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Rutec: Von Lichtbändern und Onlinehändlern

Ein Interview über die digitale Zukunf von Rutec

von Anne Meyer-Gatermann, 11.07.2018

Von Backofenlampen zu LED-Strips. Das Familienunternehmen Rutec hatte schon früh den richtigen Riecher. Vater Manfred Rullhusen, Tochter Birthe Eikmeier und Sohn Holger Rullhusen haben den Betrieb aufgebaut: In den Achtzigerjahren setzte Manfred Rullhusen auf Halogenlampen, dann der Sohn auf LED-Strips und heute wappnet sich das Unternehmen für die Digitalisierung. Im Interview erzählt Holger Rullhusen, wie.

Herr Rullhusen, welche neuen Entwicklungen gibt es auf dem Markt der Leuchtmittelhersteller, mit welchen Herausforderungen haben Sie zurzeit zu tun? Das ist ganz klar die Digitalisierung im Bereich des Elektrogroß- und Fachhandels. Der Online-Händler Amazon möchte in den B2B-Bereich hinein und das wird die Branchen sicher aufmischen. Jeder weiß: Dem Unternehmen macht so schnell keiner etwas vor, wenn es um Logistik und Online-Handel geht und man muss aufpassen, dass die Großhändler nicht auf der Strecke bleiben.

Sie beliefern Großhändler – das ist ja auch für Sie unbequem… Genau. Für uns als Hersteller ist es etwas einfacher als es für den Großhandel ist, aber wir müssen uns Gedanken machen, wo wir bleiben und wie sich der Markt verändert. Wir haben uns seit ein paar Jahren auf zwei Produktnischen beschränkt: Deckeneinbaustrahler und LED-Strips mit unserer Marke VARDAflex. Mit den LED-Bändern waren wir einer der ersten im Markt und haben uns eine sehr gute Reputation aufgebaut. In diesen beiden Bereichen sind wir der Spezialist im Markt. Die Sparte Einbaustrahler gerät jetzt mächtig unter Druck, weil das Produkt an sich einfach und einfach zu installieren ist. Solche Produkte werden in Zukunft zunehmend über den Onlinehandel verkauft.

Weil man keinen Techniker braucht, der die Leuchten einbaut. Richtig. Einen großen Vorteil haben wir, weil die LED-Bänder ein sehr kompliziertes Produkt sind. Man kann zwar auch kleine LED-Sets mit Controller und allem Drum und Dran beim Discounter kaufen, aber das ist nicht unser Metier, denn die sind für den kleinen Gebrauch zuhause. Wir fokussieren uns auf den professionellen Bereich, also sowohl auf Projekte wie Neubau, Renovierung oder Sanierung in den Bereichen Hotel und Gastronomie, Pflege und Gesundheit, Büro, Shop, Bildung, Kunst und Kultur, als auch auf öffentliche oder private Bauten. Das ist so kompliziert, das kann kein Onlinehandel abdecken.

Warum? Dafür braucht man Fachwissen, es gibt sehr viele Fragen, die beantwortet werden müssen. Manche Hersteller haben Konfiguratoren, bei denen bestimmte Dinge abgefragt werden und so Angebot und Bestellung zusammengesetzt werden. Aber auch das hat seine Grenzen, wenn es um die Beratung geht. Zum Beispiel: Welche Lichtstärke nehme ich? Brauche ich nur eine kleine Akzentbeleuchtung oder eine ganze Raumbeleuchtung? Es ist fast immer so, dass die Bänder gedimmt oder farbgesteuert sein sollen und daran schließt sich ein ganzes Bündel an Fragen an: Wie denn? Was gibt es für Systeme? So etwas kann ein Onlinehandel nicht abdecken.

Wie richten Sie sich auf die neue Situation am Markt ein? Deswegen ändert sich gerade viel bei uns. Bisher waren wir allein auf den Elektrogroßhandel ausgerichtet, auch im Vertrieb. Unsere freien Handelsvertreter haben wir jetzt beauftragt, zusätzlich zum Großhandel auch Planer, Ingenieurbüros und auch Architekten zu besuchen. Wir wollen in die Leistungsverzeichnisse für Bauvorhaben hineinkommen. Wir haben das Produkt, die Vielfalt, die Qualität und vor allem die Qualität vom Backoffice. Wir haben zum Beispiel eine eigene Technikabteilung mit vier Elektroinstallateuren.

Was genau ist deren Aufgabe? Unsere Technikabteilung kommt ins Spiel, wenn jemand eine telefonische Beratung benötigt oder wenn es technische Probleme gibt. Sie unterstützen auch die Planung nach CAD-Zeichnungen: Wo setze ich die Controller hin? Welche Leitungslängen benötige ich? Man muss auch die zentrale Stromversorgung kennen.

Für Laien sehen die LED-Strips in Ihrem umfangreichen Katalog zum Verwechseln ähnlich aus. Welche Unterschiede gibt es und warum bieten Sie eine so große Produktvielfalt an? Zunächst unterscheiden wir, ob die Bänder innen oder außen eingesetzt werden. Auch für Feuchträume gibt es besonders geschützte Bänder. Dann fächert sich die Produktpalette nach der Lichtstärke auf: Akzentbeleuchtung, Zusatzbeleuchtung oder Grundbeleuchtung. Eine kleine Kantenbeleuchtung oder ein Lichtband unterm Tresen hat keine Beleuchtungszwecke. Andere Bänder bieten eine Grundbeleuchtung, sogar indirekt. Mit einer indirekten Beleuchtung von Vouten kann man heute sogar ganze Räume beleuchten und die Architektur ideal hervorheben. Eine weitere Option ist die Lichtfarbe. Im Weißbereich gab es früher nur drei Unterschiede, mittlerweile haben wir sechs Weißtöne.

Gibt es in Ihrer Produktpalette ein Produkt, auf das Sie persönlich besonders stolz sind? Die LED-Bänder, denn die hatte ich mal entdeckt. 2008 haben wir das Programm aufgebaut und jetzt hat es sich zu unserem Hauptbereich entwickelt. Es gab aber auch Versuche, bei denen wir nicht so erfolgreich waren: Außenlampen oder Pendelleuchten zum Beispiel. Aber mit den LED-Bändern waren wir zur rechten Zeit am rechten Ort. Darunter ist unser neues Produkt VARDAflex Single besonders interessant, weil es flexibel und leistungsstark ist. Das 24-Volt-Band kann man jetzt nach jeder LED abschneiden, das ging bislang nicht.

Viele Ihrer Lichtbänder werden auf Kreuzfahrtschiffen verwendet. Wie ist denn dieser Kontakt zustande gekommen? Ein Kunde, der Flusskreuzfahrtschiffe ausstattet, ist auf uns zugekommen. So sind wir in diesen Marinebereich reingekommen und haben dann schnell gemerkt, dass das ein kleiner, enger Markt ist, der völlig anders funktioniert. Da gibt es Chefdesigner und ausführende Firmen, die verschiedene Parts an Bord abdecken – die sind dann im Grunde auch unsere Kunden. In dieses Segment sind wir ganz gut reingekommen. Wir bieten LED-Bänder an, die UV-, Salzwasser- und chlorbeständig sind und sich sehr gut für Kreuzfahrtschiffe eignen.

Sie haben mit Ihrem Vater und Ihrer Schwester das Unternehmen 1990 gegründet. Wie haben Sie damals angefangen? Erst war mein Vater an einer Firma beteiligt, die mit gusseisernen Öfen gehandelt hat. Schon in den Achtzigerjahren ist er aber jedes Jahr mit einem Freund, der Handelsvertreter für Elektroartikel war, nach Asien geflogen. 1985 wurden dort die ersten Leuchtmittel gehandelt, für Kühlschrank- und Backofenlampen. Das hat ihn interessiert.

Wann hat er den Sprung in die Leuchtmittelbranche gewagt? Ende der Achtzigerjahre gab es die ersten Halogenleuchtmittel – das war ein ähnlicher Boom damals wie heute mit den LEDs. Unser Vater hat das zur richtigen Zeit erkannt: Er hatte einen Kontakt zu einer Firma in Hongkong, die dort und in China eine Osram-Vertretung, aber auch eine eigene Produktion an Halogenleuchten aufgebaut haben. Mit denen haben wir dann Verträge für eine Exklusiv-Vertretung für Deutschland gemacht.
 
Sie sind ein Familienunternehmen – welche Vorteile und welche Herausforderungen bringt das mit sich? Die Vorteile sind ganz klar, dass man ein gegenseitiges Vertrauen hat und Absprachen auf dem kürzesten Weg machen kann. Wenn man zu dritt anfängt, sowieso. Anfangs haben wir ja alles selbst gemacht: Wir haben die Aufträge bearbeitet, mit dem Gabelstapler Paletten herumgefahren und auch die Waren zu den Leuchtenherstellern ausgefahren. Das Lager war damals in einem Pferdestall.

Eine häufige Herausforderung für Familienunternehmen ist, dass sich auch in Familien nicht immer alle verstehen. Das war bei uns zum Glück nie der Fall. Das liegt sicherlich auch daran, dass unser Vater immer das Talent hatte, loszulassen und uns Verantwortung zu übergeben. Schon in der Anfangsphase hatten meine Schwester und ich unsere Bereiche, in denen wir frei entscheiden konnten – obwohl wir noch recht jung waren.

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