Nani Marquina
Ein Besuch und ein Gespräch im Atelier der katalanischen Teppichdesignerin. Plus: Nanis Barcelona-Tipps!

Nani Marquina liebt Teppiche, seit sie denken kann. Und sie ist eine echte Pionierin in diesem Business. Seit dreißig Jahren schon verkauft sie unter ihrem Label Nanimarquina Designteppiche, die in Indien und Pakistan handgefertigt werden. Neben ihren eigenen Entwürfen gibt es auch Kollektionen von externen Designern wie Erwan und Ronan Bouroullec, Javier Mariscal oder Martì Guixé. Wir haben die Designerin in ihrem Atelier in Barcelona besucht und mit ihr über Familienbande, Experimentierfreude und Wettbewerbsdruck gesprochen. Plus: Nanis Barcelona-Tipps!
Als Nani Marquina 1987 ihr Teppichlabel Nanimarquina gründete, war sie allen anderen voraus, denn handgefertigte Designteppiche gab es bis dato nicht. Sie hatte eine Marktlücke entdeckt, in die sich kurzerhand hinein sprang. Das Designbusiness indes war der quirligen Katalanin vertraut: Sie studierte Design in Barcelona und arbeitete im Studio ihres Vaters, dem bekannten Designer Rafael Marquina.
Familiensache
Es bleibt in der Familie – das ist das sympathische Motto der 63-Jährigen. Während Nani Marquina als Art Director die gestalterische Richtung des Unternehmens bestimmt, stellt ihre 38-jährige Tochter Maria die geschäftlichen Weichen. Nanis Schwester Carlotta indes sorgt für das Corporate Design und ihr zweiter Ehemann Albert Font für gute Fotos. Begonnen hat alles mit einem Ein-Frau-Unternehmen, wobei die alleinerziehende Mutter etliche geschäftliche Durststrecken zu überwinden hatte. Denn: Über die letzten dreißig Jahre hat sich das Teppichbusiness stark verändert. Heute beispielsweise strömen immer mehr Produzenten von handgefertigten Designteppichen auf den Markt, und auch klassische Möbelhersteller wittern das große Geschäft. Immer am Ball und dabei trotzdem auf dem Teppich bleiben – das ist Nani Marquinas Devise. Und: Wird die Konkurrenz größer, ist eine klare Positionierung umso wichtiger. Während der Wirtschaftskrise 2009 verlor das Unternehmen zwar einen Großteil seiner spanischen Kunden, erschloss sich aber neue Märkte. Im Moment ganz oben auf der Agenda: der deutsche Markt, in dem Nani Marquina viel Potential sieht.
Kreatives Epizentrum
Nani Marquinas Atelier liegt in einer ruhigen, mit Palmen gesäumten Seitenstraße im Stadtteil Gracía. Mit einem alten Lastenfahrstuhl geht es hinauf in die umgebaute Fabriketage mit Blick auf den sonnenbeschienenen Innenhof. Hier ist es licht und hell und alles ganz in Weiß gehalten. Einige Farbtupfer gibt es auch: gewebte, getuftete und geknüpfte Teppich-Prototypen, übereinander gestapelte Berberteppiche aus Marokko, überbordende Buchregale, Pinnwände und Mood Boards, handgefertigte Souvenirs aus aller Herren Länder. Nani Marquina liebt es unterwegs zu sein, geht gern auf Entdeckungsreisen und lässt sich von Formen, Farben und Materialien inspirieren.
Ich habe die Firma 1987 mit meinem Partner gegründet. Er ist dann aber ziemlich schnell ausgestiegen, und ich habe allein weitergemacht. Design, Buchhaltung, Vertrieb – ich habe mich um alles selbst gekümmert und quasi bei null angefangen.
Und davon konnten Sie leben?
Es war ziemlich schwierig, und ich hatte nur sehr wenig Geld (lacht). Aber in meinem Kopf hatte sich eine Idee festgesetzt: Ich möchte Teppiche herstellen. In Spanien gab es in den achtziger Jahren eine Art Designexplosion – also kam ich genau zur richtigen Zeit. Außerdem hatte ich den Vorteil, dass bei uns zuhause Design immer eine wichtige Rolle spielte und ich sehr viele Leute aus der Szene kannte. Ich habe nach einer Nische gesucht, denn damals wurden orientalische Teppiche einfach nur kopiert und rein mechanisch hergestellt. Es gab auch kaum spanische Designhersteller und -läden, und die meisten Leute waren sehr klassisch eingerichtet. Heute wäre es wohl nicht mehr möglich, solch ein Unternehmen aus dem Nichts auf die Beine zu stellen.
Hatten Sie nie Angst, es nicht zu schaffen?
Doch. Bis 1993 habe ich meine Teppiche ausschließlich an mechanischen Webstühlen in Katalonien fertigen lassen. Das hat mich aber gestalterisch sehr eingeschränkt, insbesondere was mögliche Farben und Muster betraf. Deshalb war ich ziemlich unzufrieden. Außerdem hatte ich einen Großauftrag vom Hotel Arts in Barcelona bekommen, den ich technisch in Spanien aber nicht hätte umsetzen können. Es ging damals um alles oder nichts. Deshalb habe ich beschlossen, die gesamte Produktion auf eine ausschließlich handgefertigte Produktion in Indien und Pakistan umzustellen. Das war zwar ein ziemlich hohes Risiko, aber andernfalls hätte ich meine Firma schließen müssen. Das Schöne ist, dass in Indien gestalterisch fast alles umsetzbar ist, während man in Spanien oft ausgebremst wird.
Die Teppiche kommen direkt aus Indien in unser Lager nach Barcelona. Dort wird jeder einzelne Teppich auf Qualität geprüft und eventuell aussortiert. So wird beispielsweise die Farbe genau kontrolliert und auch das Design mit der Originalzeichnung verglichen. Unsere Mitarbeiter sind sehr streng (lacht).
Sie haben sehr früh angefangen, mit externen Designern und Künstlern zusammenzuarbeiten.
Ja, das stimmt. Der erste Designer, mit dem ich zusammengearbeitet habe, war Javier Mariscal, der auch das Maskottchen für die Olympischen Spiele 1992 entworfen hat. Es fing alles mit meinen Designfreunden aus Barcelona an, die damals aber noch nicht bekannt waren.
Ich kann mir vorstellen, dass es interessant ist, mit Designern zu kooperieren, die noch überhaupt keine Erfahrung im Teppichdesign haben. So kann Neues und Überraschendes entstehen, oder?
Ja, das stimmt. Zuerst arbeitete ich hauptsächlich mit Grafikdesignern zusammen, weil ich nach sehr grafischen Mustern Ausschau gehalten habe. Erst nach einer Weile ist mir bewusst geworden, dass ich nach etwas anderem suchte: nach Experimenten. Deshalb habe ich später auch Industriedesigner kontaktiert.
Losanges von Erwan und Ronan Bouroullec ist die Teppichkollektion von Nanimarquina, die sich am besten verkauft. Wie wichtig sind bekannte Designernamen für das Geschäft?
Sehr wichtig. Mit einem bekannten Designernamen kann man einen Teppich viel besser verkaufen, denn man bekommt mehr Aufmerksamkeit. Es öffnet einfach Türen. Natürlich nur, wenn der Entwurf gut ist und auch die Umsetzung. Außerdem freut es mich, wenn so gute Designer wie die Bouroullecs mit mir zusammenarbeiten wollen. Das bedeutet nämlich, dass wir auch ganz gut sein müssen (lacht).
Früher nicht, doch heute schon, weil es viel mehr Wettbewerb gibt (seufzt und lacht). Vor fünf oder zehn Jahren konnte ich noch machen, was ich wollte, weil es nur sehr wenige Designteppichproduzenten gab. Heute bieten auch Möbelfirmen Teppiche an, und ich muss viel mehr über Marketing, Konzepte und Preise nachdenken. Das Design steht bei uns aber immer im Fokus.
Gibt es Trends im Teppichdesign?
Alles Natürliche ist gerade sehr gefragt, wozu auch eine natürliche Farbpalette gehört.
Maria Piera Marquina ist seit einem Jahr CEO des Unternehmens. Wie ist es denn so, wenn Mutter und Tochter zusammenarbeiten?
Oh, das ist ziemlich schwierig, denn ich bin Designerin, und Maria ist Marketingspezialistin (lacht). Aber für mich ist es sehr wichtig, dass die Firma, die ich gegründet habe und die wie ein Baby für mich ist, in Familienhand bleibt. Es findet gerade ein Übergangsprozess statt, was heißt, dass wir viel über Konzepte und Strategien diskutieren und manchmal auch streiten.
Ihr Zuhause stelle ich mir als wahres Teppichparadies vor.
Ja, ich liebe es, von Teppichen umgeben zu sein – in Barcelona und auch in meinem Ferienhaus auf Ibiza. Das können Berber aus Marokko sein, gewebte Teppiche aus den Anden oder auch meine eigenen Teppiche (lacht).
Was beschäftigt Sie?
Eine Teppichkollektion, die in Zusammenarbeit mit der englischen Designerin Ilse Crawford entsteht – das wird sehr spannend. Es ist übrigens gar nicht so einfach, einen Teppich zu entwerfen. Mehr verrate ich aber noch nicht (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch!
Barcelona-Tipps von Nani Marquina:
Essen & Trinken
Praktik Bakery · Carrer de Provença, 279
Kleines gemütliches Hotel mit angeschlossener Bäckerei. Hier gibt es knusprige Brote, typische Ensaimada, köstlich belegte Obstkuchen. Lockere Atmosphäre, kleine Terrasse.
Tragaluz · Ptge. De la Concepció, 5
Man sitzt unter einem Glasdach, das bei schönem Wetter geöffnet werden kann, überall liegen Teppiche von Nanimarquina. Traditionelle spanische Küche mit modernem Einschlag.
Mordisco · Ptge. De la Concepció, 10
Gleich gegenüber vom Tragaluz. Legere Atmosphäre mit Designmöbeln, unkompliziertes Essen, auch zum Mitnehmen.
El Nacional · Paseo de Gracia 24
In einer kleinen Passage gelegen, probiert man hier lauter Köstlichkeiten aus Spanien.
Shopping
Jaime Beriestain · C/ Pau Claris, 167
Gleich um die Ecke des Hotels Praktik Bakery. Concept Store mit mediterran angehauchten Möbeln, Accessoires und Kosmetikartikeln, teils von Jaime Beriestain entworfen. Bar im hinteren Teil des Geschäfts.
Magnolia Antic · Carrer de Provença, 279
Mode, Accessoires und antike Stücke – sehr atmosphärisch!
Carrer Sèneca
Kleine Straße, die parallel zur Avineuda Diagonal verläuft. Hier gibt es zahlreiche Antiquitäten- und Designshops.
Kultur
Museu del Disseny de Barcelona - Edificio Disseny Hub Barcelona · Pl. de les Glòries Catalanes, 37-38
Über 70.000 Designobjekte umfasst die Sammlung des Designmuseums. Der Stadtteil ist im Aufbruch, es wird viel gebaut. Gleich nebenan steht Jean Nouvels Hochhaus Torre Agbar. Im hippen Café des Museums gibt es übrigens eine geschwungene, extrem lange Sitzbank, die aus Teppichen von Nanimarquina hergestellt wurde.
Mehr Menschen
Sinn für Leichtigkeit
Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Experimentierfreudiges Duo
Im Designlabor von Niruk

Perfekt im Griff
Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Eine widerständige Frau
Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Der stille Star
Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Das Beste aus zwei Welten
Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Klasse statt Masse
Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

„Der Prozess wird zum Echo“
Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

„Bugholz ist eine Diva“
Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Material matters
Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Der Geschichtenerzähler
Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Wie es Euch gefällt
FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

„Ich liebe es, mit Licht zu arbeiten“
Designer Michael Anastassiades im Gespräch

Vom Pinselstrich zur Farbwelt
Kreativdirektorin Carolin Sangha über die Color Codes bei Schönbuch

Mehr Raum für Kreativität
Visualisierungsexpertin Andrea Nienaber über die Vorteile der 3D-Planung

Architekturen für den Wohnraum
more-Gründer Bernhard Müller im Jubiläumsinterview

Vier gewinnt
Ein Studiobesuch bei Fyra in Helsinki

Vielschichtige Gestalterin
Ein Gespräch mit der französischen Designerin Martine Bedin

Schatzsuche im Bestand
Die Gründerinnen des Architekturunternehmens Nidus im Gespräch

„Alles entspringt aus dem Ort“
Studio Wok aus Mailand im Interview

„Schwarz-Weiß ist zu einfach“
Christoph Brach von Raw Color im Gespräch

Ukrainische Perspektiven #3
Interview mit Interiordesigner Oleksandr Maruzhenko von Men Bureau

Humorvolle Erinnerung
Ein Gespräch mit dem jungen Designer Josua Roters

Es gibt keine Regeln
Interview mit dem Berliner Architekten Sam Chermayeff

Der Fliesenmacher
Wie Edgard Chaya in Beirut eine Zementfliesenfabrik aufbaute

„Wir müssen Verantwortung übernehmen“
Lars Engelke, COO von Object Carpet, über Wertstoffkreisläufe bei Bodenbelägen

Langlebig, aber nicht langweilig
Das Designstudio Big-Game im Gespräch

Exotik im Alltag
Nachruf auf den brasilianischen Designer Fernando Campana (1961-2022)

Gestalterische Vielseitigkeit
Studiobesuch bei Mark Braun in Berlin

Aus Liebe zum Holz
Benno Thaler von Zitturi über Massivholz in der Architektur
