Herr Bartenbach, Sie haben Lichtlösungen für Büros, Museen, Flughäfen, Einkaufszentren, Innen- und Außenanlagen entwickelt und mit vielen großen Architekturbüros zusammen gearbeitet. Würden Sie sagen, dass Sie alles erreicht haben?
Nein. Das kann man nie sagen. Wenn man mit etwas fertig ist, weiß man erst, wie man das schon früher von Einstein gelesen hat, dass man eben nichts weiß. Und wenn man lange tätig war, dann progressiert sich das. Zumindest bei mir trifft das zu. Der Mensch ist ein Lichtwesen und je mehr man sich damit beschäftigt, sei es in der Forschung oder auch in der Planung, umso mehr kommt man immer wieder auf Neues.
Sie haben im Alter von 24 Jahren in der lichttechnischen Entwicklungsabteilung des väterlichen Elektroinstallationsbetriebes Ihre Karriere begonnen. Wann und warum begannen Sie sich vornehmlich der Tageslichtplanung zu widmen?
Ich bin schon relativ früh in der Auseinandersetzung mit dem Material Licht darauf gekommen, dass Tageslicht wesentlich ist. Nicht nur weil es nichts kostet, sondern weil die Tageslichtabläufe eigentlich den gesamten Lebensrhythmus bestimmen. Nachdem das aber in den 1960er Jahren noch niemanden interessiert hatte, begann ich mit Fragestellungen wie Sonnenschutz, Tageslichtumlenkung, Tageslichtmengen und habe darüber das Tageslicht selbst zum Thema gemacht.
Machen Sie heute ausschließlich Tageslichtplanungen?
Wir machen zwar vorwiegend Tageslichtplanung, aber das lässt sich vom Kunstlicht ja gar nicht trennen. Das Tageslicht bestimmt zwar primär den Raum, aber ergänzt werden muss es durch das Kunstlicht. Allein schon nachts.
Sie haben eine Philosophie entwickelt, die aus der Kombination von technischen und wahrnehmungspsychologischen Ansätzen resultiert. Diese stützen Sie durch eigene Forschungsarbeiten.
Das Thema Forschung hat uns bewogen 1989 den Namen unseres Büros in Lichtlabor Bartenbach zu ändern, um zu zeigen, dass wir über die Planung hinaus das Licht selbst erforschen und unsere Arbeit durch die wissenschaftlichen Ergebnisse unterstützen. Unser Forschungsgebiet umfasst, neben dem physikalisch technischen Bereich übrigens auch den Wahrnehmungsbereich. So haben wir beispielsweise 1.800 Versuchspersonen an Bildschirmarbeitsplätzen getestet mit der Fragestellung: Welches Lichtmilieu braucht der am Bildschirm Arbeitende? Die mentale Leistung wird durch eine falsche Beleuchtung des Arbeitsplatzes und der Umgebung stark belastet. Es hat sich gezeigt, dass etwa Fensterflächen in diesem Zusammenhang eine große Rolle spielen. Durch falsche Helligkeitsverteilungen im Raum etwa oder durch Blendungen, was sich auch körperlich auswirken kann. Das geht bis zum Unwohl sein. Nur merkt man das oftmals nur indirekt, etwa bei Übermüdungen, weil die Visualität selbst ja nicht bewusst ist. 80% der Informationen entstehen über die visuelle Wahrnehmung, was aber weitgehend unbewusst erfolgt. Daher merkt man Fehler erst durch Wahrnehmungstests.
Betreiben Sie diese Art von Forschungen als Eigeninitiative oder werden Sie von Unternehmen und Planungsbüros dazu beauftragt?
Als ich meine Arbeit vor Jahren aufgenommen hatte, merkte ich bald, dass die Luxzahl nicht die entscheidende Größe in der Lichtplanung ist, sondern die visuelle Wahrnehmung. Ich habe daher auf eigene Kosten Untersuchungen betrieben, um besser planen zu können. Später, als dann die Ergebnisse kamen, haben sich die Industrie und vor allem die Bauherren dafür interessiert. Heute beschäftigen wir in diesem Bereich elf Personen, in dem Forschungen zur Wahrnehmung durchgeführt und transformiert werden, so dass sie in der Planung umsetzbar sind. Ein Großteil der Arbeit fließt in unsere eigenen Projekte ein, aber ein Teil wird jetzt schon durch bezahlte Forschungsarbeiten unterstützt.
Trägt die zunehmende Forderung nach energieeffizienterem Bauen dazu bei, dass die Tageslichtplanung stärker in den Fokus der Unternehmen und Planer gerät?
Das ist so: Wenn man Tageslicht richtig verteilt in den Raum hinein lässt, braucht man weniger Kunstlicht. Dadurch kann Energie eingespart werden, aber nicht besonders viel. Die Hauptkosten verursacht die Wärmeentwicklung durch die Sonne. Wenn sich zu viel Wärme im Gebäude durch das einfallende Tageslicht entwickelt, wird eine Klimaanlage benötigt. Hier muss noch viel getan werden, damit Fensterflächen für die Belichtung genutzt werden und die Nebenerscheinungen, wie Wärme und Klima genau dosiert werden können.
Gerade vor vier Jahren erst haben Sie neben Ihren anderen beruflichen Tätigkeiten die Lichtakademie Bartenbach gegründet. Ist es Ihnen wichtig Ihre Kenntnisse und Ihr Wissen weiter zu geben?
Das ist richtig. Einmal geht es darum, das Wissen weiter zu geben und, was mir ein besonderes Anliegen ist, das Licht selber zu einem Beruf zu machen. Das ist ja bisher noch nicht so. Ich übertreibe wenn ich sage, dass jeder der heute eine Taschenlampe in der Hand hat sagen kann er sei Lichttechniker. Doch ist es bisher eben ein ungeschützter Beruf. Der Mensch aber ist ein Lichtwesen und das Licht ein geistiger Vorgang, der weitgehend mit Erscheinungsbildern zu tun hat. Deshalb ist es gerade wichtig das Bewusstsein anzuregen. Es klingt vielleicht etwas abstrakt, aber mir geht es darum das Lichtbewusstsein zu steigern, den Lichtberuf zu schaffen und diesem eine Qualität zu geben.
Würden Sie sagen, dass der Beruf des Architekten diese Qualität nicht hat?
Ja. Wenn man alleine denkt, dass in der Architekturausbildung noch vor wenigen Jahren das Licht, mit dem ja ständig gearbeitet wird, überhaupt nicht gelehrt wurde. Aber auch heute gibt es eine Lichtausbildung der Architekten in dem Sinne fast nicht. Meist wird das Thema nur über die Haustechnik vermittelt, also unter rein technischen Gesichtspunkten. Das muss man sich einmal klar machen! Aber die Sensibilität gegenüber dem Licht war einmal anders. Schon Louis Kahn hatte festgestellt, dass die Menschen früher anders mit dem Licht umgegangen sind. Bevor es das Kunstlicht gab, versuchte man in den Gebäuden das Tageslicht optimal auszunutzen. Die Häuser hatten Fensteröffnungen mit lichtspezifischen Zuordnungen, wie etwa für die Lichtbringung oder zum Hinausschauen. Als schließlich das Kunstlicht erfunden wurde, meinte man, es ersetze das Tageslicht. Das hat dazu geführt, dass man beispielsweise Räume immer niedriger gebaut hat, nur mit einem Seitenfenster ausgestattet und der Rest wurde mit künstlichem Licht gelöst. Erst jetzt wird wieder erkannt, wie wesentlich das Tageslicht ist. Aber dazu muss man natürlich von den Komponenten des Tageslichtes und des Kunstlichtes sowie von der Art der Umlenkung etwas verstehen. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass da ein vollkommenes Unwissen bei den Architekten herrscht. Aber es geht nicht in die Breite.
Was möchten Sie Ihren Studenten vermitteln?
Wir vermitteln unseren Studenten erst einmal die Bedeutung der visuellen Wahrnehmung. Dazu dienen bei uns die theoretischen Vorlesungen. Parallel werden die Studenten meist in reale Projekte einbezogen, fertigen Modellsimulationen an und stellen damit eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis her. Dabei tritt auch ein interessanter Nebeneffekt ein, der uns aber sehr wichtig ist. Wir haben Leute aus unterschiedlichen Professionen, die problemlos miteinander arbeiten. Da sind Architekten, Elektrotechniker, Menschen aus der Theater- und der Kunstbeleuchtung oder sogar von der Filmakademie. Natürlich spielen die Architekten eine wesentliche Rolle und man kann beobachten, dass sie auch das beste Verständnis mitbringen. Das Licht gehört einfach in die Architektur, weil es Teil des Gestaltungsprogramms ist. Aspekte wie Gebäudetypologie und Raumanalysen sind visuelle Dinge und werden ja auch unabhängig von den ganzen Lichtabläufen behandelt.
Zwischen dem Lichtlabor und der Akademie gibt es eine starke räumliche Nähe, sie sind quasi in einem Gebäude untergebracht. Ist das von Ihnen bewusst so eingerichtet worden?
Ja, das war ganz wichtig. Wir haben schon früh gemerkt, dass ein zentraler Ort mit Zurufqualität große Vorteile hat. Wir hatten verschiedentlich Außenbüros unterhalten, gaben das aber wieder auf. Hier sitzen die Planer und daneben wird die Forschung betrieben. Da nutzt der ganze Computeraustausch nichts, denn die beiden wollen ja miteinander reden. Aus der Ferne muss ich das ganze ja organisieren. Und meistens, wenn mir schnell etwas einfällt, dann will ich das unkompliziert lösen. Diese Möglichkeiten bieten wir hier auch den Studenten. Sie können jederzeit zu den Entwicklern gehen und ihre Aufgabenstellungen diskutieren. Das ist natürlich zeitlich nicht immer ganz einfach. Sie benützen unsere ganzen Einrichtungen mit, lassen sich von unseren Messtechnikern unterstützen und diskutierten mit ihnen, wenn sie ein Projekt machen oder eine Vorlesung nicht verstanden haben. Die Nähe von Lichtlabor und Akademie bewährt sich. Es bringt beiden Seiten etwas. Und es bewegt auch unsere Hardliner in der Planung (lacht).
Einer Ihrer Kollegen meint der schönste Moment für einen Lichtplaner sei die blaue Stunde, wenn die „Magie des elektrischen Lichts“ hervortritt. Welcher ist Ihr schönster Moment?
Der schönste Moment ist, wenn das Lichtraum-Milieu so gestaltet ist, dass sich die Menschen wohl fühlen. Und das hängt wesentlich von den Erkenntnissen hinsichtlich Licht und Gesundheit ab, die ich zukünftig gerne vertiefen möchte. Der Mensch braucht am Tag 3-4 Stunden Licht in ziemlich hoher Menge. Energetisch muss man jedoch wieder schauen, dass nicht zu viel Kunstlicht verwendet wird. Und dann muss man aber auch wieder wissen, wie reagieren die Hormone genau. Diese Zusammenhänge zu ergründen fasziniert mich. Ich hätte gerne noch ein zweites Leben, denn da eröffnen sich gerade ganz neue Wege. (lacht)