Carolin Sangha und Michael Reß
An der Garderobe Drahtkleiderbügel aus der Reinigung? Die Schuhe kreuz und quer in einer Ecke? Und das Licht so matt, dass Drahtbügel und Schuhberge im Halbdunkel abtauchen? Eine Horrorvision für Carolin Sangha und Michael Reß von Schönbuch. Die Kreativdirektorin und der Geschäftsführer des auf Eingangs- und Wartebereiche spezialisierten Möbelherstellers haben es sich zur Aufgabe gemacht, unsere Garderoben, Dielen und Entrees in angenehme, wohlgestaltete Orte zu verwandeln. Und entwickeln dafür Möbel und Accessoires, die praktisch sind und trotzdem schön anzusehen. Wir trafen die beiden in Köln und sprachen mit ihnen über Abstellkammern, Durchgangsräume und bling bling.
Frau Sangha, Herr Reß, der Leitsatz von Schönbuch lautet Feel Welcome. Wie muss ein Entree beschaffen sein, damit sich Besucher willkommen fühlen?
Carolin Sangha: Es muss die Persönlichkeit des Bewohners ausdrücken. Es sollte nicht gerade die Rumpelkammer der Wohnung sein. Das Entree sollte zeigen, dass sich die Bewohner selbst dort wohl fühlen.
Michael Reß: Das Entree ist die Visitenkarte der Wohnung oder des Hauses. Viele Menschen, sogar der Post- oder Pizzabote, bekommen einen Eindruck von mir, wenn ich die Tür öffne. Andere Wohnbereiche sind weniger exponiert. Mit dem Entree zeige ich, wie ich lebe, was für ein Typ ich bin. Das Entree ist die Schnittstelle zwischen Drinnen und Draußen. Es kommt auf die Gestaltung des Raums an, seine Innenarchitektur, aber auch auf die Funktion. Ich möchte mich vielleicht setzen, meine Tasche abstellen, das Mobiltelefon aufladen, die Schuhe wegräumen.
Sangha: All das muss das Entree können, aber dabei nicht wie eine Abstellkammer aussehen. Was aber leider vielerorts der Fall ist.
Reß: Das gleiche gilt natürlich für den Empfang im Objektbereich. Sowohl für das einzelne Büro, den Konferenzraum wie auch für das Foyer. Wo warte ich? Wo setze ich mich hin? Liegt eine Zeitschrift für mich bereit? Und außerdem können sich die Funktionen mit den Jahreszeiten auch ändern.
Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Reß: Im Sommer brauche ich meistens keinen Schirmständer. Daher ist es wichtig, wie er ohne Schirme aussieht. Und wenn es warm ist, habe ich keine Jacke dabei. Trotzdem steht da der Garderobenständer. Wir stellen gerade im Büro- und Objektbereich fest, dass solche Details oft vergessen werden. Die Architekten planen das Licht, den Boden, die Möbel – aber wie später die Garderobensituation aussieht, das wird häufig vergessen. Aber das dominiert später das Erscheinungsbild. Im Entree gibt es ein schön gestaltetes Büro, und in der Ecke steht irgendein x-beliebiger Garderobenständer. Und daran hängen fünf verschiedene Kleiderbügel, am besten die Drahtbügel aus der Reinigung. Man muss sich klar machen, dass solche Produkte sichtbar sind. Und wenn sie schlecht sind, dann hat das Auswirkungen auf den ganzen Raum. Gute Produkte integrieren sich, setzen dabei aber einen Akzent. Das ist unser Thema. Es ist zwar ein Nischenthema, aber ein lohnendes, wie wir finden. Auch viele Designer finden es sehr interessant, dafür Lösungen zu entwickeln. Jetzt gilt es, die Architekten und Bauherren zu überzeugen.
Was muss Design für Schönbuch-Produkte leisten?
Sangha: Design sollte nicht zu kompliziert sein, sondern selbsterklärend. Ein Produkt sollte formschön sein und die Funktion sofort verständlich. Das ist uns sehr wichtig. Und die klare Linie natürlich. Schönbuch-Produkte sind nicht verschnörkelt.
Reß: Wichtig ist auch die Langlebigkeit. Und die Vielfältigkeit. Unsere Produkte unterscheiden sich voneinander, in ihren Funktionen oder in ihrer Designaussage, damit sie in unterschiedliche Lebenswelten integriert werden können. Wir möchten schon eine in sich geschlossene Kollektion, deren Teile aber verschiedenen Ansprüchen genügen, die verschiedene Kunden ansprechen, seien sie eher konservativ oder doch etwas jünger, kreativer. Die Produkte sollen zu unterschiedlichen Lebensformen passen.
Ich hätte eine ganz praktische Frage: Der Eingangsbereich ist ja häufig ein sehr kleiner, dunkler Durchgangsraum mit wenig Wandfläche und vielen Türen. Wie kann man solche Bereiche ansprechend einrichten?
Sangha: Man kann mit relativ kleinen Mitteln schon etwas erreichen. Auch wenn es nur wenige Wände gibt, bleibt doch immer ein bisschen Fläche, um ein paar Haken aufzuhängen. Ein schmales Sideboard oder eine kleine Ablage passt meistens auch. Wichtig ist aber vor allem die Lichtsituation: Mit Licht kann man eine gute Atmosphäre schaffen.
Reß: Und Ordnung natürlich. Unordnung schafft nicht mehr Raum, sondern weniger. Klarheit ist wichtig, Dinge aus dem Blickfeld räumen. Das erzeugt Luft und Freiheit. Und mit Farbakzenten mache ich den Raum interessanter.
Das heißt, Stauraum schaffen ist ein wichtiges Thema bei Ihren Produkten?
Sangha: Genau. Und das auch auf kleiner Fläche. Nicht nur in ausladenden Wandkonstruktionen, sondern bei kleinen Möbeln, die helfen, Ordnung zu halten.
Sie haben betont, dass Schönbuch-Produkte langlebig sein sollen. Schauen Sie trotzdem auch auf Trends?
Sangha: Trends spielen schon eine Rolle, aber nicht die klassischen Möbeltrends. Wir schauen, wie sich das Lebensgefühl der Menschen verändert. In erster Linie aber sind für uns Trends aus der Mode wichtig.
Die Mode ist aber noch schnelllebiger als das Interiordesign.
Sangha: Das stimmt. Dennoch zeigt sie Tendenzen und Entwicklungen, die wir berücksichtigen und umsetzen können. Vor allem was Farben angeht.
Reß: Farbe ist für Schönbuch ein großes Thema und wird auch stark nachgefragt. Je kleiner ein Produkt ist, desto farbiger und trendiger darf es sein. Der große Einbauschrank ist fast wie die Fassade: Der muss lange halten, der fällt meistens schlichter aus. Aber bei Produkten wie dem Garderobensystem Line, da richten wir uns nach den Modefarben. Zum Beispiel haben wir aktuell Metallicfarben aufgenommen. Aber nur als Akzent, damit es nicht bling bling wird. Wir schauen eher in diese Richtung als auf andere Möbelmarken, beispielsweise aus Italien.
Sangha: Das eigene Bauchgefühl zählt sehr! Wir reagieren oft relativ kurzfristig, bei uns gibt es keine langen Prozesse.
Frau Sangha, Herr Reß, vielen Dank für das Gespräch.
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