François Azambourg
François Azambourg ist der Daniel Düsentrieb des französischen Designs. Geboren 1963 im westfranzösischen Angoulême, absolvierte er eine Ausbildung zum Elektrotechniker und studierte an der École des Beaux-Arts in Paris Design. Schon frühzeitig begann er sich mit innovativen Materialien auseinanderzusetzen und entwickelte einen Stuhl aus einem dreidimensional verformten Hightech-Textil. Obwohl der Entwurf, der Hülle und tragende Struktur in einem ist, in Fachkreisen großes Interesse weckte, blieben die Reaktionen der Hersteller zunächst reserviert. Durchhaltevermögen zeigte Azambourg auch bei einem ebenso ambitionierten Projekt: Über zehn Jahre forschte er von 1988 bis 1999 an der Verbesserung eines Saxophons, das er sowohl ergonomisch wie strukturell durch den Einsatz von Leichtbauelementen optimierte. Über acht Patente hat der französische Designer bislang angemeldet und entwirft für renommierte Hersteller wie Ligne Roset, Cappellini, Cassina und Moustache sowie Stadtmöbel für den französischen Badeort La Grande Motte. Wir trafen François Azambourg in seinem Pariser Büro und sprachen mit ihm über rollende Zigarren, Alligatoren im Wohnzimmer und die Wasserflasche der Zukunft.
Monsieur Azambourg, Sie sind bekannt für Ihren experimentellen Umgang mit neuen Materialien und Produktionsmethoden. Mit Ihrem Sessel Grillage für Ligne Roset haben Sie ein verblüffend leichtes Möbel aus einem metallenen Geflecht entwickelt. Welche Idee steht hinter diesem Entwurf?
Es gibt in meiner Arbeit immer Verbindungen von einem Projekt zum nächsten. Ich bin auf diesen Sessel gekommen, nachdem ich zuvor an meinem Bugatti Chair für Cappellini gearbeitet habe. Diesesn Möbel bestand aus einer dünnen Metallfolie, die ich mit Schaum gefüllt habe, um ihr Stabilität zu geben. Im Anschluss an dieses Projekt habe ich an einem Wettbewerb für Gartenmöbel teilgenommen, bei dem ich ebenfalls mit dünnen Blechen arbeiten wollte. Da die einzelnen Objekte im Freien verwendet werden sollten, habe ich mich für ein einfaches Gitternetz entschieden. Aus dieser Arbeit entstand die Idee für Grillage. Indem ich dem Gitter eine einfache Faltung gegeben habe, konnte ich auf eine strukturelle Verstärkung verzichten. Der Sessel erhält auf diese Weise die nötige Stabilität und bleibt dennoch sehr leicht in seiner Anmutung.
Mit seiner großzügigen Sitzbreite vermittelt der Sessel zwischen zwei Welten: Er kann sowohl im Innen- als auch Außenraum zum Einsatz kommen.
Ja, allerdings war es mir wichtiger, den Komfort eines Innenraummöbels nach draußen zu bringen und nicht umgekehrt. Metallgitter sind normalerweise nicht sehr angenehm, um auf ihnen lange Zeit zu sitzen. Doch dadurch, dass wir ein dünnes Geflecht verwendet haben, das sich aufgrund seiner Faltung selbst tragen kann, kann die Rückenlehne flexibel federn und bietet einen wirklichen Sitzkomfort. Dasselbe Ergebnis wäre mit einem anderen Konstruktionsprinzip nicht möglich gewesen. Auch wenn der Sessel zunächst als Möbel für den Wohnraum vorgestellt wurde, ist er aber nach wie vor für den Garten geeignet. Um einen Kontrast zur Natur zu erzeugen, haben wir als Farben eine Palette industrieller RAL-Töne festgelegt, die die Plastizität des Sessels zugleich stärker zu Geltung bringen.
Sowohl der Sessel Grillage als auch der Bugatti Chair zeichnen sich trotz ihrer Konstruktion aus Metall durch eine hohe Leichtigkeit aus. Ein Thema, das sich als roter Faden durch die meisten Ihrer Arbeiten zieht. Warum?
Warum sollen Produkte schwer sein, wenn sie nicht schwer sein müssen? Für den Bugatti Chair habe ich ein Blech aus der Automobilindustrie verwendet, das lediglich ein Zehntel Millimeter stark ist. Ich empfand Stühle aus Blech schon immer auf bizarre Weise schön, auch wenn ich den Reiz ihrer Wirkung nie genau verstanden habe. Als ich mich entschied, selbst einen Stuhl aus Blech zu machen, wollte ich die Schwere herkömmlicher Metallmöbel daher bewusst vermeiden. Also habe ich mehrere Versuche unternommen und eine Methode gefunden, um sehr, sehr dünne Bleche zu verarbeiten, die kaum stärker sind als eine gewöhnliche Aluminiumfolie. Seine Stabilität erhält der Stuhl über eine Füllung mit Schaum, die seiner Oberfläche zugleich eine unebene, beinahe zerknitterte Gestalt gibt.
Auch die Farben des Stuhls sind ungewöhnlich und erinnern an klassische Rennwagen ...
Als ich mit dem ersten Prototypen zu meinem Lackierer gegangen bin, musste ich an den klassischen Bugatti-Rennwagen denken: diese Zigarre auf vier Rädern, die einfach unübertroffen ist. Den ersten Stuhl habe ich in Blau-Violett lackiert, das später einem etwas dunkleren Blau gewichen ist. Nachdem Giulio Cappellini meinen Entwurf auf dem Salon des Meubles 2006 in Paris gesehen hat, haben wir eine gesamte Kollektion daraus entwickelt und ihr die Farben italienischer Rennwagen gegeben: das Gelb von Lamborghini, das Rot von Ferrari bis hin zum Weiß von Fiat.
In Ihrem Studio reihen sich zahlreiche Modelle von Flugzeugen und Flügeln entlang der Wände, die eine prägnante, konstruktive Gestalt mit effizientem Leichtbau verbinden. Finden Sie in ihnen die Inspiration für Ihre Möbelentwürfe?
Es gibt immer einen Transfer, wenn auch nicht immer auf direktem Weg. Mich interessieren vor allem die Frühtage des Fliegens, als Flugzeuge noch aus Holz und Blech gefertigt wurden. Ihre Formen waren stark von Fischen oder Vögeln beeinflusst und auch von ihrer Mechanik her außergewöhnlich. Dabei ist die Luftfahrt in sich sehr widersprüchlich. So objektiv und technisch sie einerseits wirkt, gibt es andererseits eine stark irrationale Komponente. Bis heute ist die Aerodynamik eine sehr empirische Wissenschaft, bei der Modelle im Windkanal getestet und Stück für Stück verbessert werden, ohne dass sich diese Werte präzise berechnen lassen. Auch wenn bei der Entwicklung eines neuen Flugzeuges vor allem seine Performance im Mittelpunkt steht, ist die Form sehr schön. Ich glaube, das ist es, was mich an der Luftfahrt interessiert. Auch in vielen meiner eigenen Entwürfe spielt Bewegung eine große Rolle.
Sie selbst haben bereits acht Patente angemeldet, was für die meisten Designer noch immer höchst ungewöhnlich ist. Woher nehmen Sie Ihren Erfindergeist?
Ich weiß auch nicht, aber ich mag es, mit neuen Technologien zu experimentieren. Mein Studio ist wie eine Mischung aus Werkstatt, Wohnung und Laboratorium. Die meisten meiner Ideen, die ich zum Patent angemeldet habe, sind hier entstanden. Aus ganz einfachen Überlegungen heraus. Umgekehrt macht es aber keinen Sinn, jede Idee patentieren zu lassen, wenn man sie im Anschluss nicht gleich verwerten kann. Der Möbelbranche geht es derzeit noch immer nicht sehr gut. Darum habe ich meinen Schwerpunkt ein wenig verlagert. Wir sind gerade dabei, ein neues Patent mit dem Wissenschaftler David Eduard und seinem Pariser Institut Le Laboratoire einzureichen. Bei dieser Arbeit geht es um eine neue Methode, um Wasser auch ohne den Einsatz von Plastik transportieren zu können.
Die tropfenförmige Flasche, die Sie im September 2010 im Rahmen der Ausstellung Le Design Cellulaire vorgestellt haben, wird aus einem ungewöhnlichen Rohstoff hergestellt: einem aus Algen gewonnenen, natürlichen Kunststoff.
Ja, auch die Fabrikation der Flasche findet im Wasser statt. Auch wenn ihre Form eher an einen Tropfen erinnert, ist ihr Herstellungsprinzip mit einer Wurst vergleichbar. Der Durchmesser eines Schlauchs wird dabei durch die Änderung des Wasserdrucks variiert und am Ende einfach abgeschnitten. Noch ist die Hülle nicht sehr stabil. Aber wir arbeiten mit einem Team von Wissenschaftlern zusammen, um die Spannung der Membran zu erhöhen. Der Vorteil der Flasche ist, dass sie problemlos zu kompostieren ist. Auch ihre Oberfläche besitzt eine vollkommen andere Anmutung als Kunststoffe, die auf der Basis von Öl gewonnen werden. Wir hoffen, dass wir noch in diesem Herbst einen Hersteller finden, der die Flasche in hohen Stückzahlen produziert. Wir denken dabei an große Lebensmittelhersteller wie Nestlé oder Danone. Bei einem solchen Projekt ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren und Ideen gleich zu schützen. Nachdem wir im Februar mit der genauen technischen Umsetzung der Flasche begonnen haben, haben wir schon im März das erste Patent eingereicht.
Während Sie mit dieser Arbeit den Blick in die Zukunft richten, haben Sie mit Ihrem Animal Object auf verblüffende Archaik gesetzt: ein Tisch in Form eines lebensgroßen Krokodils. Wollen Sie das Wohnzimmer in einen Zoo verwandeln?
[Lacht] Nein, auch hierbei ging es mir vor allem um ein Umdenken in der Produktion. Das Projekt entstand im Rahmen der Ausstellung Intérieur Cuir Acte 2, die 2010 von Verband der französischen Lederindustrie ausgerichtet wurde. Vor allem in der Luxusindustrie besteht das Problem, dass ausschließlich Leder erster Qualität verarbeiten werden, während mittlere Qualitäten kaum noch vermittelbar sind. Hinzu kommt, dass die Lederindustrie ungewöhnliche viele Abfälle produziert, indem sie die Tierhäute wie ein industrielles Material behandelt. Statt die natürliche Form der Tiere zu berücksichtigen, werden Rechtecke und andere geometrische Formen aus ihnen herausgeschnitten.
Es ging ihnen also um eine höhere Effizienz?
Ja, vor allem bei sehr hochwertigen und teuren Lederarten sind unnötige Abfälle umso bedauerlicher. Ich hatte das Glück, die Werkstätten von Hermès besuchen zu können, wo die Häute ganzer Alligatoren an den Wänden hingen. Das war wirklich sehr beeindruckend, da die Gestalt der Tiere noch immer plastisch erkennbar war. Mein Vorschlag war ein Möbel, bei dem keine Teile des Leders beschnitten oder weggeworfen werden müssen. Das Ergebnis erinnert an vorgeschichtliche Zeiten, als die ersten menschlichen Produkte aus Häuten und Knochen gefertigt wurden und die Form der Tiere noch immer klar zu erkennen war. Je nach Größe können die Objekte als Centerpiece auf der Mitte eines Esstischs oder als flache Tische neben dem Sofa dienen. Alligatoren können ja über drei Meter lang werden. Den Bestien habe ich auf diese Weise ihre Form zurückgegeben.
Vielen Dank für das Gespräch.
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