Menschen

Christoph Finkel

von Claudia Simone Hoff, 29.11.2012


Christoph Finkel wirkt ein wenig wie ein Fremder auf der Stockholmer Messe Formex, denn seine kunstvollen, handgefertigten Einzelobjekte aus Holz stechen heraus aus dem industriellen Einerlei. Dass er aus dem Allgäu stammt und neben seiner bildhauerischen Arbeit jahrelang Profi-Kletterer und Bundestrainer war, macht den Menschen und seine Arbeit umso spannender. Wir trafen Christoph Finkel am Messestand in Stockholm und sprachen mit ihm über seine ganz spezielle Beziehung zu Bäumen, die künstlerische Arbeit mit den Händen und was das Klettern ohne Seil mit dem Handwerk zu tun hat.


Herr Finkel, wie sind Sie zur Bildhauerei gekommen?

Ich habe an der Akademie der Schönen Künste in Nürnberg Bildhauerei studiert, aber immer schon mit Holz gearbeitet. Meine Vorfahren waren Wagner, und wenn man Schlitten baut, dann muss man viel über dieses Material wissen, um es für seinen Zweck nutzbar zu machen. Das war eine sehr praktische Arbeit, die auch einen funktionalen Zweck erfüllen musste. Ich hingegen versuche, den Werkstoff Holz neu zu interpretieren und in eine moderne Gestaltung zu übersetzen. Das Thema Funktionalität spielt dabei kaum eine Rolle.

Arbeiten Sie auch figürlich?

Ja, früher habe ich Skulpturen gefertigt. Aber der Kunstmarkt ist sehr speziell und mir persönlich unsympathisch – obwohl ich viele Preise gewonnen habe. Wenn man frisch von der Kunstakademie kommt, ist man voll mit der Kunst beschäftigt. Will man dann eine Galerie finden, geht es nur um Geld. Letztendlich ist das Kunstwerk auch nur ein Produkt, das verkauft wird – fast wie im modernen Finanzmarkt. Was ich jetzt mache, ist viel einfacher: Die Leute sehen die Objekte, und sie gefallen ihnen oder eben nicht. Was mich interessiert, sind passioniert gestaltete Dinge und die Verbindung zu traditionellen Handwerkstechniken.

Dann müssten Sie Skandinavien lieben, denn hier gibt es ja viele gut gestaltete Alltagsdinge, die aus Holz gefertigt sind.

Ja. In Deutschland hingegen gibt es die Trennung in Kunst oder Design. Der Kunsthandwerksbegriff hingegen ist völlig zerstört. In Skandinavien oder in den USA ist das ganz anders: Die Leute gehen viel befreiter auf die Dinge zu. Wenn man es pauschal auf den Punkt bringen müsste, könnte man sagen, dass die Dinge in Deutschland explizit als Kunst oder Design museal zelebriert werden müssen. Sonst funktioniert es nicht und der Wert wird nicht erkannt.

Sie kommen aus dem Allgäu. Bis auf mehrjährige Aufenthalte in Österreich und der Schweiz haben Sie immer dort gelebt. Hat Ihre Heimat Einfluss auf Ihre Arbeit?

Das Allgäu ist sehr traditionell, und so bin ich auch aufgewachsen. Wir waren sehr naturverbunden – im Sommer sind wir beispielsweise mit den Kühen auf die Alm gegangen. Ich finde es aber sehr wichtig, dass man sich von den Traditionen löst, weiterdenkt und das Material neu interpretiert.

Gibt es da keinen Widerstand?

[lacht] Kunst ist ja etwas, das nicht unbedingt auf dem Land beheimatet ist. Dort ist der Gedanke sehr stark verankert, dass Kunst etwas mit Können zu tun hat. Die Leute akzeptieren es, wenn es schwer herzustellen ist. Wenn man aber etwas ganz Anderes macht, dann steigen die Leute aus. Das ist mir aber egal. Ich habe einen guten Kontakt zu den Menschen und bin gern dort.

Können Sie von Ihrer Arbeit leben?

Ja. Seit der ersten Präsentation meiner Arbeiten bei Paola Lenti im Chiostri dell’Umanitaria während des Salone del Mobile in Mailand im letzten Jahr ging es sehr schnell voran und ich bekam viel Aufmerksamkeit. Dort ist auch die Designgalerie Luminaire aus Chicago auf mich aufmerksam geworden und hat mir gleich zwanzig Schalen abgekauft.

Handwerkliche Fertigung liegt ja voll im Trend.

Ja, gerade den Amerikanern gefällt alles, was handmade ist. Die sind übersättigt vom chinesischen Überfluss – von den Plastik- und Wegwerfprodukten. Ich habe gerade eine Einladung von der Kunstmesse Sofa in Chicago erhalten, um meine Schalen dort zu präsentieren.

Eine Frage zum kreativen Prozess: Zeichnen Sie die Objekte, bevor Sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen?

Ich zeichne neue Ideen zwar generell auf, muss dann aber auf das Holz eingehen, weil es so charakteristisch ist. Auf der Zeichnung kann ich eine Idee gut finden, die dann aber in der dreidimensionalen Wirklichkeit in Holz nicht funktioniert.

Ist es deshalb nicht schwer, das passende Stück Holz zu finden?

Ja, das ist es. Ich wähle die Hölzer ausschließlich in meiner Umgebung aus und sehe dann, was für mich interessant sein könnte. Der Gestaltungsprozess findet in Kommunikation mit dem Holz und während der Arbeit statt. Ich kann also nicht von vornherein festlegen, was ich machen werde, sondern muss auf das jeweilige Stück Holz reagieren. Das ist eine völlig andere Herangehensweise als wenn ich sagen würde: Ich mache jetzt fünfzig Stück von einer Schale.

Die Fehlstellen des Holzes sind ja auch schon eine Art von Gestaltung.

Eben. Ich versuche, die Qualität des Holzes nicht zu zerstören. Ich finde, man sollte das Rustikale des Holzes aber auch nicht überzelebrieren. Man sollte eine moderne Form finden, die trotzdem die Qualitäten des Holzes hervorbringt. Keines meiner Stücke ist behandelt – nicht lackiert und teilweise auch nicht geschliffen. Außerdem sieht man noch die Spuren der Werkzeuge.

Welche Holzsorten verwenden Sie für Ihre Objekte?

Ich interessiere mich insbesondere für Obstbäume wie Apfel- oder Zwetschgenbäume, wobei die sehr schwer zu bekommen sind, gerade in den Alpen. Ich arbeite gern so, dass ich den Baum – wenn er gefällt ist – an Ort und Stelle zerlegen kann.

Werden Sie benachrichtigt, wenn ein Baum gefällt wird?

[lacht] In unserer Region schon. Da wissen die Leute, dass ich immer Ausschau halte nach Bäumen.

Sie fertigen auch Schalen aus Bergahorn, die beinahe japanisch anmuten.

Ja, Bergahorn ist eine ganz spezielle Art von Ahorn. Er wächst bei uns in den Alpen – ziemlich hoch und sehr langsam. Das Holz ist im Unterschied zu anderem Ahorn sehr weiß. Was bei den bis zu einhundert Jahre alten Bäumen so interessant ist, sind die Strukturen, die sich über die Jahre gebildet haben. Das sind auch Hölzer, die man für Geigenböden benutzt.

Auch wenn einige Ihrer Objekte in der Küche in Gebrauch genommen werden können – beispielsweise als Salatschalen – sind die meisten Ihrer Objekte eher Kunst als Gebrauchsdesign. Das drückt sich auch im Preis aus, der zwischen 150 und 3000 Euro pro Stück liegt. Haben Sie vor, in Zukunft mehr Dinge herstellen, die auch für den Gebrauch geeignet und quasi massenkompatibel sind?

Ich kann gar nicht so viele Objekte herstellen, weil ich ja alles selbst mache – und das dauert. Wenn ich zu viele Gebrauchsobjekte herstellen würde, müsste ich die Kunst vernachlässigen. Mir geht es aber nicht um Masse oder Mehrverkauf, mir geht es um die Herausforderung, etwas zu gestalten. Auf einer Messe wie der Formex suche ich nach Kontakten mit Galerien oder exklusiven Geschäften, denn ich stelle ja im Jahr nur etwa 150 Stücke her. Wenn jemand anderes meine Objekte fertigen würde, dann könnte ich nicht mehr dahinterstehen – da bin ich Perfektionist.

Sehen Sie sich als Künstler oder Designer?

Ich habe mir darüber eigentlich nie Gedanken gemacht. Es fällt mir schwer, etwas einzuordnen. Für mich ist es so: Es gibt gute und es gibt schlechte Arbeiten. Ob dies nun als Kunst, als Design oder als Handwerk definiert wird – das spielt für mich keine Rolle.

Sie waren bis vor kurzem Bundestrainer des deutschen Nationalkaders im Bouldern und Sportklettern und sind auch selbst professionell geklettert. Gibt es eine Verbindung zwischen dem Klettern und dem Handwerk?

Sowohl im Klettersport als auch in meiner Kunst gilt dasselbe Motivationsprinzip: Gute Resultate erfordern viel Zeit, Vorarbeit, Selbstdisziplin und -verantwortung, Kreativität und vor allem Leidenschaft für die Sache. Wege und Ziele können stets neu definiert werden, und das Ergebnis der Arbeit bleibt ungewiss. Das Risiko, dabei auch scheitern zu können, ist kein Nachteil, sondern ein besonderer Antrieb für mich. Eine andere Verbindung zwischen dem Handwerk und dem Klettern ist natürlich die Begeisterung für die Natur mit der Herausforderung, daraus oder darin etwas zu schaffen und sie zu verstehen.

Herr Finkel, vielen Dank für das Gespräch.
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