Magnus Wästberg
Ein Gespräch über Familienunternehmen, vorsichtige Ingenieure und Luxusprobleme, die einem über den Kopf wachsen.
Erscheinung britisch, Wesen skandinavisch: Magnus Wästberg trägt Tweed-Dreiteiler, schwere Budapester und bewahrt Haltung im tiefen Ledersessel. Im Gespräch ist der Schwede allerdings auf eine Art und Weise offen, freundlich und entspannt, wie es wohl nur Skandinaviern gelingt. Seit 2008 führt er die Leuchtenmarke Wästberg, die für designorientierte Produkte von Gestaltern wie David Chipperfield, Claesson Koivisto Rune, Ilse Crawford oder neuerdings Nendo steht. Eine Vertriebskooperation mit Belux soll nun die Präsenz der Marke im deutschen und Schweizer Markt verstärken. Ein Gespräch über die Vorteile eines Familienunternehmens, vorsichtige Ingenieure und Luxusprobleme, die einem über den Kopf wachsen.
Herr Wästberg, Sie sind buchstäblich in der Lichtbranche aufgewachsen. Erzählen Sie etwas über Ihren Hintergrund?
Mein Vater hat in der Lichtbranche gearbeitet. Und so gab es in unserer Familie bestimmte Rituale. Zum Beispiel besuchten wir jedes Jahr auf dem Weg nach Spanien in den Sommerurlaub Leuchtenhersteller und Designer. Das hat mir immer großen Spaß gemacht. Trotzdem wollte ich nicht ins Familienunternehmen. Nach dem Studium habe ich als Management Consultant gearbeitet – allerdings wurde mir bald klar, dass ich auch das eigentlich gar nicht will. Wirklich interessierten mich Dinge wie Architektur oder Produktentwicklung. Also beendete ich meine Karriere als Consultant und stieg doch bei meinem Vater ein. Ich kam schnell zu der Einsicht, dass die Leuchtenindustrie sehr konservativ und auch sehr gespalten war.
Wieso gespalten?
Gespalten in dem Sinne, dass sich die Hersteller entweder auf technische oder auf ästhetische Aspekte konzentrieren. Wenn die Produktentwicklung wie häufig bei nordeuropäischen Unternehmen in der Verantwortung der Ingenieure liegt, dann werden ästhetische und emotionale Qualitäten nicht so wichtig genommen. In Südeuropa dagegen – und hier verallgemeinere ich ein wenig – verantwortet ein leidenschaftlicher Inhaber oder Art Director die Entwicklung. Das führt zu schönen Produkten, doch mechanische Elemente und Lichttechnik haben eine niedrigere Priorität. Mit meinem eigenen Unternehmen will ich das technische Erbe meines Vaters und ästhetische und emotionale Qualitäten verbinden.
Gibt es denn immer noch eine Verbindung mit dem Familienunternehmen?
Ja, denn mittlerweile arbeitet mein Vater für mich. Und nicht nur er – auch meine Mutter und meine Frau.
Ist das ein gutes Gefühl, alle in der Firma um sich zu haben?
Ja, auf jeden Fall! Denn ich habe sehr hohe Ansprüche, und auf die Familie kann man immer vertrauen. Ich weiß, dass sie stets mit vollem Einsatz arbeiten. Meine Familie um mich zu haben, war einer der wichtigsten Aspekte bei dem Wagnis der Firmengründung.
Gibt es Konflikte, etwa, weil der Sohn gegen den Vater aufbegehren muss?
Selbstverständlich, ab und zu kommt das vor [lacht]. Mein Vater ist aber sehr zufrieden. Nachdem er lange im technischen Bereich tätig war, macht ihm die Arbeit mit neuen Themen großen Spaß.
Wie haben Sie das gemacht, einfach so ein neues Unternehmen wie aus dem Nichts gründen?
Eigentlich weiß ich das gar nicht [lacht]. Ich hatte immer den Ehrgeiz, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Als ich bei meinem Vater einstieg, tat ich es in der Absicht, das Business kennenzulernen. Und ich hatte klare Vorstellungen, was ich anders machen wollte.
Was zum Beispiel?
Noch vor wenigen Jahren war die Beleuchtung im Bürobereich sehr an der Decke orientiert. Das Licht war gleichmäßig, und seine Stärke bezog sich auf die Orte, die am hellsten sein mussten. Deswegen wurde die Lichtstärke des Arbeitsplatzes auf alle Flächen übertragen, obwohl der eigentliche Arbeitsbereich im Büro nur einen relativ kleinen Teil ausmacht. Die meisten Bereiche waren überbeleuchtet. Ich finde, das ist Quatsch, egal, ob es nun um Sparsamkeit, Ergonomie oder Wohlbefinden geht. Ich hatte mir deshalb zum Ziel gesetzt, Produkte zu entwickeln, die auf einfache Weise zu einem anderen Umgang mit Licht ermutigen.
Wie sieht das konkret aus?
Statt auf Allgemeinlicht zu setzen, wollte ich Produkte entwickeln, die mit gerichtetem Licht arbeiten. Die beste Form dafür ist eine Arbeitsleuchte. Allerdings eine, die nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch darüber hinaus eingesetzt werden kann. Auf dem Esstisch, im Fenster oder am Sofa. Man soll das Licht da hinlenken, wo man es braucht, und die ganze Leuchte bewegen können. Diese Idee war der Ausgangspunkt der Firmengründung.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Gestaltern aus?
Was uns von vielen anderen Lichtherstellern unterscheidet: Wenn wir mit einem Projekt anfangen, dann geben wir dem Designer nicht bestimmte technische Lösungen vor. Wir nehmen auch keine fertigen Prduktentwürfe an. Die meisten Produkte beginnen mit einer Idee von uns selbst.
Und dann gibt es einen Brief?
Da ist eine Idee. Das Wort Brief mag ich nicht, denn normalerweise ist ein Brief sehr standardisiert. Besonders schlimm finde ich den Teil eines Briefs, in dem die Produkte auf dem Markt genannt sind, an denen sich das neue orientieren soll. Es soll so sein wie die Leuchte ab von Unternehmen xy. Wir gehen von einer Idee aus, etwa von einer bestimmten Lichtlösung, einem Material, einer Funktion. Davon ausgehend suchen wir uns einen Designer oder einen Architekten, der dazu passt.
Sie wollen die Zweiteilung der Leuchtenwelt überwinden. Wie gehen Sie in der Produktentwicklung damit um?
Es ist definitiv intensiver und zeitaufwändiger. Bei uns kommen die Ingenieure beispielsweise erst relativ spät dazu. Der Entwicklungsprozess spielt sich ziemlich lange lediglich zwischen dem Designer oder Architekten und mir ab, manchmal auch meinem Vater. Wir fragen uns: Wie lebt man mit Licht? Wie interagiert man mit einem Produkt? Und wenn wir ein sinnvolles Konzept haben, vielleicht auch noch ohne konkrete Gestaltung, frühestens dann holen wir die Ingenieure. So zwingen wir sie, jenseits der üblichen Muster zu denken, selbst kreativ zu sein. Schauen Sie sich Arbeitsleuchten an: Sie sehen alle gleich aus! Weil die Ingenieure nur das machen wollen, was sie schon kennen.
Vermutlich gibt es auch viele standardisierte technische Komponenten?
Auf jeden Fall. Und die Ingenieure verlassen sich gerne auf das, was schon funktioniert. Das Risiko daran ist, dass man immer wieder die gleichen Sachen macht. Eigentlich alle unsere Produkte haben eine oder sogar mehrere neuartige technische Lösungen. Sei es die Kombination zweier Materialien, die schwierig zu kombinieren sind, eine avancierte Spritzguss-Technologie oder eine neue Art, Licht zu verteilen. Weil wir die Ingenieure herausfordern, Lösungen zu entwickeln, die die Idee des Produkts umsetzen. Meistens ist es umgekehrt. Man hat eine technische Lösung und baut das Produkt darum herum.
Auf der technischen Seite des Lichts hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Wie wichtig ist das für Wästberg?
Sehr wichtig! Als ich die Marke 2008 launchte, war LED gerade so weit, dass man sie tatsächlich sinnvoll in Serienprodukten einsetzen konnte. In unserer ersten Kollektion waren bis auf eine alle Leuchten auf LED-Basis. Damit waren wir sehr früh dran. Dank dem Netzwerk meines Vaters haben wir als junges Unternehmen dieselben technologischen Ressourcen wie etablierte Leuchtenhersteller. Weil wir aber nicht mit eingefahrenen Strukturen zu kämpfen haben, sind wir schnell und häufig auch innovativer als andere. Und das verdanken wir LED. Früher hatten alle dieselbe Technologie zur Verfügung, dieselben Komponenten, dieselben Lichtquellen: Darum herum hat man etwas gebaut. Heute braucht man viel mehr technisches Know-how. Das macht es einerseits interessanter, aber auch schwieriger und aufwändiger.
Vor fünf Jahren waren LED-Leuchten noch eine Randerscheinung. Mittlerweile dominieren sie den Markt.
Das ist fast ein bisschen erschreckend. Allerdings betrifft das vor allem den Contract-Markt. Im Endkundenbereich herrscht größere Skepsis, und LED verbreitet sich viel langsamer. Die Menschen sind vorsichtig, weil sie das Leuchtmittel nicht wechseln können und nicht wissen, was passiert, wenn die Leuchte mal kaputtgeht. Das ist ja auch verständlich.
Als junges Unternehmen haben Sie am Anfang sicher auch einige Fehler gemacht. Was war der größte?
[lacht] Der größte Fehler war zwar ein Luxusproblem, aber er hat uns damals viele Schwierigkeiten gemacht. Beim Launch von Wästberg habe ich die Wirkung der Presse und insbesondere von digitalen Medien total unterschätzt. Für mich waren Blogs damals etwas Neues. Wir präsentierten uns das erste Mal mit vier Prototypen auf der Stockholmer Möbelmesse im Februar. Im Herbst wollten wir dann bereit für die Auslieferung der ersten Produkte sein. Ich ging davon aus, dass es Zeit brauchen würde, bis wir bekannter würden und Anfragen kämen. Doch plötzlich war diese neue schwedische Leuchtenmarke überall. Ich habe 15 Stunden am Tag damit verbracht, Emails und Anrufe aus der ganzen Welt zu beantworten. Um zu erklären, dass wir neu sind und erst im Oktober ausliefern würden. Letztlich hat es mehrere Jahre gedauert, uns diesem Tempo anzupassen. Wenn etwas auf einem Foto ist, dann ist es real. Aber so war es eben nicht. Und ich wollte alle Anfragen beantworten und die Aufmerksamkeit ernst nehmen. Es war ja toll, dass den Leuten unsere Produkte gefielen.
Vielen Dank für das Gespräch.