Menschen

Busetti Garuti Redaelli

Das Mailänder Designertrio im Interview

von Norman Kietzmann , 24.07.2017

Gemeinsam kommt man weiter. Manuela Busetti, Andrea Garuti und Matteo Redaelli kennen sich aus ihrer Studienzeit in Mailand. Nach ersten gemeinsamen Projekten haben sie 2007 das Büro Busetti Garuti Redaelli gegründet. Ihre Besonderheit: Sie sind auf Bäder und Küchen ebenso versiert wie auf Wohnmöbel und zählen Unternehmen wie Ligne Roset, Alessi, Franke, Pedrali und Potocco zu ihren Kunden. Ein Gespräch über Freiheit, Ausgeglichenheit und Neugierde.

Ihr entwerft Armaturen und Badkeramik ebenso wie Gasherde, Möbel, Leuchten oder Salzstreuer. Woher kommt diese Bandbreite? Andrea Garuti: Wir wollen uns nicht auf eine Art von Produkten spezialisieren. Nach einiger Zeit geht der Enthusiasmus verloren etwas neues zu entwerfen. Angefangen haben wir im Badbereich, der ja gerade in den letzten zehn Jahren einen großen Wandel erlebt hat. Es gab eine Offenheit gegenüber neuen Ideen, was sehr stimulierend war. Von dort aus sind wir dann in andere Bereiche gegangen. Erst zu Möbeln und dann zu Küchengeräten.

Matteo Redaelli: Natürlich ist es schwieriger, jedes Mal einen neuen Weg zu finden. Jede Typologie ist mit anderen Produktionsweisen, Materialien, Vertriebswegen und Trends verbunden. Doch schlussendlich treffen all diese Produkte in der Inneneinrichtung zusammen – wenn auch nicht in ein und demselben Raum.

Ihr wollt euch nicht festlegen lassen? Andrea Garuti: Manche Designer sind für bestimmte Bereiche bekannt, wie das Büro Palomba Serafini für Bäder. Wir wollen uns hingegen nicht festlegen, damit wir unser Know-how um immer neue Felder erweitern können. Auf diese Weise sind wir freier: wie eine durchlässige Membran, die die eine Disziplin mit der anderen verbindet. Natürlich verraten wir damit keine Industriegeheimnisse. Doch die Erfahrungen wandern ganz sicher von einem Bereich in den anderen weiter.

Wie steht es dabei um eine Handschrift? Sucht ihr danach oder wollt ihr sie vermeiden? Andrea Garuti: Sicher gibt es bei vielen Projekten einen ähnlichen Ansatz. Die Produkte sind nicht überzeichnet, nicht dekoriert. Sie sind leicht lesbar und verständlich in ihrer Funktion. Doch wir glauben, dass ein guter Designer verschiedene Stile interpretieren und sie je nach Firma orchestrieren muss. Zum Schluss muss ein Produkt das Unternehmen repräsentieren – nicht die Person, die es entworfen hat.

Matteo Redaelli: Designer wie Karim Rashid haben sich auf einen ganz bestimmten Stil festgelegt, den sie auch nach Jahrzehnten beibehalten. Manchen Firmen gefällt das und sie gehen genau deswegen auf die Designer zu. Unser Ansatz ist offener. Wir wollen uns nicht auf einen Stil begrenzen, um uns verändern und weiterentwickeln zu können. Wir sind nicht gezwungen, uns ständig zu wiederholen. Wir wollen uns keine dogmatischen Regeln auferlegen.

Und wie funktioniert die Zusammenarbeit im Team? Hat jeder ein Spezialgebiet oder ist alles gleich verteilt? Manuela Busetti: Mehr oder weniger: Von der Konzeption über die Projektentwicklung bis hin zu Renderings übernimmt bei uns jeder dieselben Aufgaben. Wir haben sicher einen ähnlichen Geschmack und ein ähnliche Designverständnis. Das macht es einfach, weil wir untereinander nicht viel erklären müssen. Die Kommunikation funktioniert direkt, was die Arbeit sehr angenehm macht.

Andrea Garuti: Unser Ziel ist, so versiert zu sein, dass niemand ersetzbar ist. Gerade bei vielen Projekten ist es hilfreich, nicht nur auf eine Tätigkeit spezialisiert zu sein. Wenn jeder alles kann, funktioniert die Zusammenarbeit horizontaler und ausgeglichener. Als wir angefangen haben, gab es sicher Unterschiede bei der Ausfertigung von Renderings. Doch mit der Zeit sind wir bei diesen Dingen auf einem Niveau angelangt, das wir alle beherrschen.

Ihr arbeitet für italienische, deutsche, französische und skandinavische Hersteller. Gibt es einen Unterschied in der Mentalität? Manuela Busetti: Wir haben gerade heute ein neues Briefing von einer dänischen Firma für ein Projekt bekommen, dass 2019 auf den Markt kommen soll. Allein darin zeigt sich schon der Unterschied zu den italienischen Herstellern. Die Skandinavier planen Projekte auf einer viel längeren Schiene. In der Regel sind es mindestens zwei Jahre Vorlaufzeit. In Italien denken die Firmen immer an den nächsten Salone del Mobile. Da muss es manchmal auch ganz schnell gehen.

Was ist besser für die Kreativität: mehr oder weniger Zeit zu haben? Andrea Garuti: Das hängt vom Einzelfall ab. Natürlich ist es einfacher, wenn die Firmen länger planen und wir mehr Zeit haben. Aber es dauert natürlich sehr viel länger, bis wir die Royalties für unsere Arbeit bekommen. Schnellere Projekte werden häufig erst zum Salone del Mobile erst in allerletzter Sekunde fertig. Die Produkte sind dann noch nicht gleich erhältlich, sodass die Kunden noch sechs Monate oder noch länger warten müssen. Bei längerer Vorlaufzeit können gleich auf der Messe die Order geschrieben werden und eine Woche später erfolgt die Lieferung. Beides hat also seine Vorteile. Das Interessante dabei ist, dass man über diese Arbeitsweisen tatsächlich einen guten Einblick in die unterschiedlichen Kulturen erhält.

Worin liegt die größte Herausforderung im Design? Andrea Garuti: Das komplexeste Thema, an dem wir bisher gearbeitet haben, sind sicherlich die Öfen für Bertazzoni. Jede Komponente ist ein Projekt für sich. Und alles muss untereinander abgestimmt werden und passfähig sein. Zudem gibt es auch strenge Auflagen. Doch auch ganz kleine Dinge haben ihren Reiz. Beim Salzstreuer Pizzico haben wir die Geste aufgegriffen, als wenn man mit den Fingern eine Prise Salz verteilt.  Die Form der meisten Salzstreuer ist nicht unbedingt an die Natur des Salzes angepasst. Doch wir wollten eine freiere Bewegung ermöglichen, weswegen wir eine Hülle aus Silikon verwendet haben, die sich je nach Fingerdruck unterschiedlich stark öffnet oder schließt. Ein anderes Thema sind fast vergessene Typologien.

Zum Beispiel? Matteo Redaelli: Für Ligne Roset haben wir den Spiegel Ombré entworfen. Dessen Oberfläche unterteilt sich in vier farbige Felder, die jeweils diagonal aufeinander treffen. Wir haben überlegt, wie ein Spiegel als solcher funktionieren und zugleich eine dekorative Aufgabe im Zuhause erfüllen kann. Als wir ihn entworfen haben, hieß er wegen seiner kräftigen Farben und den dreieckigen Feldern noch Harlekin. Später wurden jedoch gebrochenere, erdigere Farben ausgewählt, weswegen wir ihn Ombré (franz. „schattiert“, Anm.d.Red.) genannt haben. Auch hier konnten wir einer bekannten Typologie eine andere Seite geben. 

Andrea Garuti: Für Ligne Roset haben wir ebenfalls den Kleiderständer Estenda entworfen. Er ist sehr fein aus Holz gearbeitet und als Weiterentwicklung des Stummen Dieners gedacht. Die vertikalen Stäbe sind über metallene Elemente verbunden, sodass sich die Form des Möbelstücks an den Raum anpassen lässt. Auch wenn die Typologie aus heutiger Sicht ein wenig altmodisch wirkt, ist sie im Alltag sehr nützlich. Neben Kleidern lassen sich ebenso Schlüssel und andere Dinge auf einem runden Tablar ablegen. Solche Produkte zu entwerfen, ist für uns sehr viel spannender als den x-ten Stuhl oder das x-te Sofa.

Vielen Dank für das Gespräch.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Busetti Garuti Redaelli

www.bgr-id.it

Ligne Roset

www.ligne-roset.com

Mehr Menschen

Sanfte Radikalität

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Das Gute trifft das Schöne

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Der Design-Rebell

Nachruf auf den Gestalter Gaetano Pesce

Nachruf auf den Gestalter Gaetano Pesce

Ein Designer in olympischer Höchstform

Mathieu Lehanneur im Gespräch

Mathieu Lehanneur im Gespräch

„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

„Alle am Bau Beteiligten haben Verantwortung“

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Zwischen Euphorie und Askese

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Die Storyteller von Södermalm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

„Wir müssen uns nicht verstellen“

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin

Interior- und Designstudios aus Berlin

Neue Talente

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Für die Schönheit des Planeten

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Puzzle für die Wand

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

In Räumen denken

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

„Wenn man sich vertraut, kann man Kritik annehmen“

Muller Van Severen im Gespräch

Muller Van Severen im Gespräch

Conceptual Substance

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

„Ich betrete gerne Neuland“

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

„Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken“

Peter Fehrentz im Interview

Peter Fehrentz im Interview

Sinn für Leichtigkeit

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Experimentierfreudiges Duo

Im Designlabor von Niruk

Im Designlabor von Niruk

Perfekt im Griff

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Eine widerständige Frau

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Der stille Star

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Das Beste aus zwei Welten

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Klasse statt Masse

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

„Der Prozess wird zum Echo“

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

„Bugholz ist eine Diva“

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Material matters

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Der Geschichtenerzähler

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro