Menschen

Hans-Jörg Müller

Giras Innovationsmanager über Smart Home und App-Hypes

von Kathrin Spohr, 08.09.2017

Seit 2016 ist Hans-Jörg Müller Leiter für Produkt und Design bei Gira. Das Unternehmen kennt er schon lange: Von 1991 bis 2006 hat er bei Gira in verschiedenen Positionen erst als Marketingmanager, dann als Leiter des Produktmanagements gearbeitet. Danach war Müller beim Sanitärausstatter Hewi tätig. Nun führt der Innovationsmanager Gira und das Thema Smart Home weiter in die Zukunft.

Was ist das Besondere an Gira? Gira hat eine 111-jährige Geschichte. Seit den Sechzigerjahren setzen wir klare, prägende Designakzente. Eine weitere Besonderheit ist, dass wir sehr verschiedene Zielgruppen haben: Wir bedienen einerseits den Elektro-Handwerker, gleichzeitig den Architekten und zunehmend auch den Endverbraucher. Gleichermaßen für alle interessant zu sein, ist eine sehr komplexe Aufgabe. In allen Fällen spielt das Design – damit meine ich mehr als die formale Hülle – eine immer größere Rolle. Wie entnehme ich das Produkt der Verpackung, und wie gut kann man die Infos darauf lesen? Wie mühelos lässt sich ein Produkt installieren? – Das spielt eine große Rolle für den Handwerker. Wir haben heute viele Produkte, bei denen es um Interfaces geht. Gira entwickelt also die Mischung aus einem guten Handwerksprodukt, sinnvoll innovativer Funktion, Langlebigkeit und gutem formalem Design. Dies ist eine komplexe Aufgabe.

Gira hat als Hersteller von Schaltern angefangen, ist heute Komplettanbieter für intelligente Systemlösungen, Design, Funktionen und Interface. Was ist die Zukunft von Gira? Durch das Thema Smart Home wird die gesamte Breite der Wohnformen erreicht. Gleichzeitig glaube ich, dass wir auf mediale Standards aufsetzen müssen. Wir müssen dazu stets die Anforderungen der Installateure, Architekten und Endkunden im Blick haben. Dazu sind wir sehr viel unterwegs. Denn es geht heute um Orientierung in einer komplex fokussierten Angebotswelt: vom einfachen Wohnen bis hin zur Villa.

Sie waren bereits bis 2006 bei Gira und sind seit 2016 wieder im Unternehmen. Was hat sich seit Ihrem damaligen Weggang am meisten verändert? Die vernetzte Welt. Denn erst 2007 mit dem Smartphone und 2010/11 mit den ersten Apps wurde es möglich, per Knopfdruck intern oder extern das Zuhause zu steuern. Da hat Gira einiges entwickelt, anderes wird hinzukommen. Das Thema Sicherheit wird eine größere Rolle spielen. Unser eNet hat eine zweite, sehr hohe Verschlüsselung. Die Vernetzung der Funktionen wurde ein wichtiger Punkt in unterschiedlichen Wohnformen und Objekten.

Sie sind Innovationsmanager: Was möchten Sie bei Gira erneuern? Für mich geht es vor allem um die maßvolle, kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Produktsortimente. Wir haben ja sehr viele verschiedene Programme und Geschäftsfelder. Ich sehe mich bei Gira als Jongleur: Ich halte alle Teller stets so in Bewegung, dass keiner herunterfällt. Man darf sie nicht zu langsam bewegen, sollte aber auch nichts übertunen.

Das Internet der Dinge ist weiter auf dem Vormarsch. Gira kooperiert derzeit mit Partnern wie Dornbracht, Revox und anderen. Mit welchen neuen Bereichen wird Gira sich künftig vernetzen? Die ganzen Mediathemen, Audiosteuerung, laufende Bilder etc., kommen gerade hinzu. Das Smartphone gibt die Geschwindigkeit dieser Entwicklung vor. Die Frage wird sein: Was macht im Netzwerk zuhause Sinn? Was will man haben? Sicherer Zutritt ins Haus, die sogenannten Keyless-In-Systeme. Datensicherheit. Diese Themen existierten vor ein paar Jahren nicht. Alle Technologien wie Licht, Alarmanlage und Heizung waren früher voneinander separiert. Auch Funktionen wie Receiver oder CD-Player wurden mit eigenen Fernbedienungen gesteuert. Heute macht man alles per iPhone. Das ist eine kleine technische Revolution.

Wie intelligent ist Ihr Zuhause? Ich habe ein sehr schönes Siebzigerjahre-Architektenhaus gekauft. Es ist perfekt in Schuss, sodass ich es nicht sanieren muss. Ohne in die Bausubstanz einzugreifen, ist eine komplexe serverbasierte KNX-Lösung jedoch nicht möglich. Daher nutze ich Funklösungen und rüste schrittweise um. Ich mag es, mit meinem Haus per iPhone zu interagieren.

Welche technische Entwicklung fehlt Ihnen persönlich? Keine. Ein Musiker sucht auch nicht nach dem perfekten Song, er macht Musik. Gira hat ja vieles herausgebracht, was Antrieb für andere Hersteller war. Aus dem spielerischen, freudigen Umgang mit dem Fortschritt kann sich schon so viel ergeben. Wenn wir das als Kultur erhalten und weiterbringen, dann ist das eine tolle Geschichte. Die Suche nach dem perfekten System, das man in zwei, drei Jahren haben möchte, blockiert.

Macht zu viel intelligente Technik die Menschen blöd? Jeder muss selbst entscheiden, welches Maß an Steuerung, Technik er zulässt. Wie stark man sich davon leiten und lenken lässt. Ich arbeite übrigens relativ wenig mit Apps. Ich glaube, dass der große App-Hype auch schon hinter uns liegt. Für Gira ist intelligente Technik ein zentrales Mittel, um Dinge neu zu vernetzen. Das Kriterium dabei ist nicht die Masse, sondern das, was sinnvoll ist.

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Wir sind die mit den Schaltern. Aber auch so viel mehr. Smart-Home-Pioniere, KNX Experten und Zukunftsgestalter.

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DEAR Magazin Nr. 2/2017

Dieser Beitrag ist zuerst in unserem Printmagazin erschienen. Infos zur Heftbestellung:

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