Kai Byok hat sich als Designer von Lichtlösungen einen Namen gemacht. In seiner Firma Byok entstehen individuelle Leuchten mit System – vom größten bis zum kleinsten Maßstab. Ein Interview über kaltes Licht in warmen Ländern, Rhesusäffchen in der Lichtplanung, Flächen, Punkte und darüber, an welchem Altar über Qualität entschieden wird.
Sie haben in Mailand an der renommierten Scuola Politecnica di Design Formgebung und Konstruktion studiert. Inwiefern hat Sie diese Erfahrung geprägt? Ganz extrem. Ich habe mich nach meiner Tischlerlehre in Deutschland nach Designschulen umgeschaut und für mich nicht den richtigen Zugang gefunden. In Mailand fand ich hingegen ziemlich schnell die passende Schule. Der Aufenthalt hat mich sehr geprägt, was die Herangehensweise der Italiener an Produktdesign angeht, aber auch, wie designaffin zum Teil die Architektur strukturiert ist, da viele Architekten auch im Designbereich arbeiten. Und natürlich ist auch die italienische Lebensart eine ganz großartige Variante zur deutschen – gerade für mich als Hanseaten.
Sie hatten allerdings nicht vor, in Mailand zu bleiben? Logischerweise habe ich mir die Frage gestellt. Doch ich wollte mich selbstständig machen. Ich wollte auf eigene Rechnung und mit dem Gefühl, das ich inzwischen entwickelt hatte, selbst entscheiden, was formal mein Büro verlässt. Dafür war mir Italien dann doch von der administrativen Seite zu unzuverlässig.
Licht ist als immaterieller Teil der Architektur ein unglaublich komplexer Werkstoff. Woher kam Ihre Motivation, sich so konsequent auf diesen Bereich zu spezialisieren? Bei Leuchten hat man einfach den großen Vorteil, dass man relativ frei ist in der Formfindung. Das heißt, der Körper einer Leuchte kann auf unterschiedlichste Art ausgebildet und interpretiert werden, solange die Lichtfunktion – und das ist unser Bestreben – eindeutig vorher definiert wurde. In den ersten Jahren war es so, dass ich alle Leuchten entwarf und montierte, während sich meine Frau um die Geschäftsführung kümmerte und die Produkte verpackte und für die Spedition vorbereitete. Ich fuhr sie dann jeweils abends mit meinem Pritschenwagen zur Post.
Sie sind Leuchtendesigner und Lichtplaner. Welcher Teil Ihrer Arbeit gefällt Ihnen besonders? Angefangen habe ich als Leuchtendesigner und bin im Laufe der Jahre einfach zum Lichtplaner geworden. Um als Lichtplaner zu arbeiten, braucht man sehr viel Erfahrung. Wenn man einen Raum betritt, muss man genau verstehen, wie er beleuchtet ist oder sein sollte. In neunzig Prozent der Fälle hat es nämlich mit dem Licht zu tun, wenn der Raum nicht so wirkt wie er könnte. Die Lichtplanung ist deshalb eigentlich meine zweite große Liebe.
Was ist der Schlüssel zu Ihrem Erfolg? Da wir selbst die Produktion im Auge haben, kann ich in allen Besprechungen sehr schnell sagen, was Lichtlösungen kosten und wie die Lieferzeiten sein werden. Wir bekommen unsere Projekte immer häufiger an den Ausschreibungen vorbei, weil wir so speziell auf die Wünsche und die Budgetanforderungen der Architekten, Bauherren und Kunden eingehen können. Dazu bieten wir ein zeitloses Design und eine sehr langlebige Technik. Es gibt Kunden, die uns Leuchten nach zehn oder zwölf Jahren mit der Bitte um Aufarbeitung schicken. Das heißt, sie finden das Produkt so dauerhaft schön, dass sie es gerne weitere zehn Jahre bei sich haben möchten. Ein großartiges Kompliment!
Wie haben sich das Berufsfeld und die Arbeitsbedingungen für Sie in den letzten zwanzig Jahren verändert? In unserem Bereich hat ein tiefgreifender Technologiewechsel stattgefunden: Wir sind vom Glühbirnen- ins LED-Zeitalter gewechselt. Da ist viel Elektronik dazugekommen, die man kontrollieren können muss. Wir haben im Jahr 2010 alles auf LED umgestellt und haben seitdem gerade im Living-Light-Bereich keine einzige Leuchte ohne LED mehr.
Und wie sehen Sie die weitere Entwicklung? Denken Sie, dass OLED irgendwann die LED ersetzen wird? Das ist zwar ein bisschen Kaffeesatzleserei, aber die OLED sehe ich überhaupt nicht. Ich höre den Begriff schon zu lange, ohne eine Entwicklung zu sehen. Momentan ist die OLED eher ein Flächenleuchtmittel – was durchaus spannend ist – aber wir sind große Verfechter von der Kombination aus Flächen- und Punktlicht. Wenn ich alles mit Flächen beleuchte, bekomme ich einen total suppigen, flachen Raumeindruck. Das kann bei Lichtdecken auch zum Problem werden.
Ist das nicht ein subjektives Empfinden, das je nach kulturellem Kontext ganz unterschiedlich ausfallen kann? In karibischen Ländern wird beispielsweise ein Neonröhren-Deckenlicht als völlig normal empfunden. Bei den grell ausgeleuchteten Räumen geht es weniger um die Helligkeit als um die Lichtfarbe. Wenn Sie im Süden Chinas eine Wohnung betreten, dann haben Sie dort 6.500 Kelvin eiskaltes, blaues Licht. Das hat schlichtweg damit zu tun, dass die Menschen dort ihren Tag auch mit 35 Grad und 92 Prozent Luftfeuchtigkeit verbringen müssen. Ich kann sogar in Deutschland schon zwischen dem nördlichen Objektbereich mit schwerpunktmäßig wärmeren 3.000 Kelvin und dem südlichen Bereich, wo wir in den Objekten fast ausschließlich mit 4.000 Kelvin arbeiten, unterscheiden.
Sie betreuen viele Kunden in unterschiedlichsten Regionen in Deutschland – gibt es einen typisch deutschen Umgang mit Licht? Ich weiß nicht, ob man das auf Länder beziehen kann. Allgemein wird in Deutschland ein hoher Wert auf Langlebigkeit gelegt, vor allem, was das Bauen angeht. Das ist ein großer Unterschied zu den Projekten, die ich international betreut habe. Da wird viel schneller vor dem Altar der Kosten die gute Lichtlösung für die budgetschonendere Idioten-Lichtlösung geopfert.
An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit? Und wo setzen Sie den Schwerpunkt? Neben unseren deutschen Projekten, betreuen wir derzeit Aufträge in den Niederlanden, in Österreich, in Kapstadt und Abu Dhabi. Zudem haben wir mit Dim2warm eine Gestensteuerung für unsere Pendelleuchten entwickelt, bei der sich gleichzeitig die Lichtstärke und die Lichtfarbe verändern – auf möglichst archaische Weise, ganz ohne zusätzliche Schalter. Gleichzeitig arbeiten wir konstant an Speziallichtlösungen. Für die Bundesbank entwickeln wir zum Beispiel ein Speziallichtprofil, das mit einem Lüftungsprofil zusammen funktioniert. Wir arbeiten äußerst gerne gewerkeübergreifend und suchen immer nach Lösungen, die Effektivität und Raumqualität gleichermaßen steigern. Inzwischen muss ich sagen: Je enger und stringenter die Rahmenbedingungen sind, umso spannender finde ich den Auftrag. Mit voller Freiheit alles machen – das kann auch ein dressierter Rhesusaffe.

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