Stefan Waldenmaier: Krisenzeiten sind Küchenzeiten
Der Vorstandsvorsitzende von Leicht Küchen über Made in Germany und Blattgold in Russland.
Nach dem Besuch der Küchenmesse LivingKitchen bleibt der Eindruck: Die Küche boomt. Wir haben Stefan Waldenmaier, den Vorstandsvorsitzenden von Leicht Küchen und des Verbands der deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK), gefragt, ob das wirklich stimmt. Bei einem Espresso sprach er mit uns über Made in Germany, Blattgold in Russland und was die Italiener besser können.
Herr Waldenmaier, wie sieht die typische deutsche Küche aus?
Die typische deutsche Küche ist L-förmig und neun bis zehn Quadratmeter groß. Sie besteht in der Regel aus einem Hochschrank, in dem sich der Kühlschrank befindet. Die typische deutsche Küche hat fünf Unterschränke und drei bis vier Oberschränke.
Wie viel Geld gibt der Käufer in Deutschland für eine Küche aus?
Laut GfK [Gesellschaft für Konsumforschung; Anm. d. Red.] durchschnittlich zwischen 12.000 und 15.000 Euro – mit Geräten. Leicht Küchen liegt 30 bis 40 Prozent über dem Schnitt des Marktes. Der klassische Leicht-Kunde ist über 50 Jahre alt, gut situiert und hat Sinn für Qualität.
Stichwort Qualität. Wo produzieren Sie?
Ausschließlich in Deutschland. Wir haben in Waldstetten bei Stuttgart ein eigenes Montagewerk, ein Zulieferer produziert die Lack- und Holzoberflächen für uns.
Ist das Label Made in Germany eigentlich noch etwas wert?
Das Label ist wichtig, aber damit verkaufen wir nicht eine Küche mehr. Der deutsche Kunde neigt dazu, günstig zu kaufen. Und wenn die Ware nicht aus Deutschland kommt, dann kauft er sie trotzdem. Im Ausland hat Made in Germany noch immer einen gewissen Stellenwert. In Großbritannien, Asien oder Nordamerika setzt man auf deutsche Qualität.
Wo steht die deutsche Küchenmöbelindustrie im Verhältnis zur italienischen?
Generell hat die deutsche Küchenmöbelindustrie in den letzten zehn Jahren einen enormen Wandel vollzogen und gegenüber Italien aufgeholt – insbesondere, was das Design angeht. Die Verspieltheit mit Lichtleisten, Kranzprofilen und Rahmen, wie sie vor ein paar Jahren noch bei vielen deutschen Herstellern zu sehen war, ist vorbei. Die Italiener verstehen es aber glücklicherweise immer noch ganz gut, hin und wieder einen anderen Blick auf die Küche zu werfen. Nur ist der Abstand zu den Deutschen kleiner geworden. Wirtschaftlich ist die deutsche Küchenmöbelindustrie führend in Europa. In Italien gibt es viele Marken, die einen tollen Namen haben, aber wirtschaftlich kaum eine Rolle spielen. Der heimische Markt ist für die Italiener nahezu komplett zusammengebrochen, der für sie wichtige russische Markt bröckelt auch, und in den deutschen Markt bekommen sie keinen Fuß hinein – der ist extrem hart.
Schwarz scheint auch bei Küchenmöbeln auf dem Vormarsch zu sein. Ist das so?
[lacht] Eine Küche in hellen Tönen ist immer noch am beliebtesten. In den letzten drei Jahren war klassisches Weiß mit Warmanteil en vogue und auch Rosétöne. Wir haben vor etwa vier Jahren auch kaltes Weiß in unser Farbspektrum aufgenommen. Das läuft sehr gut, vor allem in Mattlack.
Dazu passt gut eine grifflose Front.
Ja, das stimmt. Rund ein Fünftel unserer in Deutschland verkauften Küchen sind grifflos.
Was halten Sie von Material- und Farbkombinationen?
Die sind sehr wichtig für uns. Wir bringen beispielsweise fast jedes Jahr eine neue Holzoberfläche auf den Markt, wobei wir das Holz selbst verarbeiten. Es bietet sich mit unseren Programmen zudem die Möglichkeit, mehr Räume als lediglich die Küche zu gestalten. Wir haben das gesamte Umfeld der Küche im Blick: Wandverkleidungen, Regale, Tische, Theken.
Sie weiten Ihr Sortiment also in den Wohnbereich aus.
Mit unseren standardmäßig verfügbaren Möbeln kann man sehr viel gestalten. Einer unserer Handelspartner hat zum Beispiel gerade zwei Projekte umgesetzt, bei denen das gesamte Haus mit Möbelelementen von Leicht ausgestattet ist: Sideboards im Wohnzimmer, begehbare Kleiderschränke, Kinderzimmermöbel. Aus dem Design der Küche ist die Gestaltung des gesamten Hauses entstanden.
Die klassische Möbelindustrie wird darüber nicht begeistert sein.
Das stimmt, und die Elektrogeräteindustrie ist es auch nicht. Wir haben vor Jahren beispielsweise Schränke mit Einschubtüren entwickelt, hinter denen alle Elektrogeräte verschwinden. Grundsätzlich ist es aber so, dass der Kunde vermehrt bei den Möbeln spart und mehr Geld für die Elektrogeräte ausgibt.
Apropos Material. Bei Ihnen gibt es jetzt auch Fronten aus Beton. Wie geht das?
Mit Beton assoziiert man ja gemeinhin zweierlei: eine rohe, schwere und monolithische Welt, in der Beton vor allem als konstruktives Element eingesetzt wird. Andererseits Beton als feiner Werkstoff mit einer angenehmen Optik und Haptik – so wie bei unserem neuen Programm Concrete. Die Oberflächen für die Fronten werden aufwändig aus feinporigem Beton und Kunstharz gefertigt, wobei das Material Beton sehr leicht wirkt.
Welche Märkte sind wichtig für Leicht?
Deutschland ist mit 45 Prozent als Einzelmarkt für uns am wichtigsten – gefolgt von den Märkten in Europa, Asien und Nordamerika.
Viele Märkte sind extrem gesättigt. Wo sehen Sie Potenzial?
Für uns ist der asiatische Markt ein Schwerpunktmarkt, neben Nordamerika und Osteuropa, trotz der aktuellen Krise.
Gibt es spezielle Produkte für bestimmte Märkte?
Im Prinzip nicht, aber es gibt für den russischen Markt Goldoberflächen. Dabei wird Blattgold von Hand aufgetragen. Das darauf abgestimmte Küchenprogramm heißt Versailles de luxe und hat mit starken Kranzprofilen, Rahmenfronten und kräftigen Pilastern eine insgesamt sehr opulente Optik. Damit machen wir in Russland gute Umsätze, wobei unser Markenkern aber die architektonische, geradlinige Küche ist.
Die Zukunft der Küche?
Die Zinsen sind seit Jahren niedrig, weshalb viele Menschen ihr Geld lieber ausgeben. Sie wollen es verwandeln in etwas Wertbeständiges. Krisenzeiten sind Küchenzeiten.
Vielen Dank für das Gespräch.