ziele erreichen. Um diese Transformation ging es dann in der aktuellen Studie.
Was waren die wichtigsten Ergebnisse? Wenn sich eine Organisation zukunftsgerichtet neu aufstellen und entwickeln möchte, müssen organisatorische Maßnahmen wie Vertrauensarbeitszeit, agile Methoden, neue Hierarchiemodelle und dergleichen zeitgleich mit technologischen Entwicklungen und einer räumlichen Veränderung stattfinden. Das ist natürlich ein gewaltiges Vorhaben. Aber ein konkretes Ergebnis der Studie ist, dass man diese Maßnahmen gleichzeitig umsetzen muss, wenn man besonders erfolgreich sein will.
Gab es weitere Schlüsselerkenntnisse? Wichtig ist auch, dass die Transformation eines Unternehmens unbedingt auf oberster Geschäftsführungsebene gewollt und vorgelebt sein muss. Wo das der Fall ist, sind die Projekte ungleich erfolgreicher. Die dritte Erkenntnis betrifft die Mitarbeiterpartizipation und -einbindung. Wo intensiv mit Mitarbeitern geklärt wurde, welche Arbeitsstile vorherrschen, welche Bedarfe es gibt und welche Raumtypen sie bei diesen Tätigkeiten unterstützen, sorgte das für eine sprunghaft höhere Akzeptanz der Nutzerschaft und führte zum besseren Gelingen der Projekte.
Sie sagen der Multispace ist die Büroform der Zukunft. Wie sieht er aus? Der Multispace kombiniert verschiedene Büroraumtypen. Wir haben durch Beobachtungsstudien festgestellt, dass ein durchschnittlicher Wissensarbeiter heute etwa zehn verschiedene Tätigkeiten am Tag ausübt. Es gibt die Besprechungen zu zweit, diskret oder locker, das Telefonieren, die Kaffeepause mit den Kollegen, die Besprechung im Team, das Abarbeiten von Mails, Workshops, Projektarbeit und dergleichen. Wenn das räumliche Umfeld diese Tätigkeit stützen und fördern soll, braucht es dafür auch jeweils unterschiedliche Setups, die alle im Multispace Platz finden.
Welchen Einfluss hat der Raum auf die Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter? Es gibt eindeutige Zusammenhänge, dass gut gestaltete Räume dabei helfen, Performance und Leistungsergebnisse hochzufahren, sowie Innovation und Kreativität zu fördern. Bei der Gestaltung geht es um Form, Farbe, Materialität, Proportion – also um das Design. Das berührt uns emotional, denn wenn ein Raum poetisch gestaltet ist und uns anspricht und berührt – dann ergibt sich daraus eine besondere Kraft, die ausbleibt, wenn ein Raum nur funktional ist. Es geht aber auch um die konzeptionelle Gestaltung, um bedarfsgerechte Raumtypen für das, was gearbeitet wird.
Was macht einen Raum authentisch? Er muss zur Kultur der Firma passen. Ein Büro kann repräsentativ, jugendlich verspielt sein oder in Teilen aus Flohmarktgegenständen zusammengesetzt sein. Wichtig ist, dass er zur Marke, Kultur, Identität und Zukunftsvision des Unternehmens passt.
Ist das Büro der Arbeitsort der Zukunft? Routinearbeiten werden früher oder später in Algorithmen ersetzt. Übrig bleibt das, was man Co-Kreation nennen könnte, also das, was mit anderen gemeinsam erarbeitet wird. Also brauchen Büros der Zukunft Raumangebot für diese Aufgaben, die im Fokus haben, sich zu vernetzen und gemeinsam mit anderen zu arbeiten.
Wir sind zunehmend weniger an einen festen Arbeitsort gebunden. Welche Auswirkung hat das? Je mehr wir unterwegs sind und überall tätig sein können, umso bedeutsamer wird der Moment im Büro – im Sinne der Identitätsstiftung. Da will man die Marke, Identität und Zugehörigkeit spüren.
Sind die Studienergebnisse Deutschland-spezifisch oder international übertragbar? International ist man an vielen Stellen weiter als wir in Deutschland. Activity Based Working-Ideen wurden dort früher gezündet als bei uns. Zudem gibt es andernorts weniger Regularien bei der Umsetzung.
Was wäre für Sie ein ideales Projekt, das Sie gerne realisieren würden? Ich würde gerne für ein Unternehmen, das auch produziert, den Beweis antreten, dass auch produktionsnahe Bereiche in Richtung New Office transformiert werden sollten. Um zu zeigen, dass in unserem starken Industrieland eine Kultur nicht nur von Büros ausgeht, sondern auch von solchen bisher vernachlässigten Arbeitsplätzen, die ebenso modernisiert und neu gedacht werden können.