India Mahdavi
Die Queen of Pop Orientalism gestaltete das Loft im VitraHaus um. Wir sprachen mit ihr.
Die Fahrstuhltür öffnet sich, und eine rosarote Welt tut sich auf. Kennt man die Arbeiten von India Mahdavi, dann überrascht das eigentlich nicht. Nun hat der Schweizer Möbelhersteller Vitra die Pariser Designerin mit der Umgestaltung des Lofts im VitraHaus beauftragt. Wir sind durch Alices Wunderland gewandelt und sprachen mit der Designerin über Tagträume, ihr Faible für Extreme und die Angst vor Farben.
Das Loft befindet sich in der obersten Etage des VitraHauses in Weil am Rhein, einem Entwurf des Schweizer Architekturbüros Herzog de Meuron. Regelmäßig bittet Vitra internationale Designer, den Raum neu zu bespielen und mit Produkten des Herstellers einzurichten: Antonio Citterio und Ilse Crawford waren schon mit dabei und nun India Mahdavi. Erstaunlich ist, wie verschieden die Möbel und Accessoires in unterschiedlichen Kontexten wirken können, wie klar die Handschriften der Gestalter sind. India Mahdavi, Designerin mit multikulturellem Hintergrund, sticht mit ihren sehr spielerischen Entwürfen heraus. Sie selbst bezeichnet ihren Stil übrigens als Pop Orientalism. Schaut man sich ihre Produkte für Bisazza, Manufacture Cogolin oder Petite Friture und auch ihre Interiorprojekte an, wird schnell klar, was sie mit diesem Begriff meint: Die Designerin kombiniert Formen, Farben, Materialien und Stile, die andere nicht einmal zu denken wagten. Und doch ist das Ergebnis immer ein harmonisches, zugegebenermaßen oft sehr extravagantes Ganzes. So ist es auch beim VitraHaus.
Für die Umgestaltung des Lofts hat sich die Kosmopolitin mit persisch-ägyptischen Wurzeln das bereits 1865 erschiene Kinderbuch Alice im Wunderland des britischen Schriftstellers Lewis Carroll als Leitmotiv gewählt. Und so kommt es, dass einem, öffnet sich die Fahrstuhl in der obersten Etage des VitraHauses und schweift der Blick hin zum großen Panoramafenster, ein erstauntes „Oh“ entfährt.
Man steht plötzlich inmitten einer rosaroten Welt, die Wände sind überzogen mit Alices Zitate, und viele weitere Elemente aus dem Roman tauchen auf. Weil Alice in der Erzählung schrumpft, sind einige Figuren und Dinge in teilweise extremer Maßstabsverzerrung dargestellt: das übergroße Kaninchen, die Teekanne und Blumen oder die winzige Stühle (aus der Vitra-Miniaturen-Kollektion) auf der Terrasse beispielsweise. Dazu gesellen sich Möbelklassiker des Herstellers: das Sofa Freeform von Isamu Noguchi, der Standard Chair von Jean Prouvé und zeitgenössische Entwürfe wie das Sofa Mariposa von Barber & Osgerby – allesamt bezogen mit Stoffen in Pastelltönen. In dieser rosaroten Welt setzt India Mahdavi gestalterische Akzente mit Holz, Porzellanaccessoires, Noguchi-Leuchten aus japanischem Papier und Farbklecksen in Gelb, Gold und Hellgrün. Außerdem mit dabei: Entwürfe ihres eigenes Labels wie Glasleuchten, Keramikhocker und bestickte Kissen.
Die rosarote Traumwelt, die Sie für das VitraHaus geschaffen haben, ist ja ziemlich überraschend.
Stimmt, das Projekt sollte anders werden als alles Bisherige, auch weniger maskulin. Pink schien mir deshalb die richtige Farbe zu sein (lacht). Mir war es wichtig, Poesie in die großartige Architektur von Herzog de Meuron zu bringen. Hier – in dieser fiktiven Wohnung für ein Paar oder eine Familie – soll man tagträumen können. Deshalb habe ich als Thema meiner Installation die Geschichte von Alice im Wunderland gewählt. Ausgangspunkt ist die Frage „Was wird aus mir werden?“, die ich mir übrigens jeden Tag stelle.
Wie setzt man Tagträume gestalterisch um?
Ich habe verschiedene Inseln, Zonierungen geschaffen – mit Teppichen, Möbeln, Farben und Accessoires. Sie sollen Intimität schaffen, eine Atmosphäre des Wohlfühlens – gerade auch die Möbel, die normalerweise im Büro stehen. Komfort ist mir sehr wichtig, ebenso ein Gefühl von Zuhause, von Gemütlichkeit. Zusammen mit Vitra bin ich die gesamte Kollektion durchgegangen und habe meine Lieblingsstücke und die passenden Oberflächen und Materialien ausgesucht. Einige Dinge wie beispielsweise die übergroßen Textilblumen wurden extra für diese Installation angefertigt. Hinzu kommen noch einige Stücke meines eigenen Labels. In diesem Raum, der sich übrigens bis auf die Terrasse ausdehnt, ist alles sanft, poetisch, licht. In jeder Ecke des Raumes kann Alice einschlafen und zu träumen beginnen. Insgesamt sollte alles ein wenig extremer werden als normalerweise (lacht).
Im VitraHaus und anderswo: Materialien scheinen eine echte Leidenschaft von Ihnen zu sein.
Ja, das stimmt. Ich liebe das Spiel mit verschiedenen Materialien und Texturen. Fast alles darüber habe ich bei Christian Liaigre gelernt, für den ich in Paris gearbeitet habe. Deshalb beginne ich beim Entwerfen eines Raumes auch immer mit einem bestimmten Material oder einem bestimmten Objekt, statt die Aufgabe rein architektonisch zu betrachten. Für mich ähnelt das Einrichten eines Raumes sehr der Mode. Mich erstaunt übrigens immer wieder, wie viele Menschen mit der Mode experimentieren, wie wenig sie sich aber beim Einrichten ihrer Wohnung trauen. Sie scheinen regelrecht Angst zu haben – vor der Größe des Raumes, vor der Verwendung von Farben, vor Experimenten.
Wie entstehen Ihre Projekte?
In meinem Pariser Büro, zu dem auch ein Showroom gehört, steuere ich verschiedene Teams als Art Directorin und versuche die Richtung eines Projekts vorzugeben. Kreativ sein, Energie weitergeben – das ist es, worum es mir im Wesentlichen geht.
Was sehen wir demnächst von Ihnen?
Ich gestaltete gerade die Damen-Designermode-Abteilung der zweiten Etage des Berliner Kaufhauses KaDeWe neu, die im September eröffnet wird. Außerdem arbeite ich an einem Shopinterieur für das französische Label Ladurée – beides zwei wirklich spannende Projekte.
Vielen Dank für das Gespräch!