Something Fantastic
Spaß statt Skrupel. Die Berliner Gestalter im Interview
Nicht nur der Name ist ungewöhnlich: Das 2010 von den drei Architekten Elena Schütz, Julian Schubert und Leonard Streich gegründete Gestaltungskollektiv Something Fantastic lässt sich kaum in eine Schublade einordnen – erst recht nicht in die der klassischen Architekturbüros. Ihr unbändiges Interesse an der Welt und ihr Glaube, eben diese verbessern zu können, wirken ansteckend. Ein Gespräch über Außenseitertum, das Verhindern schleichender Spezialisierung und warum das Kopieren von Dingen etwas Schönes sein kann.
Was ist eigentlich so fantastisch? Elena Schütz: Das ist für uns das Undefinierte und das Positive: Also einerseits zu wissen, dass etwas cool ist, ohne aber eine Ahnung zu haben, was es ist.
Julian Schubert: Für uns ist das „Fantastische“ auch genauso wichtig wie das „Etwas“. Something kann alles sein: etwas ganz Kleines wie auch etwas sehr Großes. Genau diese Spanne gefällt uns. Diese vage Idee von something fantastic!
ES: Wir hatten immer das Gefühl, dass wir uns mit den ernsthaften und den schwierigen Dingen beschäftigen wollen, ohne dabei zu verbittern. Wir wollen auch keine Kritiker sein, im Gegenteil, wir wollen Dinge schaffen, die etwas Positives und Schönes hervorbringen.
Wann wurde euch bewusst, dass ihr nicht dem klassischen Architekten-Weg folgen werdet? JS: Von Anfang an! Das hat sich für uns gar nicht als Option dargestellt. Wir haben 2008 angefangen über unseren Weg als Architekten nachzudenken, das war die Zeit der großen Finanzkrise. Alles, das ganze System, wurde damals hinterfragt. Das war beeindruckend, weil auf einmal alle realisierten, dass es so nicht weitergehen kann. Und uns wurde klar, dass wir in naher Zukunft nicht irgendein schönes Museum mit tollen Räumen bauen würden. Es war völlig offensichtlich, dass wir etwas von Relevanz machen wollten und nicht einfach so weitermachen konnten. Also mussten wir offen für Neues sein.
ES: In der Praxis hat sich dann für uns herausgestellt, dass es uns wichtig ist, verschiedene Sachen zu machen. Dadurch wird man natürlich nicht zum Experten und man ist immer wieder aufs Neue der Außenseiter, der keine Ahnung hat. Aber wir mögen dieses Arbeiten im Ungewissen, das Vermischen von Dingen. Wir wollen uns nicht auf ein Medium, eine Aufgabenstellung oder einen Maßstab reduzieren lassen. Das ist mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil unserer Praxis.
Also das Gegenteil eines Universalgenies, als die sich Architekten früher sahen! ES: Ja. Anstelle, dass man Experte in allem ist, gehen wir davon aus, dass man von den meisten Sachen nicht viel weiß und ständig neu ausprobieren muss.
JS: Wir versuchen immer wieder, die „schleichende Spezialisierung“ zu vermeiden. Die Diversifikation erlaubt uns auch, relativ unabhängig in jedem Projekt das für das Projekt Beste vorzuschlagen, weil wir ja immer auch ein anderes Standbein haben.
Ist das schwierig, sich im Unbestimmten zu bewegen? JS: Für uns irgendwie nicht. Wir sind froh darüber, dass wir kein klassisches Planungsbüro sind, das wir managen müssen. Wir arbeiten in einer relativ offenen Struktur und genießen die daraus resultierenden Freiräume. Es gibt so viele Wahrheiten hinter der Idee Architekt zu sein, aber gleichzeitig auch so viele Zwänge und Paragrafen, von denen wir uns nicht treiben lassen wollen.
Seht ihr euch als Gestalter, Designer oder als Architekten? JS: Ich mag auf jeden Fall den Begriff des „Gestalters“. Ein Designer macht Sachen, die seine Handschrift tragen sollen und hat immer diesen Designimpuls. Über die Frage können wir auf jeden Fall noch ein wenig nachdenken (lacht).
Wie werdet ihr denn von außen wahrgenommen? ES: Wir wollen nicht in irgendeine Schublade gesteckt werden: Dadurch sind wir für manche Leute nicht so leicht greifbar. Aber das ist eine bewusste Entscheidung und steht vielleicht auch für die Unterschiede zwischen uns dreien.
JS: Wir kommunizieren unsere Arbeit auch nicht wirklich, vor allem nicht das Ungebaute. Andere verfahren da anders: Die zeigen ständig, wie sie die Welt mit ihrer Architektur verändern würden. Aber wir machen ja viele Sachen, nur bauen wir nicht.
Das zeigt ihr auch in der Ausstellung Do Things, die ihr gerade vorbereitet. JS: Ja, es geht aus unserer Sicht eben nicht darum, sich eine schönere Welt auszudenken, sondern darum, tatsächlich schönere Sachen zu machen. Man muss etwas machen! Dass wir uns alle in der Theorie eine schönere Welt vorstellen können, wissen wir. Wir kommen aus einer Generation, deren Eltern zum größten Teil politisch aktiv waren und sich zum Beispiel für eine bessere Umwelt eingesetzt haben: Das tun wir auch, aber es ist kein Kampf mehr, den wir führen. Wir führen keine inneren, ideologischen Gefechte mehr. Wir wollen Dinge einfach unmittelbar verändern!
Und was wird man in eurer Ausstellung sehen? JS: Die Ausstellung ist ein bisschen wie eine Werkschau, nur dass wir nicht nur zeigen, was wir so machen, sondern auch zeigen, wo das herkommt. Unser Referenzenkosmos ist relativ zufällig bestimmt und entspringt nicht diesem klassischen Gestalterkanon. Wir arbeiten wenig mit klassischen Referenzen – vielleicht weil wir nicht bauen. Aber in den Bereichen in denen wir zurzeit tätig sind – im Ausstellungs- und Büchermachen, der Szenographie oder Art Direktion – verfügen wir über keinen akademischen Background und können daher auch nicht mit klassischen Referenzen aufwarten. Wir glauben, dass das von vielen Leuten als „frisch“ wahrgenommen wird, weil es nicht so akademisch wirkt. Es ist Gestaltung von etwas, das sowieso gestaltet werden muss.
ES: Wir haben sehr wenig Skrupel davor, Dinge zu kopieren und dann für unsere Arbeit zu benutzen. Darum geht es auch in der Ausstellung: Oft passieren Sachen gleichzeitig oder es ist unklar, woher die Dinge kommen, was ihre Ursache oder Folge ist. Und selbst wenn man versucht, etwas 1:1 zu kopieren, wird es vielleicht ähnlich, aber am Ende bleibt doch immer ein kleiner Unterschied. Aber das Kopieren oder Verarbeiten, wie wir es nennen, ist für uns eine total schöne und legitime Arbeitsweise. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Vorhang, den wir in Kairo an einem Balkon gesehen haben, von uns in einer Ausstellung bei Vitra platziert wird.
Vielleicht werdet ihr auch bereits kopiert? ES: Das würde uns sehr freuen. Sachen zu machen, die als Kopiervorlage dienen könnten, ist eigentlich das Erstrebenswerteste.
Wie würdet ihr denn die Arbeit an dem deutschen Pavillon und das Ergebnis nun, ein Jahr später, beschreiben? JS: Uns ist enorm wichtig, dass uns die Arbeit Spaß macht. Und der Pavillon hat unglaublich viel Spaß gemacht! Wir wollen uns nicht zur Arbeit quälen und danach eine tolle Freizeit genießen.
ES: Für uns ist das Projekt mittlerweile auch schon lange abgeschlossen. Und wenn ein Projekt fertig ist, kommt das nächste! In diesem Fall haben wir das Thema des Pavillons – Making Heimat – noch in dem Postgraduiertenkurs an der ETH Zürich, den wir lehren, weiterbehandelt. Seit letztem Herbst ist Europa, Migration, und das Un-etabliert-sein unser Fokus, und Inclusive Urbanism unsere Agenda.
Ihr arbeitet viel mit Fotos: Welche Rolle spielt für euch das Sammeln? ES: Wir sammeln ständig Bilder, ohne zu wissen, was wir mit ihnen machen werden. Es kursieren auch immer Bilder unter uns dreien, die einer oder mehrere von uns interessant oder cool finden. Wofür wir die Bilder benutzen werden, ist meistens völlig unklar. Aber bei irgendeiner Gelegenheit tauchen die Fotos dann wieder auf.
Archiviert ihr die Bilder auf eine besondere Weise? JS: Nein, die sind nur als Anhang einer E-Mail vorhanden. In dem Betreff steht dann „Archiv“ oder „Zitat“ und eine Art Titel. Das ist nicht besonders professionell, funktioniert aber ganz gut.
Würdet ihr eigentlich gerne mal etwas bauen? JS: Ja, aber sicher nicht als ausführendes Planungsbüro.
Warum? JS: Wir haben extremen Respekt vor der ökonomischen Verantwortung eines Architekturbüros. Das ist wahnsinnig kostenintensiv und man muss ständig neue Projekte akquirieren, um den Betrieb am Laufen zu halten. Dazu kommen noch die ganzen Rahmenwerke und Industriestandards. Das ist aus unserer Sicht nicht zukunftsfähig, weil überhaupt kein Raum für Innovation bleibt! Diesen Raum würde das Bauwesen dringend benötigen.
Wie sieht die Zukunft für euch aus? JS: Eines unserer neuesten Projekte ist ein Verlag, den wir vor einer Woche gegründet haben: Replica Books. Wir legen Bücher neu auf, deren Rechte ausgelaufen sind, und bei denen wir es schade fänden, wenn sie nicht mehr erhältlich wären. Das erste Buch ist ein Fotoband über Orientteppiche. Mit dem Verlag geht es nicht ums Geld verdienen. Es ist also ein Luxus, sowas zu machen, und wenn du nach Zukunft fragst, würden wir uns gerne auch in Zukunft solchen Luxus leisten. Gleichzeitig wünschen wir uns auch, dass wir nicht dem klassischen Muster mit den Projekten, die Geld bringen, und denen, die Geld verbrauchen, folgen müssen, sondern schöne, interessante, und deswegen nicht unlukrative Projekte machen können. Momentan sind wir in der Hinsicht ganz zufrieden, wir machen eigentlich überhaupt nichts, was uns nicht entweder Spaß, Erkenntnis, Wissen oder neue Erfahrung bringt.
Elena und Julian, vielen Dank für das Gespräch!