Menschen

Jochen Schmiddem

von Katharina Horstmann, 19.05.2010

 
Jochen Schmiddems Produkte sollen emotional ansprechen – ganz ohne Gebrauchsanweisung. Der gebürtige Düsseldorfer studiert nach einer Ausbildung zum Möbeltischler zunächst Malerei und Bilderhauerei, bevor er zum Produktdesign wechselt. Nach seinem Abschluss 1992 sammelt er erste Erfahrungen in internationalen Designbüros wie Phoenix Design und gründet 1997 sein eigenes Studio in Berlin. Schnell macht er sich speziell im Badbereich einen Namen und zählt heute zu den führenden Sanitärdesignern weltweit. Wir trafen Jochen Schmiddem in Berlin und sprachen mit ihm über gutes Baddesign, nasse Kopfkissen und was man von der Bundesliga lernen kann.
 
 
Herr Schmiddem, Sie haben sich in den letzten Jahren insbesondere durch das Baddesign einen Namen gemacht. Was fasziniert Sie so sehr an dem Element Wasser?
 
Ich denke, dass ist eine Vorliebe, die ich einfach habe und die sich immer weiter herauskristallisiert. Meine Eltern haben immer am Wasser gelebt. Sie wohnten lange Zeit in Irland an der Küste. So ist für uns alle das Wasser immer schon bedeutend gewesen. Und Baddesign ist ein wunderschönes Metier, in das man alles einbringen kann.
 
Ihr Durchbruch kam mit der mobilen Multifunktionsduschkabine „Pharo Cocoon“ für Hansgrohe. War das Ihr erstes Badprojekt?
 
Wir haben für andere Studios schon vorher viel im Badbereich gearbeitet. „Cocoon“ war sicherlich das spektakulärste. Damals hatte ich mich gerade erst selbständig gemacht, vor dreizehn Jahren, und die Aufgabe war einfach unglaublich: ein Unternehmen wie Hansgrohe, das zu mir sagt „Mach was Du willst und gewinne dabei so viele Designpreise wie möglich“ (lacht). Es sollte einfach außergewöhnlich sein. Die Kabine ist längst nicht mehr auf dem Markt; die Nachfrage ist jedoch nach wie vor groß. Erst vor kurzem rief mich jemand vom Surf-Weltcup an, der händeringend nach sechs Duschen suchte.
 
In den letzten Jahren erhielt das Thema Bad im Designbereich immer mehr Aufmerksamkeit, und es wird oft darüber gesprochen, dass das Badezimmer immer mehr mit dem Wohnraum verschmilzt. Wie sehen Sie die Entwicklung?
 
Meiner Meinung nach ist Schlafen Schlafen und Baden Baden. Wenn der eine in der Badewanne sitzt, kann der andere nicht schlafen – Feierabend. Wenn man ein Loft hat und Wände zuziehen und sich abschirmen kann, dann ist alles wunderbar. Aber alles andere ist Quatsch. Wenn ich mir die Zähne putze und dabei mein Kopfkissen nass wird, hat das nichts mit gutem Baddesign zu tun. Im Gegenteil, es entwürdigt es und ist vielmehr ein Gag-Design. Außerdem wird es weiterhin noch viele Leute geben, die kleine Bäder haben, und das ist die wirkliche Herausforderung.
 
Sie haben sehr viel mit den Sanitärunternehmen Bette und Duravit gearbeitet. Bette ist für den Einsatz von Stahlemail bekannt, Duravit wiederum für Sanitär-Acryl. Was sind die Herausforderungen dieser Materialien?
 
Stahl ist natürlich ein ganz besonderer Werkstoff. Ihn zu ziehen, ihn so zu konstruieren, oder gemeinsam mit den Konstrukteuren abzugleichen, das ist schon eine Kunst für sich, und da hat sich viel getan. Die aktuellen Wannen, die wir für Bette gemacht haben, wären so vor zehn Jahren nicht möglich gewesen. Da gibt es eine stetige Weiterentwicklung, in der wir über die Form das Unternehmen auch extrem in der Technik fordern und so das Material für die Zukunft angleichen. Der Vorteil bei Stahl ist eindeutig die Wertigkeit und Festigkeit. Das ist schon etwas anderes, als wenn man auf Acryl klopft – das sage ich allerdings ohne Wertung. Acryl hat wiederum andere Vorteile. Es kann extrem tief gezogen werden, im wahrsten Sinne des Wortes. Stahl ist einfach begrenzt; die Tiefe liegt bei etwa 40, 45 Zentimetern, da ansonsten die Stahlplatten, aus denen die Badewanne gezogen wird, viel zu schwer werden und irgendwann geschweißt werden müssen. Beim Acryl kann man auch auf 60 oder 70 Zentimeter Tiefe gehen, das bedeutet, eine Badewanne herstellen zu können, die wesentlich höher ist und dadurch auf kleinem Raum viel mehr Komfort bietet.
 
Wie sieht es mit anderen Werkstoffen aus? Mit Mineralguss wie Corian beispielsweise?
 
Das ist das dritte Material, und damit sind wir alle Materialien durch. Mineralguss hat natürlich den Riesenvorteil, dass man noch extremer in die Innenraumgestaltung gehen kann. Wir brauchen nur noch ganz dünne Wände, weil wir ein extrem festes Gussmaterial haben, das wir so tief ziehen können wie wir wollen. Ich würde fast sagen, Mineralguss ist das Material der Zukunft, da es extrem formbar ist und ihm alle Gestaltungsmöglichkeiten offen stehen.
 
Sie sind nicht nur im Baddesign aktiv, sondern arbeiten in vielen Gestaltungsbereichen – von Multifunktionsduschen und Badewannen über eine Milchzapfbar bis hin zu Farbrollenhalter. Gibt es einen gemeinsamen Nenner?
 
Das ist die Emotionalität, den Job zu lieben und mit Herz an ihn heran zu gehen. Wenn es menschlich nicht passt, dann sollte man lieber das Projekt abgeben und die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen beenden. Nur durch eine gute Teamarbeit entstehen gute Produkte, alles andere krankt.
 
Sie haben einmal gesagt, Produkte seien nur noch wertvoll, wenn sie eine Botschaft vermitteln und Gefühle erzeugen. Könnten Sie das bitte genauer erklären?
 
Das Gute kommt aus dem Inneren. Das muss man erspüren und so verstehen, ob es gut ist und rausgeschickt werden kann – oder ob etwas nicht stimmt. Das ist also diese Emotion, diese Botschaft, die wir den Produkten mit auf den Weg geben wollen, ohne Worte. Wir stehen ja nicht neben ihnen und verkaufen sie später. Wenn jemand eine Bohrmaschine kaufen will, dann muss diese ihm auch ganz klar sagen können, dass sie eine gute technische Kompetenz hat, sehr stark ist, aber auch verdammt schön in der Hand liegt.
 
Haben Sie eine typische Vorgehensweise, die Ihren Entwurfsprozess bestimmt?
 
Das ist im Kopf drin, sofort. Dann muss es ausgesprochen werden und dann wird es bearbeitet, das muss aber nicht am Schreibtisch sein. Ich trage die Idee meist im Kopf mit mir herum. Und dann kommt sie irgendwann aufs Papier. Ich sammle alle Eindrücke, ob ich ins KaDeWe oder mit dem Hund am See spazieren gehe oder gerade im Flieger sitze oder sonst was – da kommt alles zusammen. Das funktioniert wie in einer Waschmaschine – und wir sind dabei pfeilschnell. Allein im letzten Jahr haben wir über 200 Produkte entwickelt.
 
Woran arbeiten Sie zurzeit?
 
Wir haben angefangen, mit zwei wirklich tollen Unternehmen zusammen zu arbeiten. Das ist einerseits der Armaturenhersteller Steinberg und andererseits der Sanitärhersteller Treos, für den wir alles übernommen haben. Das sind für mich Herausforderungen: für kleine aufstrebende Unternehmen zu arbeiten. Denn darin liegt der Reiz – und weniger in den schon eingefahrenen Firmen. Eine gute Zusammenarbeit sollte so verlaufen wie in der Bundesliga, und es wäre toll, wenn sich die Unternehmen davon eine Scheibe abschneiden würden: Wenn es einen guten Spieler gibt, der eingekauft wurde und extrem erfolgreich ist, ist alles wunderbar. Und wenn dieser irgendwann für jemand anderen spielen möchte, dann ist das eine Frage des Geldes und des Anstands. Es kommt darauf an, wie man sich trennt. Auf jeden Fall muss man sich immer am Ende freundlich die Hand geben. Leider passiert das in der Sanitärbranche nicht oft; sie neigt dazu, ein Haifischbecken zu sein. Mit den neuen Herausforderung ist das so als wenn man Trainer bei meinem Lieblingsverein Borussia Mönchengladbach wird. Da kann man einfach nur gewinnen (lacht).
 
Vielen Dank für das Gespräch.
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Schmiddem Design

www.schmiddem-design.de

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