Menschen

Seung-Yong Song

Der koreanische Designer über europäische Klischeevorstellungen von Asien.

von Claudia Simone Hoff, 06.10.2015

Seung-Yong Song kommt aus Korea, ist Bildhauer und hat im französischen Reims Produktdesign studiert. Kein Wunder also, dass seine künstlerisch angehauchten Entwürfe eine Verbindung zwischen Europa und Asien schaffen. Seung-Yong Song arbeitet seit 2011 in Namyangju nahe Seoul für sein eigenes Label SY Design. Außerdem berät der 37-Jährige Unternehmen und ist Designprofessor an der Kuk-Min-Universität in Seoul. Wir haben ihn in Saint-Étienne getroffen und mit ihm über europäische Klischeevorstellungen von Asien und die unsichere Zukunft des Designs gesprochen.

In Europa mögen viele Menschen Dinge, die vermeintlich typisch asiatisch sind: handgefertigte Lackwaren wie Reisschalen beispielsweise, henkellose Teetassen aus Keramik oder Teekannen aus Gusseisen – allesamt in einem sehr reduzierten Design.
Vielleicht sehen diese Dinge für Europäer auch einfach nur typisch asiatisch aus. Interessanterweise betrachten wir diese Dinge in Korea nämlich gar nicht als Design. Für uns sind diese Dinge Kunsthandwerk. Etwas, das wir jeden Tag benutzen.

Was beschäftigt junge Designer heute in Korea? Hye-Yeon Park, eine koreanische Designerin, hat sich an unseren Tisch gesetzt und mischt sich in das Gespräch ein. Sie sagt:
Zwar gibt es auch bei uns noch Designer, die eher traditionelle Dinge wie beispielsweise Teeservice aus Porzellan oder Möbel aus Holz entwerfen. Doch das Design ist im Umbruch, weshalb sich viele junge Designer in Korea für neue Konzepte, für die Zukunft des Designs interessieren.

Wie sieht denn die Zukunft des Designs aus?
Seung-Yong Song: Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich pessimistisch. Es gibt so viele Dinge, die jeden Tag produziert werden, so viel Überflüssiges. Und es gibt so viele große Designer, die bereits alles entworfen haben. Mir ist nicht ganz klar, wie wir aus dieser Misere herauskommen sollen, wohin das alles führen soll. Ich frage mich, was ich selbst dazu beitragen kann, dass es weiter geht.

Du hattest ebenso wie Hye-Yeon Park das Glück, Deine Projekte im Musée d’Art Moderne et Contemporain während der Design Biennale in Saint-Étienne zeigen zu können. Eine Einzelausstellung im Museum ist für einen jungen Designer ja ziemlich ungewöhnlich.
Ja, das stimmt und ich habe mich auch ziemlich darüber gefreut [lacht]. Benjamin Loyauté, der Chefkurator der Design Biennale, hatte mich eingeladen, die Kollektion Wheeljek auszustellen.

Wheeljek ist wie viele Deiner Projekte eine Melange der Kulturen.
Ich bin gern unterwegs in unterschiedlichen Kulturen. Die Idee zu Wheeljek ist mir beispielsweise gekommen, als ich acht Wochen in Bangkok war. Dort sieht man an jeder Ecke diese typischen mobilen Essensstände. Mich hat fasziniert, wie sich das Bild der Stadt durch diese mobile Kleinarchitektur den Tag über verändert. Die mobilen Essensstände sind für mich geradezu ein Synonym für Bangkok geworden. Interessant fand ich auch, dass die Essensstände zwar massenproduziert sind und ursprünglich alle gleich aussehen, aber von ihren Eigentümern so verändert werden, dass daraus ein individuelles Einzelstück wird.

Und dann hast Du für Dein Projekt die mobilen Essensstände zweckentfremdet.
Ja, ich wollte unbedingt eine mobile Möbelkollektion entwerfen – sozusagen die Essensstände in abstrahierter Form. Die rollenden Möbel sind flexibel im Innen- und Außenraum einsetzbar, dienen gleichzeitig als Tisch, Sitz oder Aufbewahrungsmöbel und können mit einem Spiegel versehen werden. Die Kollektion wurde auch in Basel zur Design Miami Basel 2013 ausgestellt, als ich neben Bethan Laura Wood und Jon Stam mit dem W Hotels Designer of the Future Award ausgezeichnet wurde.

Ich finde, dass Deine Projekte sehr künstlerisch wirken. Außerdem geht es bei Dir offenbar immer auch um Multifunktionalität: Ein Sessel ist gleichzeitig Wäscheständer, die Rücklehne eines Stuhls wird zum Regal, eine Leuchte zum Beistelltisch.
Das freut mich [lacht erstaunt]. Das liegt vielleicht daran, dass ich nicht in archetypischen Kategorien denke, wenn ich etwas entwerfe. Ich denke also nicht „Nun entwerfe ich einen Tisch oder einen Stuhl“. Ich arbeite mehr aus meinen Erfahrungen, Erinnerungen, Gefühlen. Das kommerzielle Design ist nicht so mein Ding – das habe ich gemerkt, als ich nach dem Studium im Studio von Jean-Marc Gady in Paris gearbeitet habe. Also bin ich nach Korea zurückgekehrt und habe vor vier Jahren mein eigenes Designstudio gegründet. Jetzt experimentiere ich am liebsten mit Funktionen und Materialien. Vielleicht bekomme ich ja auch mal die Möglichkeit, etwas für einen europäischen Hersteller zu entwerfen – Vitra oder Ligne Roset wären toll.

Dankeschön für das Gespräch.


Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Seung-Yong Song

Sy Design

www.seungyongsong.com

Kkini von JIA

www.designlines.de

Design Biennale Saint-Étienne 2015

Was ist schön?

www.designlines.de

Mehr Menschen

Sanfte Radikalität

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Das Gute trifft das Schöne

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Der Design-Rebell

Nachruf auf den Gestalter Gaetano Pesce

Nachruf auf den Gestalter Gaetano Pesce

Ein Designer in olympischer Höchstform

Mathieu Lehanneur im Gespräch

Mathieu Lehanneur im Gespräch

„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

„Alle am Bau Beteiligten haben Verantwortung“

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Zwischen Euphorie und Askese

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Die Storyteller von Södermalm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

„Man muss vor der KI nicht zu viel Respekt haben“

Technologie-Insider Timm Wilks im Interview

Technologie-Insider Timm Wilks im Interview

„Wir müssen uns nicht verstellen“

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin

Interior- und Designstudios aus Berlin

Neue Talente

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

„Naturverbundenheit spielt eine große Rolle“

Kreativdirektorin Camilla D. Fischbacher im Gespräch

Kreativdirektorin Camilla D. Fischbacher im Gespräch

Für die Schönheit des Planeten

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

„Nachhaltige Opulenz ist möglich“

Innenarchitektin Sophie Green im Gespräch

Innenarchitektin Sophie Green im Gespräch

Puzzle für die Wand

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

In Räumen denken

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

„Wenn man sich vertraut, kann man Kritik annehmen“

Muller Van Severen im Gespräch

Muller Van Severen im Gespräch

KI als Mitbewerberin

Interview mit Rafael Lalive von der Universität Lausanne

Interview mit Rafael Lalive von der Universität Lausanne

Echos aus der KI-Welt

Architekt Wolfram Putz von Graft über Künstliche Intelligenz

Architekt Wolfram Putz von Graft über Künstliche Intelligenz

„Wir empfinden unsere Krankenhäuser als Körperverletzung“

Tanja C. Vollmer und Gemma Koppen im Gespräch

Tanja C. Vollmer und Gemma Koppen im Gespräch

Conceptual Substance

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

„Ich betrete gerne Neuland“

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

„Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken“

Peter Fehrentz im Interview

Peter Fehrentz im Interview

Universell einsetzbar

Badplaner Marwin Bong über die Vorzüge zeitloser Armaturen

Badplaner Marwin Bong über die Vorzüge zeitloser Armaturen

Sinn für Leichtigkeit

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Wirkungsvolles Licht

Sven Bär über neue Trends bei SG Leuchten

Sven Bär über neue Trends bei SG Leuchten

Formen aus dem Feuer

Simone Lüling über die Anfänge ihres Leuchten-Labels ELOA

Simone Lüling über die Anfänge ihres Leuchten-Labels ELOA

Experimentierfreudiges Duo

Im Designlabor von Niruk

Im Designlabor von Niruk