Menschen

Carolin Sangha und Michael Reß

von Jasmin Jouhar, 06.02.2013


An der Garderobe Drahtkleiderbügel aus der Reinigung? Die Schuhe kreuz und quer in einer Ecke? Und das Licht so matt, dass Drahtbügel und Schuhberge im Halbdunkel abtauchen? Eine Horrorvision für Carolin Sangha und Michael Reß von Schönbuch. Die Kreativdirektorin und der Geschäftsführer des auf Eingangs- und Wartebereiche spezialisierten Möbelherstellers haben es sich zur Aufgabe gemacht, unsere Garderoben, Dielen und Entrees in angenehme, wohlgestaltete Orte zu verwandeln. Und entwickeln dafür Möbel und Accessoires, die praktisch sind und trotzdem schön anzusehen. Wir trafen die beiden in Köln und sprachen mit ihnen über Abstellkammern, Durchgangsräume und bling bling.



Frau Sangha, Herr Reß, der Leitsatz von Schönbuch lautet Feel Welcome. Wie muss ein Entree beschaffen sein, damit sich Besucher willkommen fühlen?

Carolin Sangha: Es muss die Persönlichkeit des Bewohners ausdrücken. Es sollte nicht gerade die Rumpelkammer der Wohnung sein. Das Entree sollte zeigen, dass sich die Bewohner selbst dort wohl fühlen.
Michael Reß: Das Entree ist die Visitenkarte der Wohnung oder des Hauses. Viele Menschen, sogar der Post- oder Pizzabote, bekommen einen Eindruck von mir, wenn ich die Tür öffne. Andere Wohnbereiche sind weniger exponiert. Mit dem Entree zeige ich, wie ich lebe, was für ein Typ ich bin. Das Entree ist die Schnittstelle zwischen Drinnen und Draußen. Es kommt auf die Gestaltung des Raums an, seine Innenarchitektur, aber auch auf die Funktion. Ich möchte mich vielleicht setzen, meine Tasche abstellen, das Mobiltelefon aufladen, die Schuhe wegräumen.
Sangha: All das muss das Entree können, aber dabei nicht wie eine Abstellkammer aussehen. Was aber leider vielerorts der Fall ist.
Reß: Das gleiche gilt natürlich für den Empfang im Objektbereich. Sowohl für das einzelne Büro, den Konferenzraum wie auch für das Foyer. Wo warte ich? Wo setze ich mich hin? Liegt eine Zeitschrift für mich bereit? Und außerdem können sich die Funktionen mit den Jahreszeiten auch ändern.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Reß: Im Sommer brauche ich meistens keinen Schirmständer. Daher ist es wichtig, wie er ohne Schirme aussieht. Und wenn es warm ist, habe ich keine Jacke dabei. Trotzdem steht da der Garderobenständer. Wir stellen gerade im Büro- und Objektbereich fest, dass solche Details oft vergessen werden. Die Architekten planen das Licht, den Boden, die Möbel – aber wie später die Garderobensituation aussieht, das wird häufig vergessen. Aber das dominiert später das Erscheinungsbild. Im Entree gibt es ein schön gestaltetes Büro, und in der Ecke steht irgendein x-beliebiger Garderobenständer. Und daran hängen fünf verschiedene Kleiderbügel, am besten die Drahtbügel aus der Reinigung. Man muss sich klar machen, dass solche Produkte sichtbar sind. Und wenn sie schlecht sind, dann hat das Auswirkungen auf den ganzen Raum. Gute Produkte integrieren sich, setzen dabei aber einen Akzent. Das ist unser Thema. Es ist zwar ein Nischenthema, aber ein lohnendes, wie wir finden. Auch viele Designer finden es sehr interessant, dafür Lösungen zu entwickeln. Jetzt gilt es, die Architekten und Bauherren zu überzeugen.

Was muss Design für Schönbuch-Produkte leisten?

Sangha: Design sollte nicht zu kompliziert sein, sondern selbsterklärend. Ein Produkt sollte formschön sein und die Funktion sofort verständlich. Das ist uns sehr wichtig. Und die klare Linie natürlich. Schönbuch-Produkte sind nicht verschnörkelt.
Reß: Wichtig ist auch die Langlebigkeit. Und die Vielfältigkeit. Unsere Produkte unterscheiden sich voneinander, in ihren Funktionen oder in ihrer Designaussage, damit sie in unterschiedliche Lebenswelten integriert werden können. Wir möchten schon eine in sich geschlossene Kollektion, deren Teile aber verschiedenen Ansprüchen genügen, die verschiedene Kunden ansprechen, seien sie eher konservativ oder doch etwas jünger, kreativer. Die Produkte sollen zu unterschiedlichen Lebensformen passen.

Ich hätte eine ganz praktische Frage: Der Eingangsbereich ist ja häufig ein sehr kleiner, dunkler Durchgangsraum mit wenig Wandfläche und vielen Türen. Wie kann man solche Bereiche ansprechend einrichten?

Sangha: Man kann mit relativ kleinen Mitteln schon etwas erreichen. Auch wenn es nur wenige Wände gibt, bleibt doch immer ein bisschen Fläche, um ein paar Haken aufzuhängen. Ein schmales Sideboard oder eine kleine Ablage passt meistens auch. Wichtig ist aber vor allem die Lichtsituation: Mit Licht kann man eine gute Atmosphäre schaffen.
Reß: Und Ordnung natürlich. Unordnung schafft nicht mehr Raum, sondern weniger. Klarheit ist wichtig, Dinge aus dem Blickfeld räumen. Das erzeugt Luft und Freiheit. Und mit Farbakzenten mache ich den Raum interessanter.

Das heißt, Stauraum schaffen ist ein wichtiges Thema bei Ihren Produkten?

Sangha: Genau. Und das auch auf kleiner Fläche. Nicht nur in ausladenden Wandkonstruktionen, sondern bei kleinen Möbeln, die helfen, Ordnung zu halten.

Sie haben betont, dass Schönbuch-Produkte langlebig sein sollen. Schauen Sie trotzdem auch auf Trends?

Sangha: Trends spielen schon eine Rolle, aber nicht die klassischen Möbeltrends. Wir schauen, wie sich das Lebensgefühl der Menschen verändert. In erster Linie aber sind für uns Trends aus der Mode wichtig.

Die Mode ist aber noch schnelllebiger als das Interiordesign.

Sangha: Das stimmt. Dennoch zeigt sie Tendenzen und Entwicklungen, die wir berücksichtigen und umsetzen können. Vor allem was Farben angeht.
Reß: Farbe ist für Schönbuch ein großes Thema und wird auch stark nachgefragt. Je kleiner ein Produkt ist, desto farbiger und trendiger darf es sein. Der große Einbauschrank ist fast wie die Fassade: Der muss lange halten, der fällt meistens schlichter aus. Aber bei Produkten wie dem Garderobensystem Line, da richten wir uns nach den Modefarben. Zum Beispiel haben wir aktuell Metallicfarben aufgenommen. Aber nur als Akzent, damit es nicht bling bling wird. Wir schauen eher in diese Richtung als auf andere Möbelmarken, beispielsweise aus Italien.
Sangha: Das eigene Bauchgefühl zählt sehr! Wir reagieren oft relativ kurzfristig, bei uns gibt es keine langen Prozesse.

Frau Sangha, Herr Reß, vielen Dank für das Gespräch.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Schönbuch

www.schoenbuch.com

Produkte von Schönbuch bei Designlines

www.designlines.de

Mehr Menschen

Ein Designer in olympischer Höchstform

Mathieu Lehanneur im Gespräch

Mathieu Lehanneur im Gespräch

„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

„Alle am Bau Beteiligten haben Verantwortung“

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Zwischen Euphorie und Askese

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Die Storyteller von Södermalm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

„Wir müssen uns nicht verstellen“

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin

Interior- und Designstudios aus Berlin

Neue Talente

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Für die Schönheit des Planeten

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Puzzle für die Wand

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

In Räumen denken

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

„Wenn man sich vertraut, kann man Kritik annehmen“

Muller Van Severen im Gespräch

Muller Van Severen im Gespräch

Conceptual Substance

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

„Ich betrete gerne Neuland“

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

„Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken“

Peter Fehrentz im Interview

Peter Fehrentz im Interview

Sinn für Leichtigkeit

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Experimentierfreudiges Duo

Im Designlabor von Niruk

Im Designlabor von Niruk

Perfekt im Griff

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Eine widerständige Frau

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Der stille Star

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Das Beste aus zwei Welten

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Klasse statt Masse

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

„Der Prozess wird zum Echo“

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

„Bugholz ist eine Diva“

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Material matters

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Der Geschichtenerzähler

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Wie es Euch gefällt

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

„Ich liebe es, mit Licht zu arbeiten“

Designer Michael Anastassiades im Gespräch

Designer Michael Anastassiades im Gespräch

Vom Pinselstrich zur Farbwelt

Kreativdirektorin Carolin Sangha über die Color Codes bei Schönbuch

Kreativdirektorin Carolin Sangha über die Color Codes bei Schönbuch