Terri Pecora
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Terri Pecora analysiert gerne – und darin liegt ihr großes Gespür für zweckmäßige Entwürfe begründet. Geboren 1958 in Südkalifornien, studiert sie zunächst Mode-Illustration am Art College of Design in Pasadena. Ihr Interesse an der Design-Bewegung Memphis lässt sie 1988 nach Mailand ziehen, wo sie einen Master in Produktdesign an der Domus Academy absolviert und 1991 ihr eigenes Studio gründet. Seitdem entwickelt sie Möbel und Accessoires für Unternehmen wie Edra, Montblanc, Swatch oder Persol bis hin zu Marketingstrategien für den Keramikhersteller Simas oder die Schmuckfirma Marco Bicego. Wir trafen Terri Pecora in ihrem Studio in Mailand und sprachen mit ihr über Los Angeles in den 1980er Jahren, die Herausforderung ökonomischer Sanitärkollektionen und über die diesjährige Ausgabe der Möbelmesse Salone del Mobile, die nächste Woche in Mailand stattfindet.
Frau Pecora, Sie kommen aus Kalifornien und leben seit über 20 Jahren in Mailand. Was bewegte Sie damals zum Umzug nach Italien?
In den 1980er Jahren gab es in Los Angeles eine sogenannte „Art-Furniture“-Bewegung, inspiriert von Memphis. Zu jener Zeit beauftragte Doug Tompkins, der Gründer des Modelabels Esprit, bedeutende Architekten wie Michael Graves, Ettore Sottsass oder Michele de Lucchi, seine Läden zu gestalten. Kunstgalerien begannen, „Art Furniture“ auszustellen. Es herrschte ein italienischer Moment in Kalifornien – und auch ich war Teil dieser Bewegung. Ich brachte mir selbst bei, Objekte anzufertigen, und eines dieser Objekte, der Stuhl „Angel“, wurde von einem meiner Bekannten entdeckt. Er stellte den Kontakt zu der italienischen Möbelfirma Bieffeplast her, die es heute leider nicht mehr gibt. Bieffeplast hatte sich mit dem Rollcontainer „Boby“ von Joe Colombo einen Namen gemacht und arbeitete damals viel mit den Memphis-Gestaltern zusammen. Ich schickte dem Unternehmen also meine Zeichnungen, sie produzierten den Stuhl und gaben mir einen erstklassigen Vertrag – und ich fuhr nach Mailand, um das Produkt auf der Möbelmesse zu sehen.
… und so sind Sie geblieben?
Nicht ganz. Ich versuchte, eine Arbeit zu finden, fand aber keine. Schließlich war ich Autodidakt und konnte noch nicht besonders viel (lacht). So entschied ich mich, einen Master-Kurs an der Domus Academy in Mailand zu absolvieren. Während des Studiums arbeitete ich an weiteren Projekten, zuerst für Bieffeplast und später auch für andere Unternehmen wie zum Beispiel für Massimo Morozzi. Nach dem Studium war ich kurz für Daniela Pupa tätig – das war mein erster und einzig richtiger Job – habe mich dann aber schnell selbstständig gemacht.
Sie gründeten 1991 Ihr eigenes Studio und haben sich sehr schnell auf den Badbereich spezialisiert.
In den ersten Jahren habe ich an vielen sehr unterschiedlichen Projekten gearbeitet. Ich habe Möbel entworfen, mich aber auch viel mit dem Material Glas auseinandergesetzt. 1995 kontaktierte mich dann der Sanitärhersteller Simas, um ein Projekt für das Badezimmer zu gestalten. Wenige Jahre später baten sie mich, die Artdirektion der Firma zu übernehmen. In der Zwischenzeit hatte ich meine Tochter bekommen und suchte auch nach einem sicheren Einkommen. So begann ich, mich auf die Zusammenarbeit mit wenigen, dafür festen Kunden zu konzentrieren. Ein weiteres Unternehmen, für das ich damals auch die Artdirektion übernahm, war die Schmuckfirma Marco Bicego. Heute arbeite ich mit beiden Unternehmen schon über zehn Jahre zusammen, und habe alles gemacht: Produktdesign, Messestände, Werbung, Kataloge, Grafik sowie Marketingstrategien.
Zu einem Ihrer aktuellen Entwürfen gehört die Sanitärlinie „E-line“ für Simas. Was hat es damit auf sich?
„E-line“ ist eine sehr ökonomische Kollektion. Sie gehört zu den Projekten, die mich auch besonders herausgefordert haben. Simas wollte ein kostengünstiges Waschbecken entwickeln, das eine Form wie jedes normale Waschbecken besitzt. So stellte sich mir die Frage, was ich verbessern oder wie ich es zu etwas Besonderem machen konnte. Es war eine Detailarbeit, in der es vor allem um Optimierung ging – mit dem Resultat einer kleinen Einfassung am Waschbeckenrand.
Ist das Badezimmer ein besonders reizvolles Thema für Sie?
Der Badezimmersektor ist für mich wie jeder andere Interiorbereich. Ich arbeite wirklich gerne in allen Bereichen. Da ich so viel für das Badezimmer entworfen habe, bin ich wohl auch besonders gut darin. Ich kann mich noch an das erste Mal erinnern, als ich ein Waschbecken gestaltet habe. Damals gab es noch keine Renderings, und wir mussten uns alles im Kopf ausdenken und Modelle bauen. Heute ist das natürlich ganz anders.
In den letzten Jahren erhielt das Thema Bad im Designbereich immer mehr Aufmerksamkeit. Inwieweit hat sich die Bedeutung des Badezimmers verändert?
In den letzten Jahren hat eine große Veränderung stattgefunden. Das sieht man allein schon an der Presse. Heute widmen Wohn- und Designmagazine dem Badezimmer gleich mehrere Seiten. Das bedeutet natürlich auch, dass sich die Menschen mehr mit dem Thema auseinandersetzen und die Nachfrage zugenommen hat. Badezimmer sind größer geworden und haben einen höheren Stellenwert erreicht. Schließlich verbringen wir viel Zeit in diesem Raum, und deswegen sollte er auch schön gestaltet sein. Selbst das Zähneputzen sollte in einer angenehmen Umgebung stattfinden; oder das Lackieren der Nägel. Warum soll ich das nicht im Bad machen? Zum Beispiel auf einem schönen Sessel, auf den ich mich setzen kann. Ja, definitiv hat sich das Badezimmer – und die Beutung der Entspannung im Allgemeinen – verändert.
Wo finden Sie Ihre Inspirationen? Gibt es eine typische Vorgehensweise, die Ihren Entwurfsprozess bestimmt?
Ich glaube, ich hatte noch nie das Problem, eine Idee zu finden. Mein Problem ist eher, dass ich zu viele habe. Entweder bekomme ich eine Vorgabe, wie beispielsweise bei „E-line“. In dem Fall versuche ich mein Bestes zu geben – das, was das Unternehmen braucht, was es verkaufen kann und was es wettbewerbsfähig macht. Oder das Unternehmen weiß gar nicht recht, was es will. Dann muss ich mit einer Analyse anfangen. Das ist auch das, was ich am Design mag: Einerseits ist es sehr kreativ, und andererseits muss ich mit einer Reihe von Richtlinien arbeiten und Analysen erstellen. Wo soll ich auch sonst anfangen? Ich muss entscheiden, für welchen Markt das Produkt gedacht ist, und wenn ich das erst einmal entschieden habe, schaue ich mich um, was es dort schon gibt – und erfinde etwas Neues.
Das Spektrum Ihrer Projekte ist weit gefächert. Würden Sie dennoch sagen, dass es einen bestimmten „Terri-Pecora-Stil“ gibt?
Der gemeinsame Nenner ist immer derselbe. Er basiert auf dem Konzept der Reduktion. Die Idee muss pur sein und natürlich originell. Das ist nicht immer einfach, insbesondere bei Projekten wie der „E-line“.
Am 14. April beginnt die Mailänder Möbelmesse. Wie werden Sie dort vertreten sein?
Auf dem Salone haben wir verschiedene Projekte. Simas präsentiert sich beispielsweise auf der Messe mit einem Stand, den wir gestaltet haben. Es ist ein Entwurf, den wir schon im Herbst für die Präsentation von „E-line“ auf der Badmesse Cersaie in Bologna verwendeten und der einen Preis gewonnen hat. Wir haben ihn nun für Mailand adaptiert. Er basiert auf dem von uns entworfenen Kommunikationskonzept der Kollektion, das sehr geradlinig und reduziert ist. So haben wir uns bei der Gestaltung des Messestands auf zwei sehr schlichte Materialien beschränkt, nämlich Zement und Sperrholz. Sie passen sehr gut zur Kollektion, aber auch zum aktuellen Thema: zurück zu den Wurzeln, den Gürtel enger schnallen, Ökonomie, Simplizität – Dinge, die auch das Konzept der Linie ausmachen. Außerdem wird Simas als einziger Sanitärhersteller auch in einer Ausstellung über italienische Fliesen in der Triennale zu sehen sein. Die Ausstellung orientiert sich an der Kindheit. Wir haben ein riesiges Bad entworfen – im wortwörtlichen Sinn –, so dass Erwachsene erleben können, wie sich ein Kind in einem Badezimmer fühlt. „E-line“ wird in ihrem normalen Maßstab gezeigt und alles drum herum wird enorm sein – als wäre die Linie eine Kollektion für Kinder.
Vielen Dank für das Gespräch.
Links
Terri Pecora
www.terripecora.netMehr Menschen
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