Sam Hecht – Industrial Facility
Sam Hecht wurde 1969 in London geboren und zählt heute zu den wichtigsten Vertretern des Minimal Design. Nach seinem Abschluss in Industrial Design am Londoner Royal College of Art 1993 ging er in das Büro von David Chipperfield sowie anschließend zum global agierenden Designbüro IDEO mit Aufenthalten in San Fransisco und Japan. Nachdem er von 2000 bis 2002 die Leitung der europäischen Niederlassungen von IDEO übernahm, gründete er 2002 zusammen mit der Architektin Kim Collin das Büro „Industrial Facility“ in London. Mit diesem machte er sich vor allem mit Elektroprodukten für den japanischen Hersteller Muji einen Namen, ebenso wie zuletzt mit einem tragbaren Drucker für Epson. Was die Entwürfe verbindet, ist ihre einfache, unaufdringliche und kultivierte Erscheinung. Reduktion bedeutet hier nicht Verzicht sondern das Zurückgeben von Freiheit an den Benutzer. Wir trafen Sam Hecht in Mailand und sprachen mit ihm über den Reiz des Einfachen, die Selbstverständlichkeit von Schönheit und warum Design mehr ist als bloße Spielerei.
Herr Hecht, Ihr Büro „Industrial Facility“ ist vor allem mit seinen zahlreichen Entwürfe für die japanische Firma Muji bekannt geworden. Aber Ist es auch genauso unkompliziert für Muji zu arbeiten wie die Produkte aussehen?
Ja, absolut. Der Produktions- und Designprozess bei Muji ist sehr einfach, gerade, nach vorne gerichtet. Einfache Ideen gehen dort nicht verloren oder müssen künstlich aufgeblasen oder kompliziert gemacht werden für den Markt. Darum wirken sie häufig auch verblüffend für die Kunden und Benutzer, weil sie etwas sehr Befreiendes an sich haben. Viele bemerken mit einem Mal: Das ist es, was ich möchte. Ich brauche nicht mehr als das.
Bei ihrem Tischtelefon haben Sie sogar den An- und Ausschaltknopf weggelassen. Liegt das Gerät mit dem Bauch auf dem Tisch, ist es aus. Nimmt man es hoch, schaltet es sich automatisch an. Wie kamen Sie zu dieser Idee der radikalen Vereinfachung?
Ein Großteil unserer Arbeit ist verbunden mit der Umgebung oder, wie wir es nennen, der Landschaft. Dem Ort, an dem Menschen leben. Bei den meisten Produkten ist es so, dass die Hersteller denken, sie müssten ausschließlich auf sich bezogen sein, unabhängig davon, was in der Landschaft drum herum passiert. Bei unserem Telefon haben wir festgestellt, dass jeder zuhause einen Tisch besitzt. Also braucht man keine Basis mehr. Sie ist nicht mehr notwendig. Anschließend kamen wir auf die Idee, dass Produkte anfangen sollten, abhängig zu sein von dem, was bereits existiert. Ich würde daher sagen, dass der größte Einfluss für uns die Landschaft ist. Sehen, was bereits existiert, und versuchen, dieses in unsere Projekte zu integrieren.
Geht es auch darum, die Umwelt nicht weiter mit überflüssigen Dingen zu vermüllen?
Ja, das ist sicher ein wichtiger Teil. In der Industrie gibt es etwas, das „Featurism“ genannt wird. Es geht darum, dass Firmen und Kunden denken, sie müssten mehr und mehr Funktionen (Features) in ein Produkt einbringen, um dieses zu rechtfertigen. Es braucht sehr viel Vertrauen und auch Selbstbewusstsein von einem Hersteller zu sagen, wir brauchen den Kunden nicht diese zusätzlichen Dinge zu geben, wir können es einfacher machen. Ein Großteil unserer Arbeit dreht sich darum, die Funktionalität zu reduzieren.
Wie beurteilen Sie das aktuelle Design im Elektronikbereich?
Er ist insgesamt sehr arm geworden, was das Design anbelangt. Die Leute werden zwar von Technologien angezogen, weil die denken, dass sie sie brauchen. Aber das wirkliche Verlangen, die Dinge für eine längere Zeit zu besitzen und zu nutzen, ist nicht vorhanden. Viele Hersteller glauben auch nicht, dass das Design eine ebenso wichtige Rolle spielt wie die Technologie. Für sie ist es oft eine Art Gadget, Spielerei. Dabei ist das Design ein Feld, das viel mehr Intelligenz und Aufmerksamkeit benötigt. Im Möbelbereich gibt es bereits eine Menge guter Designer, die einen ausgezeichneten Job machen. Aber aus irgendeinem Grunde sind sie nicht an Elektroprodukten interessiert. Deshalb denke ich, dass dort noch eine Menge Arbeit zu machen ist, um die Situation zu verbessern. Für mich ist das auch der Grund, warum wir zurzeit viel auf diesem Gebiet arbeiten.
Gibt es noch andere Bereiche im Design, die Sie derzeit interessieren?
Ja, gerade Beleuchtung ist für uns sehr wichtig geworden. Sehen Sie zum Beispiel die Beam Leuchte, die wir hier gerade in Mailand vorstellen. Die Idee dazu kam von meinem kleinen Sohn, als er gerade eine Lampe zeichnete. Er zeichnete nicht nur die Lampe an sich sondern auch das Licht, das aus ihr heraus fällt, und zwar mit harten, durchgehenden Linien auf beiden Seiten. Ich fragte ihn: „Was ist das?“ und er sagte mir „Das ist die Lampe.“ Er zeichnete das heraus fallende Licht als ein Objekt. Das war die Idee: Der Lichtkegel als Lampe.
Viele Ihrer Produkte ließen sich mit „leise“ vielleicht am Besten beschreiben.
Ja, ich mag „laut“ nicht sonderlich (lacht). Ich denke, „laute“ Dinge sind vor allem für die Geschäfte und Kaufhäuser gemacht, wo sie viel Aufmerksamkeit erregen müssen. Das Problem ist nur: Wenn Sie das Produkt mit nach Hause nehmen, brauchen Sie diese Aufmerksamkeit nicht mehr. Es ist immer ein Kampf, die Firmen an dieser Stelle zu überzeugen und auch keine Kompromisse einzugehen. Wir versuchen, ihnen klar zu machen, dass der Wert des Designs darin besteht, dass Produkte nicht nur gekauft sondern auch lange gebraucht und gemocht werden.
Die Ausstellung „Super Normal“ von Jasper Morrison und Naoto Fukasawa, die soeben auch in Mailand präsentiert wurde, widmet sich ebenfalls den leisen Dingen. Schönheit, die sich ganz subtil in den Alltag einfügt, beinahe unsichtbar wird.
Wir haben auch ein paar von unseren Produkten darunter. Ich denke, „Super Normal“ ist vor allem interessant, weil es eine Erinnerung an die Menschen ist, sich zu fragen: Was ist eigentlich notwendig für unser Leben? Was wollen wir um uns herum haben? Vor ein paar Jahren haben wir auch ein paar Ausstellungen organisiert mit Objekten, die zwar sehr billig waren aber von ihrem Design her äußerst interessant und schön. Es ging darum zu verstehen, dass gutes Design nicht immer teuer sein muss.
Wie ist Ihre Definition von Schönheit?
Schönheit ist für mich etwas, das nicht von Anstrengung kommt. Wenn Sie etwas sehen, bei dem sich jemand sehr bemüht hat, damit es schön wird, kann nicht schön sein. Schönheit wird ohne Mühe erreicht. Ich konzentriere mich daher auch nicht auf sie. Sie ist etwas, das von selbst herauskommen wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
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