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Dominik Tesseraux

von Katharina Horstmann, 08.06.2011


Die Frage nach dem Warum steht an erster Stelle eines jeden Projektes von Dominik Tesseraux. Der gebürtige Bensheimer studierte nach einer Ausbildung zum Möbeltischler Produktdesign in Darmstadt. Bevor er 2001 sein Büro Tesseraux+Partner gründete, sammelte er Erfahrungen in verschiedenen renommierten Designbüros. Heute entwickelt er Produkte für Unternehmen wie Bette, Gira, Hewi, Keuco oder Siemens. Wir trafen Dominik Tesseraux und seine Mitarbeiterin Anke Salomon in ihrem Potsdamer Büro und sprachen mit ihnen über Stahlemail, den Einfluss eines Designers auf ein Unternehmen und darüber, was die Designer an den Themen Bad und Küche fasziniert.
 
 
 
Herr Tesseraux, Frau Salomon, Sie haben für Bette die Badserie BetteOne entworfen, die auf der diesjährigen ISH in Frankfurt präsentiert wurde. Wie kam es zu diesem Entwurf?
 
Dominik Tesseraux: Bevor wir mit einer Gestaltungsaufgabe beginnen, versuchen wir immer die Frage nach dem Warum zu klären. Wir haben uns zu Beginn der Zusammenarbeit gemeinsam mit Bette deren Sortiment genau angeschaut.
Wie wollten das Sortiment nicht nur formal ergänzen, sondern wissen, wo eine neue Serie für die Strategie des Unternehmens Sinn macht. Ein Ausbau der elementaren, einfachen Grundformen lag auf der Hand. Gerade für den Vertrieb ist es wichtig, ein Repertoire an klaren Formen anbieten zu können, um bei Ausschreibungen auf die Wünsche der Architekten und Planer eingehen zu können. Der Erfolg eines Produktes definiert sich nicht ausschließlich durch das Design. Die Vermarktung – hierzu zählen auch die Kommunikationsunterlagen und die Präsentation auf Messen – sind Faktoren, die wesentlich dazu beitragen. 
 
Was kennzeichnet das Produkt?
 
Dominik Tesseraux: In erster Linie ist BetteOne eine Produktfamilie aus Badewanne, Duschwanne und Waschtisch. Alle Produkte unterliegen einer sofort erkennbaren Designaussage. Die Produkte haben einen breiten, umlaufenden Rand, um flexibel in der Positionierung der Armaturen sein zu können. Dieses Feature und die wirklich schlichte Form verleihen BetteOne einen universalen Charakter, ein Produkt für jedermann.
Dennoch differenziert sich das Design deutlich, da herkömmliche Stahlemailprodukte durch weiche Übergänge und große Radien gekennzeichnet sind. Die außergewöhnliche Präzision der BetteOne-Serie und der sehr flache Wannenrand von zwei Zentimetern sind schwierige Details bei der Stahlumformung. Bette ist ein ausgesprochen innovatives und experimtierfreudiges Unternehmen mit einer sehr hohen Materialkompetenz. Das kam uns bei der Umsetzung des Designs natürlich entgegen.
Kleine Eckradien an Bade- und Duschwanne sind über die formale Differenzierung hinaus auch ein echter funktionaler Vorteil, da deutlich weniger Silikon im Anschlussbereich zum Boden oder zur Wand verwendet werden muss. In solchen Details sieht nicht nur der Architekt und Designer Vorteile, das realisiert jeder sofort.
 
Sie sprachen davon, dass nicht nur das Konzept und die Entwicklung für einen Erfolg des Produktes eine Rolle spielen, sondern auch die Vermarktung. Wieviel Einfluss haben Sie als Gestalter in diesem Bereich?

Dominik Tesseraux: Wir reden oft mit unseren Kunden über diese Themen. Bei Bette hatten wir schon bei den ersten Konzeptpräsentationen die Entwürfe in einem entsprechenden Umfeld dargestellt. Dieses abgestimmte Verhältnis von Entwurf und Inszenierung begeisterte Bette, und wir bekamen das Angebot, den Messestand zur ISH in Frankfurt zu gestalten. Die Chance, ein Produkt von der Konzeption bis hin zur finalen Messepräsentation zu begleiten, haben wir gerne genutzt.

Was sah das Konzept vor?

Dominik Tesseraux: In erster Linie wollten wir die Qualität der Produkte hervorheben und die Innovationskraft des Unternehmens unterstreichen. Uns war wichtig, den Besuchern einen klaren Blick auf die Inhalte zu ermöglichen. Also: wenige Produkte, diese jedoch auf einer reduzierten und zugleich emotionalen „Bühne” präsentiert. Die „Bühnen” hatten unterschiedliche Ausrichtungen, und aus nahezu jeder Position auf dem Messestand wurde durch neue, interessante Blickwinkel die Neugier der Besucher geweckt. Eine solche Messe ist für die Aussteller sehr wichtig und natürlich auch kostspielig. Jedes Unternehmen hat ein Interesse daran, möglichst viele seiner Produkte zu zeigen, oft zum Nachteil der Übersichtlichkeit und Orientierung auf dem Stand. Wir wollten den Standbesuchern die Möglichkeit zur Konzentration auf das Wesentliche geben.

BetteOne war nicht das erste Produkt, das Sie für den Badbereich entworfen haben. Was fasziniert Sie an dem Thema?

Anke Salomon: Das Bad ist ein Lebensbereich. Jeder Mensch, ob jung oder alt, nutzt das Bad. Es ist ein intimer Ort der Entspannung und der Privatheit, der gleichermaßen funktional und emotional sein sollte.
Dominik Tesseraux: Es gibt zwei vergleichbare Bereiche innerhalb der privaten Architektur: das Bad und die Küche. Als Eigentümer muss man dort investitionsintensive Entscheidungen treffen, da mit der Montage der Produkte ein sehr hoher Installationsaufwand verbunden ist. Die Produkte werden durch ihren langen Lebenszyklus Teil der Innenarchitektur. In allen anderen Räumen hat man einen gewissen Freiheitsgrad, und auch nach drei, vier Jahren die Chance auf einen „Tapetenwechsel”. So gesehen spielt das Design im Bad und in der Küche eine ganz wesentliche Rolle.
Anke Salomon: Keine leichte Aufgabe, sich für ein Produkt zu entscheiden, das fünfzehn bis zwanzig Jahre in der Architektur verbleibt...

... welches dann sowohl ästhetisch als auch nachhaltig funktioniert?

Anke Salomon: Ja, das ist die besondere Herausforderung. Wir folgen keinen modischen Trends, sondern wir suchen immer wieder nach neuartigen Lösungen, die auch in zwanzig Jahren noch attraktiv sind, ohne einfach nur ein formales Repertoire abzurufen. Viele Badprodukte können heute durch bessere Technik anders dargestellt werden. Das kann oft ein Ansatz für neue Lösungen werden.

Dominik Tesseraux: Für die Konzeptentwicklung ist es heute aber auch zwingend notwendig, die architektonischen Strömungen zu interpretieren.
 
Könnten Sie darauf näher eingehen?

Dominik Tesseraux: Insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren hatte eine Wohnung meist einen zentralen Eingangsbereich, den Flur. Das war der Zugang zu den verschiedenen Räumen, die alle eine definierte Funktion hatten, beispielsweise Schlafzimmer, Küche usw. Da die gesamte Wohnfläche in der Regel nicht besonders großzügig war, bedeutete das oft kleine Einzelräume. In der Renovation verschwindet dieser Grundriss jedoch mehr und mehr, beim Neubau sowieso. Räume werden miteinander verbunden, um Spielraum für individuelles Einrichten zu haben. Beispielsweise wächst das Bad mit dem Schlafzimmer zusammen, oder die Küche und das Wohnzimmer werden nur noch über einen Durchbruch voneinander getrennt. Dadurch entsteht ein sehr reger Austausch zwischen den Wohnbereichen. Insbesondere die direkte visuelle Nähe zu Wohnmöbeln verändert den gestalterischen Anspruch an das Bad und an die Küche. Die Funktionalität der Produkte wird vorausgesetzt, das Design muss nun aber flexibler und vielfältiger werden.

Aus Ihrer Erfahrung, wie lange hält sich ein Designkonzept in diesen Bereichen am Markt?

Dominik Tesseraux: In der Regel werden fünf bis zehn Jahre angenommen. Es ist uns daher sehr wichtig, in den Produktkonzepten Evolutionsspielraum vorzusehen. Produkte – oder auch die ihnen zu Grunde liegenden Gestaltungsthemen – brauchen nun mal Zeit, um am Markt angenommen zu werden. Das durchzusetzen, ist nicht immer leicht, da die Hersteller durch die großen internationalen Messen, die alle zwei Jahre stattfinden, einem immensen Innovationsdruck unterliegen.

Sie sind nicht nur im Badbeich aktiv, sondern arbeiten in vielen Gestaltungsbereichen unter anderem auch für die BSH-Gruppe.

Dominik Tesseraux: Ja, wir gestalten Elektro-Einbaugeräte. Bis 2009 waren wir für die Marke Neff tätig. Inzwischen arbeiten wir für Siemens-Elektrogeräte. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Entwicklungen in diesem Produktbereich lange dauern können – und die Produkte werden natürlich, ähnlich den Sanitärprodukten, für eine langfristige Verwendung installiert. Wir versuchen daher, eine nachhaltige, langlebige Gestaltung zu formulieren. Langlebig muss dann nicht zwangsläufig langweilig werden, genau hier liegt unser Anspruch.

Abgesehen von Elektrogeräten: Könnten Sie sich vorstellen, noch mehr im Küchenbereich tätig zu werden?

Dominik Tesseraux: Das Thema interessiert uns sehr. Erste Kontakte sind auch schon geknüpft. Die Aufgabe, traditionell funktionsdefinierte Systeme in neue Kontexte zu stellen, ist wirklich interessant. Das ist nicht mehr nur Gestaltung, das ist auch zu großem Teil die Interpretation unserer Gesellschaft. Multipliziert wird dieser Anspruch, wenn man global denkt. Eine Flut von Faktoren, die bei einer Entwicklung eine Rolle spielen. Eine anspruchsvolle Aufgabe!

Vielen Dank für das Gespräch.
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