Stefan Zwicky
Ein Gespräch mit dem Gründer der Möbelschau neue räume.
Geht es um gutes Design, werfen wir gerne einen Blick zu unseren Nachbarn in die Schweiz. Zur Ausstellung neue räume in Zürich zeigen Schweizer und internationale Hersteller aktuelle Trends und Produkte aus Innenausstattung und Design, die nächste Ausgabe beginnt kommende Woche Mittwoch, 18. November. Gegründet hat die Schau 2001 Kurator Stefan Zwicky. Wir haben Zwicky in Zürich getroffen und mit ihm über die Highlights der aktuellen Ausstellung, über Schweizer Design und den Stellenwert der Wohnkultur gesprochen.
Du bist Architekt, Innenarchitekt und Designer. In welchem Bereich siehst du dich am ehesten?
Für mich gibt es da keine Grenzen. Mich haben immer schon Leute interessiert, die diese Disziplinen mischen. Einen Einfluss hatten natürlich auch meine verschiedenen Arbeitgeber. Ich habe fünf Jahre für die Zürcher Robert und Trix Haussmann gearbeitet. In der Zeit haben wir die Galleria an den Großen Bleichen in Hamburg gebaut, Keramikplatten designt, Möbel entworfen, einen Messestand gemacht oder auch die Innenausstattung für die Da Capo-Bar in Zürich.
Im Jahr 2001 hast du neue räume in Zürich gegründet, wie kam es dazu?
Ein Grund war sicherlich das Ende der Schweizer Möbelmesse in Bern Ende der neunziger Jahre. Ich war damals freier Mitarbeiter bei Alfred Hablützel, der als Fotograf, Designberater und Grafiker tätig war und Werbung für Möbelfirmen machte. Alle dreidimensionalen Arbeiten entwickelte er mit mir, und gemeinsam machten wir für diese Messe Sonderschauen. Als es die Möbelmesse plötzlich nicht mehr gab, entstand ein Vakuum, da den Firmen ein Forum fehlte. Wir überlegten daher, ob es nicht die Möglichkeit gäbe, etwas ähnliches im kleinen Rahmen zu machen. 2001 ging es dann das erste Mal los. Die Veranstaltung findet seither alle zwei Jahre statt. Ein jährlicher Rhythmus wäre auch interessant, aber in der Möbelbranche ist es ja nicht wie in der Mode, wo ständig Neues entsteht.
Das diesjährige Thema lautet „Meuble – Immeuble“. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt auf Wunsch der Aussteller beim Thema Immobilie. neue räume und damit die Einrichter suchen hier die Nähe zu den Immobilienfirmen, den Investoren und Generalplanern. Im Französischen funktioniert dieses Wortspiel mit Möbel und Immobilie etwas besser als im Deutschen, daher „Meuble – Immeuble“. Es wird in diesem Rahmen vier Sonderschauen geben, zwei größere zu Arealentwicklungen und zwei kleinere von Gestalterschulen.
neue räume nennt sich Ausstellung und nicht Messe, warum?
Das ist bewusst so gewählt. Das heißt, es kann nicht jeder kommen und ausstellen, was er möchte. Wir wählen aus. Die Ausstellung ist als Gesamtauftritt zu verstehen. Das ganze ist sehr demokratisch, wir organisieren die einheitliche Beschriftung, die Beleuchtung, den Boden und die Raumtrenner, die Hersteller müssen nur die Möbel mitbringen. Das ist natürlich die Antithese zum Marketing. Es geht um den Auftritt mit den Möbeln und nicht um den Auftritt mit dem Auftritt. Das versuchen wir zu brechen, sodass man wirklich Produkt mit Produkt vergleichen kann. Es ist wie ein riesiger Showroom. Wir sind der Durchlauferhitzer für den Fachhandel. Was man hier sieht, soll auch im Fachhandel zu finden sein. Die Ausstellung ist ein Motor, damit die Wirtschaft mehr in Gang kommt.
Welche Intention steht hinter der Ausstellung?
Dahinter steht die Frage, was das Sprachrohr der Wohnkultur ist, denn für dieses Thema gibt es keine öffentliche Förderung. Es gibt sie für die Kunst, die Fotografie, das Theater oder den Film, nicht aber für die Wohnkultur. Für die Kulturverantwortlichen der Stadt Zürich ist Wohnkultur Kommerz, dafür soll also die Industrie zahlen. Aber ich frage mich wieso? Hinter der Kunst steht ja auch ein Riesen-Business, trotzdem wird sie gefördert. Wieso nicht die Wohnkultur? Jeder Mensch wohnt ja und ist von Möbeln umgeben. Da gibt es ein Fehldenken, daran müssen wir noch arbeiten. Wenn wir so etwas wie neue räume machen, haben wir ein bisschen mehr Gewicht als der einzelne allein, vielleicht gelingt es uns so, in Zukunft etwas zu bewirken.
Du sprichst von der Bedeutung der Wohnkultur. Vor einem Jahr zeigte das Museum für Gestaltung Zürich die Ausstellung 100 Jahre Schweizer Design. Was ist das besondere am Schweizer Design?
Die Schweiz hat, was das Wohnen und das Design betrifft, eine lange Tradition. Wir hatten nie ein imperiales System, wir mussten nie einem König nachleben. Die meisten Leute orientieren sich ja immer nach oben, das gab es hier nicht. Für Neuheiten, das neue Möbel, die gute Form waren wir hier offener. Ich denke, der Erfolg von sehr schlichten Möbeln wie beispielsweise von Le Corbusier war hier möglich, da es das Verständnis dafür gab. Natürlich hat das auch mit den Schulen zu tun. Man hat es früh geschafft, sehr gute Professoren zu holen, daher gab es einen guten Humus für die Entwicklung. Deutschland wiederum hatte einen Einbruch mit dem Dritten Reich, als das Bauhaus geschlossen werden musste. Diesen Einschnitt gab es hier nicht, vielmehr kamen durch ihn einige gute Leute zu uns in die Schweiz.
In welcher Form fördert neue räume den Designernachwuchs?
Wir möchten als eine Art Sprungbrett für Jungdesigner fungieren, daher bieten wir ihnen im Bereich Young Labels die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Oft sind dies noch weniger bekannte Designer, die nicht mit einem Hersteller zusammenarbeiten, sondern noch selbst Hand anlegen. Für die jungen Designer ist es heute ja sehr schwer. Die Schweiz ist kein Industrieland, und wir befinden uns auf einem Verdrängungsmarkt. Man muss etwas entwickeln, das noch besser ist als der Markt. Es reicht nicht mehr, nur ein neues Förmchen zu erfinden, da braucht es viel mehr. Ein Hersteller überlegt sich heute zwei Mal, ob er ein neues Produkt produziert, denn Produkte entwickeln ist aufwändig und kostenintensiv. Nicht nur der Designer, der dabei im übrigen nicht viel verdient, kostet, sondern die ganze Produktion. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass es heute eine Tendenz bei den Jungen gibt, es einfach mal selbst mit einer Querfinanzierung, ohne Hersteller zu probieren.
Worauf freust du dich bei der diesjährigen Ausstellung am meisten?
Besonders gespannt bin ich auf die beiden Sonderschauen, die sich mit zwei aktuellen, großen Bauprojekten auseinandersetzen. Für ein Baufeld in Emmen bei Luzern hat das holländische Architekturbüro MVRDV eine interessante Typologie entwickelt. Die Bebauung setzt sich aus einer Reihe kleiner Feldhäuser von 120 Quadratmetern mit kleinen Höfen und Gassen zusammen. Eines dieser Häuser wird im Maßstab 1:1 mit Innenausbauten während der Ausstellung zu besichtigen sein. In der zweiten Sonderschau geht es um die Frage, wie Atmosphäre im Wohnungsbau entsteht. Also nicht in der schönen Villa am Zürichsee, sondern in den großen Wohnbauprojekten. Auf dem Zwicky-Areal in der Nähe von Zürich entstehen gerade auf sieben Baufelder verschiedene Wohnformen. Diese Mischnutzungen wird an Hand von Modellen, Materialmustern und Raumperspektiven vorgestellt und in Podiumsgesprächen mit den Architekten und Investoren diskutiert.
Wie sieht die Zukunft von neue räume aus?
Der Wunsch wäre, eine Zürich Design Week zu etablieren, also neue räume mit anderen Zürcher Veranstaltungen zu bündeln. Damit würde es zu einer Art Festival, und wir hätten mehr Gewicht. Dies geht aber nur, wenn noch weitere Disziplinen wie Mode und Schmuck hinzukommen. Momentan sind wir noch zu wenig wichtig. Design aber kommt überall vor. Wir sind umgeben von Design.
Vielen Dank für das Gespräch.