Seung-Yong Song
Der koreanische Designer über europäische Klischeevorstellungen von Asien.
Seung-Yong Song kommt aus Korea, ist Bildhauer und hat im französischen Reims Produktdesign studiert. Kein Wunder also, dass seine künstlerisch angehauchten Entwürfe eine Verbindung zwischen Europa und Asien schaffen. Seung-Yong Song arbeitet seit 2011 in Namyangju nahe Seoul für sein eigenes Label SY Design. Außerdem berät der 37-Jährige Unternehmen und ist Designprofessor an der Kuk-Min-Universität in Seoul. Wir haben ihn in Saint-Étienne getroffen und mit ihm über europäische Klischeevorstellungen von Asien und die unsichere Zukunft des Designs gesprochen.
In Europa mögen viele Menschen Dinge, die vermeintlich typisch asiatisch sind: handgefertigte Lackwaren wie Reisschalen beispielsweise, henkellose Teetassen aus Keramik oder Teekannen aus Gusseisen – allesamt in einem sehr reduzierten Design.
Vielleicht sehen diese Dinge für Europäer auch einfach nur typisch asiatisch aus. Interessanterweise betrachten wir diese Dinge in Korea nämlich gar nicht als Design. Für uns sind diese Dinge Kunsthandwerk. Etwas, das wir jeden Tag benutzen.
Was beschäftigt junge Designer heute in Korea? Hye-Yeon Park, eine koreanische Designerin, hat sich an unseren Tisch gesetzt und mischt sich in das Gespräch ein. Sie sagt:
Zwar gibt es auch bei uns noch Designer, die eher traditionelle Dinge wie beispielsweise Teeservice aus Porzellan oder Möbel aus Holz entwerfen. Doch das Design ist im Umbruch, weshalb sich viele junge Designer in Korea für neue Konzepte, für die Zukunft des Designs interessieren.
Wie sieht denn die Zukunft des Designs aus?
Seung-Yong Song: Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich pessimistisch. Es gibt so viele Dinge, die jeden Tag produziert werden, so viel Überflüssiges. Und es gibt so viele große Designer, die bereits alles entworfen haben. Mir ist nicht ganz klar, wie wir aus dieser Misere herauskommen sollen, wohin das alles führen soll. Ich frage mich, was ich selbst dazu beitragen kann, dass es weiter geht.
Du hattest ebenso wie Hye-Yeon Park das Glück, Deine Projekte im Musée d’Art Moderne et Contemporain während der Design Biennale in Saint-Étienne zeigen zu können. Eine Einzelausstellung im Museum ist für einen jungen Designer ja ziemlich ungewöhnlich.
Ja, das stimmt und ich habe mich auch ziemlich darüber gefreut [lacht]. Benjamin Loyauté, der Chefkurator der Design Biennale, hatte mich eingeladen, die Kollektion Wheeljek auszustellen.
Wheeljek ist wie viele Deiner Projekte eine Melange der Kulturen.
Ich bin gern unterwegs in unterschiedlichen Kulturen. Die Idee zu Wheeljek ist mir beispielsweise gekommen, als ich acht Wochen in Bangkok war. Dort sieht man an jeder Ecke diese typischen mobilen Essensstände. Mich hat fasziniert, wie sich das Bild der Stadt durch diese mobile Kleinarchitektur den Tag über verändert. Die mobilen Essensstände sind für mich geradezu ein Synonym für Bangkok geworden. Interessant fand ich auch, dass die Essensstände zwar massenproduziert sind und ursprünglich alle gleich aussehen, aber von ihren Eigentümern so verändert werden, dass daraus ein individuelles Einzelstück wird.
Und dann hast Du für Dein Projekt die mobilen Essensstände zweckentfremdet.
Ja, ich wollte unbedingt eine mobile Möbelkollektion entwerfen – sozusagen die Essensstände in abstrahierter Form. Die rollenden Möbel sind flexibel im Innen- und Außenraum einsetzbar, dienen gleichzeitig als Tisch, Sitz oder Aufbewahrungsmöbel und können mit einem Spiegel versehen werden. Die Kollektion wurde auch in Basel zur Design Miami Basel 2013 ausgestellt, als ich neben Bethan Laura Wood und Jon Stam mit dem W Hotels Designer of the Future Award ausgezeichnet wurde.
Ich finde, dass Deine Projekte sehr künstlerisch wirken. Außerdem geht es bei Dir offenbar immer auch um Multifunktionalität: Ein Sessel ist gleichzeitig Wäscheständer, die Rücklehne eines Stuhls wird zum Regal, eine Leuchte zum Beistelltisch.
Das freut mich [lacht erstaunt]. Das liegt vielleicht daran, dass ich nicht in archetypischen Kategorien denke, wenn ich etwas entwerfe. Ich denke also nicht „Nun entwerfe ich einen Tisch oder einen Stuhl“. Ich arbeite mehr aus meinen Erfahrungen, Erinnerungen, Gefühlen. Das kommerzielle Design ist nicht so mein Ding – das habe ich gemerkt, als ich nach dem Studium im Studio von Jean-Marc Gady in Paris gearbeitet habe. Also bin ich nach Korea zurückgekehrt und habe vor vier Jahren mein eigenes Designstudio gegründet. Jetzt experimentiere ich am liebsten mit Funktionen und Materialien. Vielleicht bekomme ich ja auch mal die Möglichkeit, etwas für einen europäischen Hersteller zu entwerfen – Vitra oder Ligne Roset wären toll.
Dankeschön für das Gespräch.