Oliver Vogt - Designmai 2007
Vom 12. bis 20. Mai präsentiert sich der Designmai Berlin wieder als Plattform für die junge Kreativszene der Hauptstadt und Austragungsstätte für den Austausch aktueller Gestaltungstendenzen. Unter dem Motto „Digitalability“ werden fast 90 Events an verschiedenen Plätzen in der Stadt zu sehen sein. Was wir in diesem Jahr vom Designmai erwarten können, welche Chancen er für Berlin beinhaltet und welche Rolle er auch auf der internationalen Bühne spielen könnte, darüber sprachen wir mit Oliver Vogt, selbst Designer mit Sitz in Berlin und zurzeit Vorsitzender des Vereins Transform-Berlin e.V., der den Designmai auch in diesem Jahr wieder veranstaltet.
Herr Vogt, der Designmai geht jetzt ins fünfte Jahr. Das hatte damals, in den Anfängen, wohl kaum einer erwartet.
In den vergangenen Jahren wurden in Berlin eine Menge Designevents, von Modemessen über Festivals bis hin zu kleinen Verkaufsshows veranstaltet, die jedoch nie eine derartige Strahlkraft erzielt haben, um sich im internationalen Kontext behaupten zu können. Vor sechs Jahren hatten die Mitglieder des später gegründeten Vereins die Idee, ein Festival ins Leben zu rufen, um Teil des internationalen Karussells zu werden. Dazu gehören New York, Mailand, gefolgt von Turin, Kortrijk, St. Etienne oder der Tokyo - Designweek im Oktober. Der Designmai ist ein Zeitpunkt in dieser Perlenkette von Events geworden und hat es geschafft, sich als Treffpunkt für Gestalter und Gestaltung zu etablieren. Ein Jour Fixe für alle, die Lust haben, zu einer guten Jahreszeit nach Berlin zu kommen. Der Mai ist in Berlin wunderbar. (lacht)
Und kann den Vergleich mit anderen Events standhalten?
Dem nationalen auf jeden Fall, wenn man Berlin mit Köln, Hamburg und München vergleicht. Der Designmai ist als Festival ohne Messe eine ganz eigene Marke und hat auch einen anderen Ansatz. In Köln beispielsweise geht es vorrangig um Möbel und Einrichtung. Ich bin mir beim Kölner Rahmenprogramm allerdings unsicher über die Qualität, die in der Stadt gezeigt wird.
Und international?
Nehmen Sie die Mailänder Möbelmesse. Die Zahl der Events in der Stadt ist immens. Mit einem Rahmenprogramm von 360 Veranstaltungen kann der Designmai quantitativ nicht konkurrieren, aber qualitativ durchaus. Fast 50 Prozent der Events sind Shops, die sich beispielsweise einen Sessel von Karim Rashid ins Schaufenster gestellt haben. Und das war es. Da muss man besser unterscheiden. Entweder es ist ein Shop, eine Ausstellung oder ein anderes Event.
Es gibt da aber auch ziemlich gute Gegenden.
Natürlich! Die Zona Tortona mit all den Showrooms ist die beste Gegend in Mailand. Die Ausstellung von Marcel Wanders beispielsweise war unglaublich gut. Fantastisch. Mein Kompliment für die Inszenierung. Es stimmte einfach alles, die Performance, die Atmosphäre, das Klima, das Licht, die Teppiche, die Produkte. (lächelt) Ich wünsche mir das auch für Berlin. Dass die Leute einen Blick dafür bekommen, was wirklich gut ist.
Ist die deutsche Designszene zu intellektuell für einen Marcel Wanders?
Selbstverständlich gibt es Theoriedebatten und Symposien zum Designmai. Damit wollen wir auch eine internationale Debatte anschieben. Aber natürlich muss und soll es nicht immer Theorie sein, Design muss auch Entertainment sein. Das Festival hat eben verschiedene Aspekte. Man sucht sich heraus, was einem liegt.
Seit dem ersten Designmai hat sich das Niveau dahingehend auch schon sehr verändert. Es wird mehr über Inszenierung nachgedacht, darüber wie man Ideen einem Publikum präsentiert. Am Anfang war noch alles sehr improvisiert, mittlerweile hat sich das geändert.
Aber einfach nur wie Mailand zu werden, ist ja nicht das Ziel.
Nein, der wesentliche Unterschied ist, dass in Berlin viel interdisziplinärer gearbeitet wird. Ein Soziologe kann sich genauso mit einer Plattform für Social Design präsentieren wie ein Designer mit einem Möbelstück. In Mailand gehen zum Beispiel diejenigen unter, die etwas mit Medien machen. Sie werden nicht kommuniziert. Dort gibt es keinen Diskurs zu diesen Schnittstellenbereichen. Doch genau diese Schnittstellen, die sich zwischen den Professionen ergeben, möchten wir auf unserem Festival provozieren. Man trifft sich, um gegebenenfalls solche Projekte anzuregen oder zu ermöglichen.
Gibt es deshalb auch immer ein Thema?
Natürlich ist es generell schwierig, ein Motto zu haben. Wir bieten das Thema zwar an, allerdings gibt es keinen Zwang. Entweder die Aussteller beschäftigen sich damit oder nicht. Manche haben kein Interesse daran und stellen deshalb andere Beiträge vor. Die Aussteller, die sich in diesem Jahr mit dem Thema „Digitalability“ beschäftigen, sind im Programm daher mit „DGTBY“ gekennzeichnet, andere mit „Shop“ etc.
Und die Events und Ausstellungen sind in diesem Jahr wieder dezentral in der Stadt verteilt?
Genau. Im letzten Jahr hat der Designmai versucht, in den Hallen am Gleisdreieck eine kompakte Messesituation zu schaffen. Zum Themenschwerpunkt „Designcity“ war diese räumliche Dichte auch passend. Außerdem wollten wir die Akteure der Stadt einmal an einem Punkt zusammenbringen. Wir haben es oft erlebt, dass Leute meinten: ich habe drei oder vier Events gesehen während der ganzen Zeit, aber das Festival selber habe ich nicht mitbekommen. Wir, damit meine ich den Verein, waren mitunter wohl die einzigen, die alles gesehen haben und selbst für uns war es fast unmöglich.
Was steckt hinter dem Motto in diesem Jahr?
Wir haben festgestellt, dass im Laufe der letzten Jahre zunehmend Designer mit Prototypen und deren Produktionstechnologien arbeiten. Dass wir den Sinterstuhl bei Vogt und Weizenegger entworfen haben, ist ja bereits 5 Jahre her. In letzter Zeit entwickelt sich, wie man auch in der Architektur gut sehen kann, eine ganz neue Ästhetik – rechnergestützte Strukturen werden in dreidimensionale Tragwerke umgesetzt. Das Thema ist jetzt gerade spannend. Vor 5 Jahren kostete ein 3D-Drucker etwa 500.000 Euro. Meine Maschine an der Universität in Kassel hat jetzt 25.000 Euro gekostet. Die Entwicklung ist rasend schnell. In drei bis vier Jahren wird jedes größere Designbüro ein solches Gerät besitzen.
Ein Beispiel: Einer meiner Studenten hat eine Skibrillenkollektion entworfen, die genau an den Kopf angepasst ist. Er scannt den Kopf des Trägers ein und subtrahiert vom bestehenden Modell einer Brille. Die Folge: die Brille sitzt exakt am Kopf. Bei Stürzen verteilt sich der Druck auf die gesamte Kontur der Auflagefläche und die Verletzungsgefahr ist bedeutend geringer. Sie sehen, es wird also einige Premieren geben in Berlin.
Wie geht es in den nächsten fünf Jahren weiter?
In den nächsten fünf Jahren möchte der Verein, dass sich das Festival auch trägt. Ebenso dass mehr Einladungen ins Ausland ausgesprochen werden können, um eine höhere Internationalität zu erreichen, wodurch eine ganz neue Kommunikation in der Stadt entstehen könnte. Es wird wieder neue Bausteine geben, so wie in den letzten Jahren auch immer zusätzliche entstanden sind. Das Festival muss sich weiterentwickeln. Die Nachfrage nach B to B beispielsweise ist inzwischen deutlich angestiegen. Der Designmai soll in fünf Jahren lebendig sein und immer wieder Diskussionen anfachen, wie etwa mit dem Thema „Digitalability“. Wir möchten damit immer wieder Irritationen schaffen, sonst wird ja auch nicht diskutiert. (lacht)
Gibt es sonst noch Wünsche für das Festival?
Ich wünsche mir, dass der Designmai in Zukunft unternehmerisch denken kann. Im Sinne eines gemeinnützigen Unternehmens, um die Region zu fördern und ein interessantes Klientel anzusprechen. Wir haben eine soziale Verantwortung der Stadt gegenüber und es ist mittlerweile angekommen, dass der Designmai ein Engagement für die Stadt ist. Herr Wowereit versteht das. Wir brauchen mit dem Festival nicht nach Stockholm gehen. Oder nach Mailand, wo es das auch schon gibt. Und wir wollen garantiert nicht nach Köln zur IMM. Die Jahreszeit in Köln ist einfach nicht sexy. (lacht) Berlin im Mai ist super. Die Bäume sprießen, man kann draußen sitzen, (schaut einem Skater hinterher) Skateboard fahren... Was will man mehr.
Vielen Dank für das Gespräch.