Patrik Fredrikson & Ian Stallard
Das Londoner Designerduo im Gespräch.
Patrik Fredrikson und Ian Stallard üben sich keineswegs in falscher Zurückhaltung. Das Londoner Designerduo – der eine Schwede, der andere Engländer – arbeitet seit 1995 zusammen. Kennengelernt haben sie sich an der Bar des Central Saint Martins College of Art & Design, wo Fredrikson Möbel- und Stallard Keramikgestaltung studierte. Nachdem sie ihre Arbeiten auf kleineren Messen ausgestellt hatten, beschlossen sie, ab jetzt als Team fortzuschreiten. Frühzeitig haben sie sich auf Entwürfe sinnlicher Opulenz gestürzt, die selten als serielle Produkte, häufig hingegen als limitierte Editionen gefertigt werden. Ein Gespräch über kristalline Wörter, wilde Kurven und einen golden schimmernden Dialog mit Gustav Klimt.
Patrik Fredrikson und Ian Stallard, zum London Design Festival 2016 habt Ihr einen Einblick in Eure Studioräume im Stadtteil Clerkenwell gewährt. Aus Anlass Eurer zehnjährigen Zusammenarbeit mit Swarovski wurde die neue Glaciarium Collection vorgestellt. Was hat es damit auf sich?
Patrik Fredrikson: Wir arbeiten jetzt seit zehn Jahren zusammen und es ist das erste Mal, dass Swarovski externe Designer eine Kristall-Komponente entwerfen ließen. In diesem Falle war es sogar eine ganze Kollektion von Komponenten. Das Aufregende daran war, dass wir bei diesem Projekt alles andere als eigennützig denken durften. Schließlich sollen die Kristallbausteine für alle möglichen Arten von Projekten anderer Kreativer funktionieren. Wir mussten uns daher bei jedem Schritt über die Konsequenzen im Klaren sein. Verständigen wir uns auf eine Form, zieht das eine ganze Reihe an weiteren Entscheidungen mit sich. Es ist ein gesamtes Universum, das wir zuvor ergründen mussten.
Die Komponenten sind asymmetrisch und wirken beinahe roh. Fast so, als hatte sie die Natur geformt. Warum habt Ihr Euch an dieser Stelle gegen die präzisen Schliffe konventioneller Kristallbausteine entschieden?
Patrik Fredrikson: Wir haben das Buch nicht komplett neu geschrieben, sondern vielmehr ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Darum haben wir klassische Schnitte mit einer betont rohen, kristallinen Formen verschmolzen. Auf diese Weise können wir nicht nur neue, zeitgenössische Arbeiten kreieren. Die Bausteine lassen sich auch in alte, barocke Leuchter einsetzen und funktionieren ebenso. Diese zeitliche und formale Überschneidung ist sehr spannend.
Eine Komponente zu entwerfen, ist wie eine Bühne zu gestalten: Man öffnet einen Freiraum, den andere bespielen können.
Ian Stallard: Es ist wie das Entwerfen neuer Wörter, aus denen andere Sätze oder sogar ganze Geschichten bilden können. Wir sind schon gespannt, was daraus gemacht wird. Um eine Vorstellung zu geben, haben wir vier Kronleuchter gezeigt: Avalon, Helios, Superline und Voltaire. Doch es gibt unzählige andere Möglichkeiten, wie Gestalter ihre eigene Kreativität und Vorstellungskraft nutzen können. Wir wollten damit nur einen Ansatzpunkt für ihre eigenen Ideen geben.
Wie habt Ihr die rohen Formen umgesetzt?
Patrik Fredrikson: Wir haben lange daran mit den Technikern gearbeitet. Irgendwann sagten sie uns, dass sie eine neue Maschine haben, mit der sie auch Kurven schneiden lassen. Keine gewöhnlichen S-Kurven. Auch unregelmäßige Silhouetten sind damit möglich. Wir waren natürlich sofort begeistert. Doch bei ihnen hielt sich die Zustimmung in Grenzen. Sie sagten: Wenn die Form derart unregelmäßig ist, sieht man die Arbeit nicht, die darin steckt. Es hat viel Überzeugungsarbeit gekostet, diese Einstellung zu verändern. Und so wurde daraus ein Kapitel, das sowohl für uns als auch für sie etwas vollkommen Neues darstellte: Eine Intensivierung von beiden Seiten, wenn man so will.
Ian Stallard: Ein positiver Nebeneffekt ist natürlich, dass sich diese Komponenten nicht kopieren lassen. Darüber haben wir anfangs nur Witze gemacht. Doch es ist wirklich ein Problem, weil gerade in Asien immer mehr Nachahmungen produziert und in alle Welt verkauft werden. Insofern hat es einen praktischen Vorteil.
Beschreibt den Effekt, der sich mit den fragmentierten Oberflächen erzeugen lässt!
Patrik Fredrikson: Wenn wir den Voltaire-Leuchter zum Beispiel mit klassischen Kristallformen bestückt hätten, würde SIE – unsere Leuchter sind für mich immer weiblich (lacht) – fast transparent erscheinen. Doch wir haben die glatte Seite unserer Komponenten nach außen gedreht, sodass die stark facettierte Seite nach iFdasnnen zeigt. Wenn dort das Licht auf sie trifft, entstehen plötzlich diese eisartigen Strukturen.
Ian Stallard: Man erkennt überhaupt nicht mehr die Form der Kristalle. Die Leuchter wirken wie einzelne, zusammenhängende Objekte.
Was fasziniert Euch am Thema Kristall?
Ian Stallard: Es dreht sich alles ums Licht – sowohl was die Brechung als auch die Spiegelung von Licht anbelangt. Doch auch die unglaubliche Tiefe dieses Materials ist faszinierend. Leider wird es häufig nur zur Dekoration benutzt. Dabei steckt sehr viel mehr darin.
Patrik Fredrikson: Für uns liegt darin eine Grundhaltung unserer Arbeit: Ein Material, das wir benutzen, muss auch ein konstruktiver Bestand eines Objektes sein. Ansonsten macht es keinen Sinn. Wenn wir mit Metall arbeiten, sprühen wir keinen Lack auf die Oberfläche, sondern machen stets das Metall sichtbar. Wenn man bei unseren Leuchtern die Kristalle entfernen würde, bliebe nichts mehr übrig. Das Objekt würde sich auflösen. Dieser Aspekt ist sehr wichtig für uns, weil er die Wirkung intensiviert.
Worin liegt die größte Herausforderung im Umgang mit Kristall?
Patrik Fredrikson: Man muss Acht geben, dass das Material keine billige Qualität erhält. Das passiert zum Beispiel, wenn Objekte zu stark überarbeitet sind. Interessanter ist die umgekehrte Richtung, wie in der Kunstwelt bei den massiven Glasgefäßen von Roni Horn. Diese Werke wirken unglaublich einfach. Doch wir wissen natürlich, dass es fast ein ganzes Jahr dauert, bis das Material richtig abgekühlt ist und nicht zerbricht. Der Prozess dahinter ist überaus kompliziert, auch wenn es zunächst mühelos aussieht. Genau das macht es ja auch so spannend. Mit unserer Arbeit versuchen wir dasselbe. Man sieht etwas und denkt sich vielleicht: Ok., das ist recht offensichtlich. Doch dahinter steckt oft ein sehr langer und fordernder Prozess, um es exakt so hinzubekommen. Genau darin besteht die große Herausforderung im Umgang mit Kristall.
Ian Stallard: Interessant sind auch die Kompromisse, die man eingehen muss. Neulich wollten wir ein Objekt aus einem Stück fertigen. Doch es hätte zwei Monate gebraucht, um abzukühlen und wäre nicht rechtzeitig fertig geworden. Also mussten wir es halbieren. Sonderlich begeistert waren wir darüber nicht, weil das hieß, dass es eine Klebekante geben wird. Doch dann haben wir die Klebekante für eine eingeschlossene Blume genutzt. Und so wurde aus diesem Manko eine Notwendigkeit. Ein Zeichen der Produktion, das in der Formensprache lesbar wird.
Am vergangenen Wochenende hat es Euch zur Vienna Design Week an die Donau geführt, wo Ihr in den nächsten Wochen und Monaten die Räume des Belvedere Museums bespielt. Was genau ist dort zu sehen?
Ian Stallard: Wir zeigen die große Skulptur Prologue. Sie hat die Form der Sonne mit einem Durchmesser von vier Metern und wiegt 1,2 Tonnen. Ein runder, industrieller Metallrahmen wird an zwei Punkten in Position gehalten. Er ist mit achttausend goldenen Topazkristallen gefüllt. Das Museum hat uns auch erlaubt, mit der Arbeit Hurricane zwei goldene Metallspiegel in der Marmorhalle des Belvedere zu installieren. Sie werden dort neun Monate lang zu sehen sein, was wirklich unglaublich ist! Die Stücke sind allesamt sehr zeitgenössisch. Doch sie sind auch sehr golden. Natürlich gibt es eine Verbindung zur Umgebung des Schlosses und zu den Arbeiten von Gustav Klimt, die dort ausgestellt werden. Wir haben bei den Kristallen unterschiedliche Nuancen von Gold verwendet, sodass ein flirrender Effekt entsteht. Das ist perfekt für diesen Ort!
Vielen Dank für das Gespräch.