Menschen

Fabien Dumas

Der französische Designer im Gespräch über physikalische Prinzipien, zu starke Klettverschlüsse und Laissez-faire.

von Katharina Horstmann, 26.07.2016

Espressotassen, Trommeln oder Baumgebilde: Bei seinen Leuchtenentwürfen bedient sich Fabien Dumas vor allem einer sinnbildlichen Formensprache. 2002 entwarf der in Martinique geborene und in Berlin lebende Franzose sein erstes Lichtprojekt und arbeitet seitdem für renommierte Unternehmen wie Ingo Maurer, Marset, B.lux, Vertigo Bird oder Ligne Roset. Wir trafen den Designer im Berliner Biergarten Prater, dem Ort, an dem sein Werdegang seinen Anfang nahm, und sprachen mit ihm über physikalische Prinzipien, zu starke Klettverschlüsse und ein wenig Laissez-faire.

Fabien, du bist Leuchtendesigner, kamst aber beinahe durch Zufall zum Licht. Was ist passiert?
Schon während des Studiums an der UdK in Berlin haben Julian Appelius und ich an vielen gemeinsamen Projekten gearbeitet, nicht nur für die Uni, sondern auch an freien Entwürfen. Einer von ihnen war Lightable. Er entstand zu einer Zeit, als LEDs noch ganz in den Kinderschuhen steckten und sehr kostspielig waren. Wir hatten das Glück, von einem Unternehmen gesponsert zu werden, das uns zehn Meter LED-Band zur Verfügung stellte, womit wir den Entwurf realisieren konnten. Formal ist Lightable der Archetyp eines Tisches: Er besteht aus einem schlichten, dunkelgrau lackierten MDF-Rahmen, in den eine Glasplatte eingebettet ist. An der Stirnseite der Platte sind LEDs eingelassen, die kaum wahrnehmbar sind. Wird jedoch ein transparenter oder transluzenter Gegenstand auf den Tisch gestellt wie zum Beispiel ein Glas oder auch eine Hand, beginnt der Gegenstand zu leuchten.

Wie funktioniert das?
Der Entwurf basiert auf einem physikalischen Prinzip: der Totalreflexion. Ab einem bestimmten Winkel reflektiert sich das Licht unendlich innerhalb der Glasplatte. Sobald ein Objekt auf den Tisch gestellt wird, wird der Winkel gebrochen, das Licht setzt sich innerhalb des Objektes fort und bringt es zum Leuchten. Das Projekt haben wir Ingo Maurer kurz vor der Mailänder Möbelmesse 2002 per E-Mail vorgestellt. Er war damals schon in Mailand und sagte, er würde den Tisch gerne im Original sehen. Falls wir uns trauten, sollten wir damit direkt nach Mailand kommen. Wir setzten uns also ins Auto und fuhren los, bei Verona hatten wir auch noch eine Panne und mussten mit einem Leihwagen weiter. Aber als wir endlich in Mailand ankamen, zeigten wir ihm den Tisch, und er bot uns einen Platz in seiner Ausstellung im Spazio Krizia an. Die Resonanz war so gut, dass Ingo Maurer Lightable im Anschluss in einer Ausstellung im Frankfurter MAK und danach auf der ICFF in New York zeigte. So hat alles angefangen. Ein Jahr später folgte unser Diplom.

War das wieder eine Leuchte?
Ja, meine Diplomarbeit war ein sehr technischer Leuchtenentwurf, der aus Aluminiumdrehteilen bestand. Ich habe ihn auch Ingo Maurer gezeigt, woraufhin er anfing zu lachen und mich fragte, ob ich ein Praktikum bei einem technischen Leuchtenhersteller absolviert hätte. Julian hingegen hatte mehr Glück. Sein Leuchtenentwurf kam in die Entwicklung. Er fuhr regelmäßig nach München, und ab und zu kam Ingo Maurer auch nach Berlin. Bei einem Treffen, das im Prater stattfand, bin ich am Ende dazugestoßen und hing einen neuen Leuchtenprototypen an einen Baum im Biergarten. Ingo hat wieder gelacht und gesagt: Das ist es! So entstand Light au Lait, meine erste Leuchte, die produziert wurde. Sie war auch mein erstes Produkt und ließ mich letztendlich den Weg zum Leuchtendesigner einschlagen.

Wie ging es weiter?
Die Kooperation mit Ingo Maurer und seinem Team war toll. Durch sie habe ich sehr viel gelernt. Auf den ersten Blick sieht die Leuchte sehr einfach aus: eine Tasse, eine Untertasse und ein Löffel zum Anknipsen – ganz witzig und charmant vielleicht, aber nicht viel mehr. Was man nicht sieht ist, dass sie aus 85 Teilen besteht. Und für jedes Teil musste eigens recherchiert werden. Die Entwicklung war sehr interessant und schnell. In nur einem halben Jahr war das Endprodukt fertig. Die Entwicklungen meiner darauffolgenden Leuchten haben mindestens zwei Jahre in Anspruch genommen, was eigentlich auch üblich ist.

Deine Formensprache ist ausgesprochen sinnbildlich. Ist Ironie ein Thema in deinen Entwürfen?
Das war es früher. Das Verspielte fand ich immer sehr interessant, aber es reizt mich mittlerweile nicht mehr so sehr. Im Laufe der Zeit bin ich durch große Projekte wie die Leuchtenfamilie Tam Tam pragmatischer geworden. Während ihrer Entwicklung habe ich gelernt, dass ich viele Türen schließen muss, damit sich andere Türen öffnen können. Es geht um unscheinbare, aber wichtige Details – um einen Prozess, in dem der Berechtigungsgrund immer hinterfragt wird.

Wie sah der Prozess bei Tam Tam aus?
Tam Tam war eine schwere Geburt, bei der wir durch viele Stadien gehen mussten. Vor ein paar Jahren – und wahrscheinlich auch heute – gab es viele Trommler im Mauerpark, die zum Teil richtige Schlagzeuge im Freien aufbauten. Ich fand das Konstrukt, das sich aus verschiedenen Trommeln zusammensetzt, sehr schön, und so ist die Idee zu der Leuchte aufgekommen. Ihre Endversion besteht aus einem zentralen Schirm aus lackiertem Aluminium, an dem verschiedene Satellitenschirme befestigt sind, die um 360 Grad gedreht werden können. Der anfängliche Entwurf war jedoch eine Klettleuchte: Der zentrale Schirm war komplett mit Klett und die Satelliten mit Velours bezogen, damit man sie trennen und anders positionieren kann. Darüber entstand ein wahnsinniger Kabelsalat, was ich künstlerisch natürlich als einziger toll fand (lacht). Die Leuchte war leicht und kostengünstig zu produzieren. Aber wenn einmal ein Satellit am Hauptschirm befestigt war, musste man sowohl Hände als auch Füße benutzen, um beide Schirme voneinander zu trennen. Aus diesem Grund hat sich der Entwurf nach und nach geändert, und ich habe gelernt, nicht an Unnötigem festzuhalten. Letztendlich ist Flexibilität schön und gut, aber in diesem Fall benötigt sie kein Mensch (lacht).

In den letzten 15 Jahren hat sich viel in der Lichtbranche verändert und die LED-Technologie hat sich Schritt für Schritt immer weiter durchgesetzt. Inwieweit hat dich das in deinem Entwicklungsprozess beeinflusst?
Gar nicht. Ich entwerfe dekorative und nicht technische Leuchten. Das bedeutet, ich gestalte nicht das Licht, sondern das Objekt. Die Lichtquelle steht nicht im Vordergrund meiner Entwürfe. Das Licht ist natürlich sehr wichtig, aber mit welcher Quelle es erzielt wird, ist eher nebensächlich. Die Tam Tam besitzt eine klassische Fassung, das hat sich einfach aus ihrer Form ergeben. Bei A_Forest hingegen war die Nutzung der LED natürlich. Bei der Leuchtenfamilie handelt es sich um ein Stecksystem: Ein Element besteht aus einem Zweig, an dem ein Blatt hängt, das eine LED als Lichtquelle birgt.

Seit ein paar Jahren gibt es bei Designern die Tendenz, eigene Entwürfe selbst zu produzieren – teilweise aus mangelndem Interesse beziehungsweise mangelnder Risikobereitschaft der Industrie, teilweise jedoch auch aus der Möglichkeit heraus, sich von dieser unabhängig zu machen. Reizt dich das?
Nein, das ist nicht mein Metier. Der Aufwand ist am Ende so groß, dass man zu nichts anderem mehr kommt. Vielleicht bin ich auch einfach zu faul (lacht). Wir behaupten oft von uns selbst, wie glücklich wir über unsere Selbständigkeit sind, unser Beruf sei eigentlich ein Hobby und so weiter. Letztendlich kenne ich so gut wie niemanden, der diese Idee wirklich auslebt. Ich versuche, mich auf wenige, aber dafür funktionierende Entwürfe zu konzentrieren, anstatt überall mitmachen zu wollen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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