Jakob Wagner
Jakob Wagner ist ein vielversprechender Designer aus Dänemark. Er wurde 1963 in Kopenhagen geboren. Nach der Schule nahm er ein Designstudium in seiner Geburtsstadt auf, wo er auch seinen ersten Abschluss machte. Danach ging er ins Ausland und bildete sich an internationalen Schulen weiter. 1992 schloss er seine Ausbildung am „Zentrum für Kunst" in Montreux in der Schweiz in Produktdesign ab, kehrte zurück nach Kopenhagen und gründete sein eigenes Designbüro. Jakob Wagner spezialisierte sich zunächst auf Sportdesign. Seine ersten Auftraggeber waren Sportfirmen wie Pioneer, Scubapro und Porsche. Nach fünf Jahren wechselte er das Metier und begann Objekte und Möbel für Wohnen und Küche zu entwerfen. Zu seinen Kunden gehören Iittala, Georg Jensen, Menu, und Bang & Olufsen sowie die Möbelfirmen B&B Italia, Moroso und Magis. Seine Produkte, die sich durch ein klares, zurückhaltendes Design auszeichnen, sind in verschiedenen skandinavischen Museen und Galerien ausgestellt und im „Museum of Modern Art" in New York. Wir sprachen mit ihm über universelles Geschirr, über die schönen kleinen Dinge im Leben und über Design, das die Natur zum Vorbild nimmt.
Herr Wagner, Ihre ersten Entwürfe waren im Sportdesignbereich angesiedelt. Jetzt entwerfen Sie Möbel und vor allem Utensilien für die Küche. Kleine praktische Objekte, die sehr hilfreich sind beim Kochen und Servieren. Wie kam es zu diesem Wandel?
Vor 17 Jahren gründete ich mein Büro und bekam zunächst Aufträge von Sportfirmen. Mein erster produzierter Entwurf war ein komplettes Tauchequipment. Ich war sehr sportlich und so verband ich meinen Beruf mit meinem Hobby. Dann wollte ich etwas anderes ausprobieren und begann im Wohndesign zu arbeiten. Von Beginn an hatte ich den Wunsch Möbel zu entwerfen, aber dafür brauchte ich noch mehr Erfahrung und Reife. Denn ich wollte nicht nur Möbel, sondern gute Möbel designen. Heutzutage ist der Entwurf eines guten und besonderen Möbelstücks für jeden Designer die größte Herausforderung. Es gibt so viele Möbel in der Welt und ein großer Teil davon wird „just for fun“ produziert. Ich aber möchte Produkte entwickeln, die neu sind, die es vorher noch nicht gab. Das ist mein eigener Anspruch, dem ich mich stelle.
Was ist das Wichtigste für Sie im Design?
Für mich steht die Funktion eines Produktes im Vordergrund. Sie ist das Wichtigste. Nehmen wir ein gewöhnliches Objekt aus dem Alltag: den Topfuntersetzer. Die Aufgabe eines Untersetzers ist, die Hitze eines Topfes von der Oberfläche des Tisches fernzuhalten. Aber er wird nur eine halbe Stunde am Tag benutzt, die restlich Zeit nimmt er in der Küche Platz weg. Und dann ist er entweder zu groß für eine Schublade oder zu klein, um ihn aufzuhängen. Aus diesen Überlegungen heraus entstand Propeller. Dieser Topfuntersetzer besteht aus zwei gleich aussehenden Stäben, die an einem Ende gedreht und in der Mitte durch ein Gelenk miteinander verbunden sind. Wird er nicht mehr gebraucht, klappt man ihn einfach zusammen. Er ist so klein, dass er keinen Platz im Schrank wegnimmt.
Kochen Sie gern?
Ja sehr gern, am liebsten mit dem Wok. Mit einem Wok wird beim Kochen viel Hitze genutzt. Ich liebe dieses Zischen, wenn man Gemüse oder Fleisch in das heiße Öl wirft und der Bratgeruch sich im Raum verteilt. Zu Hause haben wir eine offene Feuerstelle und darüber kochen wir mit dem Wok. Immer wieder fällt mir auf, dass die Zubereitung jeder Speise, jedes Essens andere Gefäße oder Kochutensilien erfordert. Es gibt kein 100prozentig universelles Geschirr für alle Gerichte. Dabei macht gerade die zunehmende Verquickung der internationalen Küche neues Geschirr und Geräte für die Zubereitung nötig. Eine andere Frage ist, wie Speisen serviert werden. Oft passen sie nicht zu den Schalen oder Tablettes, auf denen sie angerichtet werden. Ich möchte gern Geschirr und Behälter entwerfen, die zu jeder Art von Gerichten passen und zugleich dem Menschen, der sie bereitet und serviert, mehr Raum für die Dekoration lassen. Geschirr sollte in den Hintergrund treten, unauffällig, aber praktisch sein und trotzdem schön.
Ist Ihre Geschirrserie „Carry On" der erste Versuch für solch ein universelles Essgeschirr?
Die Teller bei diesem Geschirr sind einfach nur Flächen, die so viel Raum wie möglich zum Arrangieren der Speisen bieten. Es sind große Platten mit abgerundet Ecken, wie bei einem Tablett. Nur trägt man hier nicht das Essgeschirr auf einer Platte herum, sondern die Speisen liegen direkt darauf. An einer schmalen Seite ist die Wölbung des Tellerrandes etwas stärker ausgeprägt, um den Teller beim Tragen besser halten zu können.
Für das skandinavische Unternehmen Menu haben Sie Zubehör zum Weintrinken entworfen, wie auch ein elegantes Weinregal.
Das Weinregal besteht aus sehr wenig Material. Seine organische Form verleiht ihm die Stabilität, die es bei seiner Größe braucht, um bis zu sechs Flaschen zu halten. Mir gefiel die Idee, Weinflaschen nicht im Keller zu lagern sondern direkt in dem Raum in dem er getrunken wird. Ein Glas Wein zum Essen gehört zu den schönen kleinen Dingen im Leben, genauso wie Speisen, die gut auf dem Teller angerichtet sind. Heute gibt es nur wenige Menschen, die ihren Wein im Keller aufbewahren.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem Entwerfen von Möbeln und kleineren Dingen für die Küche?
Das Entwerfen eines Möbelstücks unterscheidet sich nicht sehr vom Designprozess eines Küchenobjektes. Der Unterschied liegt in seiner Benutzung und im Maßstab. Küchenutensilien kann man in der Hand halten, sie sind klein und griffig, wichtig ist ihre Handhabung. Möbel dagegen umgeben dich oder man setzt sich hinein. Das Wesentliche ist, wie das Objekt zum Nutzer, zum Raum und der es umgebenen Architektur steht. Eine weitere Sache ist die Beziehung des Nutzers zum Objekt. Eine Tasse besitzen wir auf andere Weise als einen Stuhl oder Tisch. In der Regel trennen wir uns von ihr leichter als von einem Möbelstück. Auch ist es eine größere Entscheidung ein Möbel zu kaufen, als Geschirr oder eine Tasse. Einen Küchentisch kauft man mit dem Gedanken, an ihm die nächsten 20 Jahre seine Mahlzeiten einzunehmen, eine Tasse eher für die nächsten Monate.
Eines Ihrer jüngst entworfenen Produkte ist der Tisch „Link", ein Möbel für die Küche. Wie vollzog sich der Entwurfsprozess?
Beim Entwurf von Link ging ich wie ein Bildhauer vor. Ich begann mit einem großen weißen Block, von dem ich jedes Volumen wegnahm, das nicht für die Struktur eines Tisches benötigt wird. Beim Modellieren fiel mir die Metapher „Haut und Knochen“ ein. Die Haut steht für die äußere Hülle des Tisches, die seine Form umreißt. Mit dieser Hülle berührt er den Boden und wir berühren ihn. Sie ist glatt und sehr klar gestaltet. Den anderen Teil bilden die Knochen, die versteckt unter seiner Haut liegen. Sie sind das Innere, die Struktur des Tisches und an seiner Unterseite sichtbar, die - im Gegensatz zur Oberseite - sehr organisch geformt ist. Unterhalb der Tischplatte verläuft eine kleine gewölbte Linie, die das Aufeinandertreffen von „Haut und Knochen“ deutlich macht.
Sie haben sich von Formen aus der Natur inspirieren lassen?
Sein Design ist der Natur nachempfunden. Keinem konkreten Wesen, aber er zeigt den organischen Aufbau: das Zusammenspiel von Struktur und Hülle, die sie umspannt. Dazu fällt mir eine Begebenheit aus dem Designprozesses ein: Als der erste Prototyp fertig war und wir um den Tisch standen und ihn betrachteten, sagte ein Mitarbeiter etwas sehr Schönes, das ich als ein großes Kompliment auffasste: Dieser Tisch wurde von der Natur geschaffen. Wenn die Evolution einen Tisch kreieren würde, würde er so aussehen. Produkte sind gut, wenn sie wie von Natur gemacht sind.
Wie ist das gemeint?
Die Natur ist der beste Lehrer. Von ihr können wir das Weglassen lernen. Sie zeigt uns, wie wenig benötig wird, damit ein Objekt funktioniert. Gutes Design ist einfach und zeichnet sich durch Schlichtheit aus. Die Übertragung von Grundprinzipien aus der Natur führt zu Designprodukten, die für ihre jeweiligen Anforderungen optimiert entwickelt sind. Aber nicht nur in Hinblick auf Ihre Form, auch auf ihre Materialität bezogen. Gerade in den letzten Jahrzehnten wurden nach dem Vorbild der Natur Materialien mit großartigen Eigenschaften entwickelt. Beispielsweise gibt es heute Schwimm- und Tauchanzüge aus High-Tech-Textilien, die der Haifischhaut nachempfunden sind. Ich bin wirklich gespannt, was uns in den nächsten Jahren erwartet.
Vielen Dank für das Gespräch.
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