Menschen

Art is where it all starts: Karin Gustafsson

Die COS-Kreativchefin im Gespräch über Mode, Haltung und Zeitlosigkeit

von Jeanette Kunsmann, 03.04.2018

Mit Mode von COS können sich viele Kreative identifizieren. Sein zehnjähriges Jubiläum feierte das erfolgreiche Minimalismus-Label im vergangenen Herbst. Wir sprachen mit der Frau, die von Beginn an hinter der Marke steht: Karin Gustafsson.

Am Anfang war COS eher ein Experiment. Vor zehn Jahren konnte niemand absehen, wie sich die Marke entwickeln würde. Welche Erinnerungen haben Sie an den Start und die erste Zeit? Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Experiment war. Ich denke, wir haben es eher als eine Chance gesehen. Ein kleines Team sollte eine Marke schaffen, die für wirklich gute Qualität zu einem verhältnismäßig guten Preis steht. Von Beginn an gab es viele Diskussionen darüber, was dies für die Produkte bedeuten würde. Was sind die fundamentalen Eckpunkte, für die man stehen möchte? Dazu braucht man viel Kreativität. Wir waren etwa 15 Leute, als ich zum Team hinzukam.

Was ja immer noch sehr familiär ist. Ja, absolut. Bei einer kleinen, überschaubaren Größe wie dieser ist man in alle Prozesse und Diskussionen jeder Abteilung involviert. Am Anfang haben wir vor allem an Prototypen gearbeitet und uns vergleichsweise früh dafür entschieden, diese direkt mit Schneidern in enger Zusammenarbeit Stück für Stück zu entwickeln, um ein Produkt zu verwirklichen, an das wir glauben. Es war eine intensive und aufregende Zeit.

Wie war damals das erste Feedback, als im März 2007 die erste COS-Filiale in London eröffnete? Das war ein wirklich unglaublicher Moment. Wir haben so lange darauf hingearbeitet. Die Türen öffneten um 12 Uhr, und als wir sahen, wie viele Kunden in den Shop kamen, war es so überwältigend, dass wir nach jedem Lunch in den Store gingen, um dort die Kunden zu beobachten (freut sich). Das sind unsere Kunden!

Haben sich die Kunden von COS in der vergangen Dekade verändert, und wenn ja, wie? Ich denke nicht an den einen Kunden oder eine bestimme Zielgruppe, es ist eher eine Frage der Haltung und Denkweise. Uns ist wichtig, dass die COS-Kunden unsere Interessen an Kunst, Design und Architektur teilen. Wir wollten von Anfang an Kollektionen entwerfen, die zeitlos sind. Deshalb sprechen wir auch seit Stunde Null von alterslosen Kunden. Das ist bis heute so geblieben.

Wie modern kann Zeitlosigkeit denn sein? Wie modern? Wir glauben daran, dass die Form der Funktion folgt, und ich denke, das geht Hand in Hand mit Zeitlosigkeit. Ein Entwurf darf sich nicht kompliziert anfühlen, sondern muss leicht sein und eine starke Identität versprechen – aber auf eine sehr leise Weise.

Minimalismus ist kein Trend, sondern eine Haltung: Wie schafft man es, die Kunden nicht zu langweilen? Wir machen nur zwei Kollektionen im Jahr, die wir in den Geschäften aber anders lancieren. In die Stores kommt jede Woche etwas Neues, denn es soll für die Kunden einen Anreiz geben, regelmäßig vorbeizuschauen. Wir sind gewachsen und jetzt ein größeres, dynamisches Team mit unterschiedlichsten Expertisen.

Beobachten Sie denn Trends und Entwicklungen in der Mode? Oder bleiben Sie in Ihrem eigenen Kosmos? Mode ist durch das Internet heutzutage zu jeder Zeit zugänglich. Wir betreiben Research und legen eine Richtung fest. So beginnen wir unsere Saison. Wir starten nie mit dem Catwalk. Für uns beginnt es in der Kunst oder Design-Welt.

Apropos Design: Wie kam es zur Kooperation mit HAY? HAY steht zwar für Produktdesign, aber wir haben eine ähnliche Haltung und Ästhetik. Sie bieten wirklich gute Produkte zu einem guten Preis. Es gibt drei Stores, in denen wir neben unseren Kollektio­nen  ausgewählte Produkte von HAY anbieten.

Gibt es eigentlich einen COS-Bestseller der letzten zehn Jahre? Einen Bestseller? (überlegt kurz) Ich denke, bei den Kunden sind wir für unsere Shirts bekannt, bei Frauen wie bei Männern. Die sind sehr verbreitet.

Was verkauft sich schwerer? Es ist sehr schön, dass wir Dinge ausprobieren dürfen, die man normalerweise nicht in unserer Preisklasse findet. Manchmal kreieren wir neue Ideen, tragen dann aber auch das Risiko. Für mich ist das ein entscheidender Part, wenn man kreativ arbeitet. Und als Modelabel muss man Dinge schaffen, die man vorher noch nicht gesehen hat. Also: Manchmal läuft es wirklich gut, und manchmal eben nicht. Das liegt in der Natur dieses Business. Aber ich kann diesbezüglich keine bestimmte Typologie feststellen.

Gibt es denn für COS einen Unterschied zwischen dem realen Einkaufserlebnis im Shop und dem Onlineshopping? Es sind zwei verschiedene Arten von Shopping und Kaufabwicklung, aber es gibt einen Austausch. Unser Lookbook zeigen wir in den Schaufenstern und gleichzeitig auch online. Für uns sind es verschiedene Plattformen: Es hängt vom Kunden ab, wie er Shopping komfortabler findet. Im Onlinestore können wir all unsere Projekte einfacher und besser kommunizieren. Dort gibt es auch noch die Rubrik „things”, in der wir Inspirationen sammeln.

So wie im COS-Magazin. Das sich die Kunden mit nach Hause nehmen können, ja.

Sie haben vorhin von Ihrer Leidenschaft für Kunst, Design und Architektur gesprochen. Gibt es bestimmte Gebäude, die Sie beeindruckt, oder Ausstellungen, die Ihnen gefallen haben? Die Tate Modern gefällt mir sehr, sehr gut: Dort gibt es immer fantastische Ausstellungen. Ebenso in der White Cube Gallery unten in Bermondsey. Sie zeigen gerade eine sehr interessante Ausstellung, die ich unbedingt noch sehen möchte.

Für den Salone del Mobile 2018 hat der amerikanische Künstler Phillip K. Smith III eine architektonische Skulptur entworfen, die aus Spiegelflächen besteht.

Sammeln Sie auch selbst Kunst? Ja, ein wenig. Es gibt ein paar Werke, die mir über den Weg gelaufen sind…

Noch mal zurück zur Mode: Was passiert in den nächsten Jahren? Wie malen Sie sich die Zukunft von COS aus? In der Vergangenheit hatten wir großartige Kollaborationen mit Künstlern und fantastischen Designern. Das möchten wir weiterführen und hoffen auf weitere Gelegenheiten in diesem Bereich. Und ja: weitermachen! Ich möchte, dass COS relevant bleibt.

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