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Studio Job

Der Gründer von Studio Job über Fast-Food-Möbel und Bananen-Leuchten

von Norman Kietzmann, 20.02.2018

Braver Minimalismus oder anbiederndes Retro kommt den Gründern Job Smeets und Nynke Tynagel nicht in den Sinn. Stattdessen wandelt das Duo in den Gefilden des Pop und bringt eine erfrischende Leichtigkeit in die Gestaltung von Möbeln, Leuchten und Objekten ein. Lag der Fokus in den Anfangsjahren auf limitierten Designeditionen, übertragen die beiden ihre Ideen zurzeit immer stärker auf die Serie.

Job Smeets, für Seletti haben Sie eine Kollektion entworfen, die Sessel in Hamburger-Form und Sofas in Gestalt von Hotdogs umfasst. Der passende Teppich sieht aus wie ein Spiegelei. Worum geht es hierbei? Es ist natürlich eine Antwort auf all die Polstermöbel, die wir derzeit sehen. Das Design ist in den letzten Jahren so langweilig geworden. Keiner traut sich mehr etwas. Alle machen dasselbe. Und noch viel schlimmer: Sie machen es mit einer fürchterlichen Ernsthaftigkeit. Unser Ansatz ist viel stärker an Pop orientiert. Wir wollen keine minimalistisch-modern-humorlosen Dinge entwerfen. Design muss Spaß machen.

Doch warum Möbel in Fast-Food-Form? Weil es so einfach und so offensichtlich ist. Ich habe noch nie zuvor einen Sessel gesehen, der wie ein Hamburger aussieht. Natürlich steckt auch eine Persiflage auf die USA dahinter. Doch wie gesagt: Was uns stört, ist diese Ernsthaftigkeit. Alle Designer wollen heute eine Trennung zwischen Kultur und Produkt vollziehen. Doch dafür sehen wir keinen Grund. Die Fast-Food-Möbel sind Fun. Serious fun.

Ein Witz für den Moment? Keineswegs. Es ist spannend, darüber nachzudenken, was mit ihnen in 20 Jahren passiert. Ich mag die Idee, dass aus ihnen Sammlerobjekte werden können: genau wie die Möbelskulpturen von Allen Jones. Sein Sessel in Form einer knienden Frauenfigur wurde ja auch schon in Kunstmuseen gezeigt. Die Fast-Food-Möbel sind ebenso eine Verbeugung vor seinem Werk.

Für Aufsehen haben Sie auch mit den Banana Lamps von Seletti gesorgt. Genau dieselben Leuchten haben Sie wenige Monate zuvor als limitierte Editionen für die Designgalerie Carpenters Workshop gezeigt – in Bronze –, und nicht wie jetzt in Kunststoff. Was hat es mit diesem materiellen Downgrading auf sich? Schauen Sie auf die Mode, wo es Haute Couture und Prêt-à-porter gibt. Bei diesen Leuchten ist es genau dasselbe. Die Bronzeversion ist auf zehn Stück limitiert und kostet 20.000 Euro. Die Kunststoffausführung liegt bei 250 Euro und ist unlimitiert. Ihre Formen sind absolut identisch. Der Unterschied liegt nur im Material und in der Verarbeitung. Damit es keine Abweichungen gibt, haben wir die Bronzeoriginale in 3-D gescannt und so die Spritzgussformen für den Kunststoff angefertigt. Interessanterweise ist der Prozess sehr ähnlich. Ob man Bronze gießt oder Kunststoff spritzt, ist technisch gesehen fast dasselbe.

Sie fahren also zweigleisig? Ja, das ist ein interessanter Ansatz, den wir gerne mit anderen Objekten fortsetzen möchten. Wir machen eine Skulptur und verkaufen sie für viel Geld in kleiner Auflage. Und dann machen wir ein günstiges Produkt für die Serie, das sich jeder leisten kann. Ich möchte einmal eine Ausstellung machen, in der wir die Bronze- und Kunststoffarbeiten direkt nebeneinander zeigen. Haute Couture, Prêt-à-porter, High Design, Low Design – alles zusammen. Auf ganz direkte Weise.

Warum machen Sie den Schritt in die Serie? Haben Sie den Sammlerzirkus satt? Wir lieben die Skulpturen und werden sie immer machen. Das ist die Essenz von Studio Job. Aber wir möchten auch mehr in das Designbusiness eintauchen. Vielleicht waren wir an dieser Stelle anfangs noch etwas zögerlich. Wir mussten uns in unserer Designsprache erst souverän genug fühlen, um mit wirklichen Serienprodukten anzufangen. Vor zwei Jahren haben wir unsere ersten Outdoormöbel gezeigt. In diesem (2017, Anm. d. Red.) haben wir schon über 50 Produkte vorgestellt. Das ist wirklich fantastisch.

Warum so produktiv? Der Grund dafür ist, dass wir die richtigen Produzenten gefunden haben. In Italien gibt es eine kleine Zahl von Firmen, die einen anderen Ansatz verfolgen, als endlose Tabellen mit Verkaufszahlen auszuwerten. Sie sind offen für die Spaßseite des Designs. Seletti und Gufram zum Beispiel sind eine Gruppe von Freunden, die sich nicht als Konkurrenten sehen. Sie kooperieren miteinander und versuchen nicht, die Kunden des anderen zu klauen.

Ein Grund ist natürlich, dass sie es sich leisten können. Beide Marken wurden in den Sechzigern gegründet und werden heute von den Kindern der Gründer geleitet. Sie könnten sich auch auf ihrem Geld ausruhen, auf die Bahamas fahren und für immer dort bleiben. Doch sie haben sich entschieden, Möbel und Objekte zu machen, die diese langweilige Branche aufrütteln. Darum liebe ich das.

Kehren Pop und Ironie ins Design zurück? Ich denke, dass hier wirklich etwas passiert. Wenn es wieder in eine neue postmoderne Ära mündet, gefiele mir das sehr. Produkte müssen eine Botschaft haben. Ob sie mit der Sammlerwelt oder der breiten Massenproduktion verbunden sind, ist im Grunde vollkommen egal. Es geht um Dinge, die extrem sind, die einen glücklich machen und die man bei sich zu Hause haben möchte. Das letzte wirklich coole Sofa ist das Lippen-Sofa von Gufram (La Bocca von Studio 65 aus dem Jahr 1970, Anm. d. Red.). Der Rest ist nur Dreck. Es ist höchste Zeit, dass wieder etwas Spannendes entsteht.

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Links

Seletti

www.seletti.it

Gufram

www.gufram.it

DEAR Magazin

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