Soda Designers
Das Wiener Designerduo Nada Nasrallah und Christian Horner im Gespräch.
Nada Nasrallah und Christian Horner sind ein starkes Team. Die beiden Gründer von Soda Designers haben bei Ron Arad an der Angewandten in Wien studiert. Erste Erfahrungen haben sie bei Sottsass Associati in Mailand und Radi Designers in Paris gesammelt, bevor sie 2000 ihr eigenes Büro in Wien gründeten. An der Donau schätzen sie nicht nur die ausgeglichene Atmosphäre. Die Stadt inspiriert sie mit permanenten Sprüngen durch die Zeit. Ein Gespräch über hohe Decken, collagiertes Wohnen und ihre Lieblingstipps für Wien.
Nada Nasrallah und Christian Horner, unter Ihrem Büronamen Soda Designers entwerfen Sie Möbel für Ligne Roset, Wittmann, Porro oder das Wiener Burgtheater. Wohin steuert das Wohnen im Moment?
Nada Nasrallah: Es gab in der Architektur die Tendenz, dass sich die Räume komplett öffnen. Küche und Wohnzimmer sind ebenso verschmolzen wie Badezimmer und Schlafbereich. Doch gerade bei letzteren sehen wir eine rückläufige Bewegung. Weil wir in der mobilen Welt immer überall erreichbar sind, sehnen wir uns wieder nach Ruheräumen und Rückzugszonen. Wir sind eben immer noch analoge Menschen und lesen gerne ein Buch, statt alles nur digital aufzunehmen. Darum sehen wir das Technische im Moment als rückläufig.
Christian Horner: Schlafzimmer sind über Jahre hinweg so durchgehend systematisch gestaltet worden wie Hoteleinrichtungen. Genau das geht nun zurück. Selbst im Hotel ist man bereit, die Räume wieder freier zu gestalten. Die Konsequenz daraus ist, dass die Möbel immer seltener eine feste Verbindung eingehen. Sie berühren sich stattdessen vielmehr.
Was kommt nach den Systemen: Die Collage?
Nada Nasrallah: Ja, wir richten uns immer seltener in einer einzigen Formensprache ein. Das ist so wichtig geworden, weil das Wohnen dadurch individueller wird. Man umgibt sich mit alten Stücken, zu denen man eine persönliche Beziehung hat und die somit das Wohngefühl steigern. Das Gemischte und Collagierte gibt den Benutzern mehr Spielraum. Hinzu kommt, dass dieses Prinzip nicht für die Einrichtung, sondern ebenso für das Design gilt.
Inwiefern?
Nada Nasrallah: Selbst fertige Produkte haben häufig etwas Prototypenartiges. Das ist charakteristisch für diese neue Einstellung. Vieles in unserem Alltag ist so glatt geworden, ob auf zwischenmenschlicher Ebene, auf Arbeit oder in den Medien. Darum ist uns das leicht Unfertige und Imperfekte als neue Formensprache sehr viel näher. Im Design geht es vor allem um vorsichtige Gesten und nicht um eine autoritäre Erscheinung.
Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Nada Nasrallah: Wir haben für Ligne Roset das Bett Desdémone entworfen. Es hat einen betont niedrigen Rücken, damit es nicht zu dominant wirkt und stattdessen Leichtigkeit kommuniziert. Man kann dieses Bett auch in einen offenen Raum stellen, ohne dass es einen erdrückt. Es geht dabei immer um eine Gratwanderung: Was gibt man dem Benutzer vor? Und wieviel Spielraum lässt man ihm als Designer? Genau das richtige Maß zu finden, ist das Spannende.
Christian Horner: Wir versuchen immer, uns in die Produkte hineinzudenken. Am Besten überlegt man, was man sich selbst wünscht. Wir finden, dass ein Bett nicht nur weich sein, sondern auch weich aussehen muss. Es darf nichts Aggressives an sich haben. Ein weiterer Aspekt ist das schützendes Gefühl. Natürlich macht es keinen Sinn, ein Bett in eine geschlossene Koje zu verwandeln. Doch mit dem geschwungenen Kopfteil haben wir eine kleine, schützende Geste eingebracht, wie man sie von Ohrensesseln her kennt. Dieser Punkt ist uns sehr wichtig. Wenn Betten zu offen sind, fühlt man sich in ihnen ausgeliefert.
Worin liegt die Herausforderung beim Entwerfen eines Bettes?
Christian Horner: Bei Betten sind die Dimensionen von der Matratze vorgegeben. Darum gibt es wenig Spielraum. Hinzu kommt, dass es bei Betten auch keinen Klassiker oder keine wirkliche Ikone gibt, die einem im Gedächtnis hängen geblieben sind. Trotzdem empfinden wir es als spannendes Thema, weil man viel Zeit in einem Bett verbringt. Mehr als auf dem Sofa oder im Sessel. Betten sind eine Typologie, die uns sehr nahe steht.
Die Dimensionen sind im Möbelbereich kleiner geworden. Steht mehr dahinter als das Zugeständnis an kleine Großstadtwohnungen?
Christian Horner: Auch das passt zum Collagier-Trend. Schließlich kann man ein kleines Objekt immer besser kombinieren als ein großes und dominantes. Dieses Denken in kleinen, feinen, abgeschlossenen Einzelmöbeln erinnert sehr an den Biedermeier. Ich will damit nicht sagen, dass wir heute wieder im Biedermeier wohnen. Doch die Abkehr vom Gesamtkunstwerk, wo von der Architektur über die Wanddekoration bis hin zu den Möbeln alles durchstylt wird, ist auffallend. Genau das hatten wir schon im Biedermeier und später in den fünfziger Jahren.
Warum ist ausgerechnet Mid-Century so beliebt?
Christian Horner: Die Jüngeren mögen es, weil sie den gesellschaftlichen Kontext nicht mehr kennen und keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit haben. Sie wissen nicht, wie prüde und eng es in den Fünfzigern war. Sie sehen nur noch die Formen und Farben und überlegen, wie sie damit umgehen sollen. Dieser Abstand ist wichtig, um es anders bewerten zu können. Darum hat es lange gedauert, bis man die fünfziger Jahre als schön und spannend gesehen hat. Sicher haben auch die achtziger Jahre ihren Reiz. Doch dafür ist der Abstand einfach noch nicht groß genug.
Beschreiben Sie uns, wie Sie wohnen.
Nada Nasrallah: Wir wohnen sehr durchmischt. Häufig gehen wir zum Flohmarkt und schauen, wo etwas entrümpelt wird. Zwischen diesen Fundstücken stehen unsere eigenen Produkte und Prototypen. Vieles, was nicht in Serie geht, landet in unserer Wohnung. Manchmal greifen wir die Prototypen noch einmal auf und entwickeln sie weiter zum fertigen Produkt. Der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle. Denn es ist gut, die Dinge lange auszuprobieren und so herauszufinden, was noch verbessert werden muss.
Sie leben und arbeiten in Wien. Inwieweit beeinflusst die Stadt ihre Arbeit?
Nada Nasrallah: In Wien lässt man sich nicht allzu sehr unter Druck setzen. Man geht gemütlich ins Café und fährt hinaus zum Heurigen. Das ist ein gutes Beispiel in der schnellen Zeit. Wir haben zuvor in Paris und Mailand gelebt und wollten danach nur für einen kurzen Moment nach Wien, weil wir dort studiert haben. Doch dann sind wir in der Stadt geblieben, weil sie einen hohen Lebenswert hat. Sicher muss man immer wieder mal raus aus Wien, um sich den Input zu holen. Doch zum Denken und Arbeiten ist es eine wunderbare Stadt.
Christian Horner: In Wiener Altbauten mit 3,6 Meter Deckenhöhe plant es sich sicher anders als in einer Stadt wie Köln, wo viele Häuser aus den fünfziger Jahren stammen und deutlich kleiner sind. Ich denke, dass wir unsere Entwürfe unterbewusst auch immer eher im Altbau und weniger im Neubau denken. Schließlich haben wir selbst immer im Altbau gewohnt.
Nada Nasrallah: Das Interessante an Wien ist, dass man manchmal nicht weiß, ob etwas neu umgebaut ist, um im Trend zu liegen. Oder es ist der Originalzustand und wurde über all die Jahrzehnte nie verändert. Das ist der Beweis, dass für alles irgendwann wieder der richtige Moment kommt. In Wien wird man auf diesen großen Zusammenhang permanent hingewiesen.
Welche Adressen können Sie in Wien empfehlen?
Das Diglas ist ein altes Kaffeehaus in der Wollzeile, in das wir gerne gehen. Man kann dort sehr gut essen, genau wie früher. Ein klassisches Café ist das Sperl in der Gumpendorfer Straße. Nicht weit von dort ist das Phil, das einen internationalen Touch hat. Dann sind wir gerne am Naschmarkt und fahren häufig hinaus zum Heurigen wie den Vier Winzern in Mayer am Nussberg. Disco Volante ist eine sehr gute Pizzeria direkt vor unserem Haus. Auch das Café Prückel am Stubenring ist großartig.
Vielen Dank für das Gespräch!