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Tobias Grau 1

von Katja Neumann, 18.04.2008


Tobias Grau ist heute einer der erfolgreichsten deutschen Leuchtendesigner und -hersteller. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft in München ging er 1983 nach New York an die Parson School of Design mit anschließendem Praktikum in der Entwicklungsabteilung von Knoll International in Pennsylvania. 1984 begann Tobias Grau als selbständiger Designer in Hamburg mit innenarchitektonischen Arbeiten für Büros von Agenturen sowie kleineren Firmen und von Modegeschäften, wofür er auch eigene Entwürfe realisierte. Aus dieser Arbeit entwickelte Tobias Grau die erste Leuchtenkollektion, die 1987 unter eigenem Namen vorgestellt wurde. Seitdem gestaltet der Designer zahlreiche und vielfach ausgezeichnete Leuchtenobjekte, von denen einige bereits zu modernen Klassikern geworden sind, wie „Tai“, „Bill“, „George“ oder „Soon“. Neben Leuchten für den Wohnbereich stellte Tobias Grau 2002 auch Leuchten für den Projektbereich, insbesondere für die Bürobeleuchtung vor. Aktuell wurde auf der diesjährigen Light + Building erstmals das neue Schalterprogramm „Plug & Dim“ präsentiert. Designlines sprach mit Tobias Grau über den Designprozess, die Chancen neuer Technologien sowie Herz- und Kopfsachen.


Herr Grau, gestalten Sie alle Produkte eigentlich immer noch selbst?


Ja. Allerdings muss man sagen, dass es von der ersten Entwurfs-Skizze bis zum fertigen Produkt mindestens ein Jahr Arbeit ist. Entwurf und Produkt müssen ja noch mal überarbeitet werden und das mache ich natürlich nicht allein, sondern mit einem Team von sechs Mitarbeitern. Natürlich ist dabei auch technisch viel zu entwickeln. Aber der Findungsprozess, der gestalterische erste Ansatz, ist von mir.
Woher nehmen Sie Ihre Ideen?
Man treibt immer von Thema zu Thema. Irgendwann habe ich angefangen und es läuft immer weiter, wobei sich die Themen natürlich immer ändern. Im Kopf arbeite ich immer an zwei, drei, manchmal auch fünf oder sechs Ideen. Schwierig ist es, diese grundsätzlichen Linien zu finden. Zum Beispiel bei der auch GO XT, was für mich eine Art Meilenstein war. So ein ästhetisches Bild, so einen Ansatz zu finden, ist kompliziert. Ich kann auch nicht beschreiben, wie ich zu der Idee komme, das ist Empfindungssache. Aber wenn man erst mal so einen Faden hat, dann ist der Schritt, daraus noch beispielsweise ein Downlight zu entwickeln, nicht mehr so groß.
Ein Vorteil ist sicher auch, dass ich nicht für andere Firmen arbeite. Es ist also nicht so, dass zum Beispiel eine Präsentation für irgendeine Firma fertig ist und danach fange ich wieder bei Null an. Ich fange bei meinen Kollektion selten ganz bei Null an. So entsteht eine Linie und in meinem Arbeiten bricht diese Linie nie ab. Das ist auch ein ruhiges Arbeiten, nicht hektisch.
Wenn man sich Ihre Leuchten ansieht, kann man also erkennen, mit welchem Thema Sie sich gerade befassten? Schließlich sind Ihre Leuchten sehr unterschiedlich, viele sind sehr geradlinig und dann gibt es wiederum solch verspielte Leuchten wie „Soon“ zum Beispiel ...
„Soon“ ist ja schon zehn Jahre alt. Ich finde sie immer noch gut, aber ich würde sie heute wohl nicht mehr so entwerfen, wahrscheinlich auch nicht mehr so entwerfen können. Man ändert sich und manchmal gibt es einen Bruch. Die GO XT folgte zum Beispiel auf die ersten Ansätze der Bürobeleuchtung. In der GO XT sind viele Elemente aus der GO Serie noch enthalten, sie ist aber ästhetisch komplett anders aufgebaut. Und so was finde ich im Moment wesentlich spannender.
Mittlerweile arbeite ich auf zwei Feldern. Die technischen Leuchten sind eine Linie, das ist Büro, das ist Industriedesign, geradlinig, clean, ganz durchdacht und trotzdem geht die Sinnlichkeit nicht ganz verloren. Aber bei dekorativen Leuchten ist es ist etwas völlig anderes. Die sind im Kopf noch unplanmäßiger, eigentlich kann ich sie überhaupt nicht planen. Deswegen bin ich ganz froh, dass ich heute zwei Felder habe, das eine kann man mit Professionalität, Proportionsgefühl und Wissen entwickeln. Aber eine dekorative Leuchte hat überwiegend einen emotionalen Ansatz und das ist unsteuerbar.
Ihnen kommt dann einfach irgendwann eine Idee?
Man kann sich vielleicht vorstellen, so oder so könnte die Leuchte aussehen, aber man kann sich nicht hinsetzen und sagen: jetzt mach ich die. Bei einem Strahler kann man das schon.
Deswegen ist es besser, wenn man auf zwei Feldern arbeitet.
Die technischen Leuchten sind also Kopf- und die dekorativen Herzsache?
Genau.
Typisch für Ihre Leuchten sind ja auch die ungewöhnlichen Namen. Wer denkt sie sich aus?
Die Namen spielen bei den Wohnraumleuchten für das Image des Produktes eine größere Rolle als bei den technischen Leuchten. Natürlich habe ich mir auch selbst viele ausgedacht, aber bei uns ist das inzwischen schon ein kleiner Sport geworden. Wenn die Produkte erstmalig in der Firma kommuniziert werden, Skizzen oder Illustrationen gezeigt werden, kann jeder Vorschläge machen, was auch mit einem Bonus honoriert wird, sollte der Vorschlag genommen werden. Ein stückweit ist es eigentlich ein spielerischer Vorgang, der das Gefühl ausdrücken soll. „George“ zum Beispiel ist ein super Name. Bei der Leuchte dachte ich immer, sie ist irgendwie ein bisschen zu modern, zu schnell geworden und der Name muss das etwas abbremsen. Deswegen war der Name „George“ auch so passend, man denkt an einen alten Engländer (lacht)
Ganz anders war es bei „Project X“. Die Leuchte hatte ich gemacht, als Teherani unser Gebäude entworfen hatte. Ich dachte, da muss noch irgendeine scharfe Leuchte über die Tische und der Name dafür konnte gar nicht futuristisch genug klingen.
Sie stellen nun erstmals auch ein Schalterprogramm vor. Wie kamen Sie dazu, Schalter zu entwerfen?
Als wir vor zehn Jahren unser Firmengebäude neu gebaut haben, haben wir es mit einer Kleinschutzspannung verdrahtet und mit ganz kleinen Schaltern ausgestattet. Auf diese Art der Schalter bin ich immer wieder angesprochen worden und ich dachte, in dieser Hinsicht muss ich mal einen Entwurf machen. Dann haben wir angefangen mit Kleinschutzspannungstechnik Schalter zu entwickeln. Wichtig war dabei, das es sich bei dem Produkt nicht nur um einen Exoten entwickelt, sondern dass es sich auch für den Standardbetrieb eignet. Das haben wir nun aufeinander abgeglichen.
Was ist das Besondere an den neuen Schaltern?
Wenn man sich mit Schaltern befasst, stellt man fest, dass es immer der gleiche Aufbau ist: Rahmen und eine Platte. Der Rahmen muss bei der Planung vorher festgelegt werden, zweifach, dreifach bis vierfach, meistens ist dann Schluss, manche können auch fünffach haben, aber mehr gibt’s nicht. Ich hab das System modular aufgebaut, man steckt die Elemente ineinander und kann den Rahmen so endlos erweitern. Der Elektriker wird’s danken und der Planer auch. Sie haben damit einen Baukasten und müssen die Anzahl für jeden Raum nicht mehr vorher festlegen.
Gestalterisch orientierte ich mich natürlich auch an unseren Leuchten, deren Schalter immer klein und reduziert sind. Auch aus ästhetischer Sicht unterscheidet sich die neue Linie von herkömmlichen Schaltern, schon allein durch die zwei Farben. Sicher gibt es auch andere zweifarbige Schalter, aber hier sind die zwei Farben das Konzept.
Das Thema Energieeffizienz wird gerade für Leuchtendesigner und -hersteller immer wichtiger. Sehen Sie den Druck zur Energieeinsparung eher als Chance oder als Hindernis bei der Entwicklung neuer Modelle?
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen wie uns ist das die Chance überhaupt. Zum Beispiel wurde vor sechs Jahren propagiert worden, statt T24, T 16-Leuchtstoffröhren, also statt 24 mm nur noch 16 mm, zu verwenden. Da konnten wir diese schlanken Leuchten bauen und waren damit schlichtweg schneller als die Großen. Als kleineres Unternehmen kommen wir auch sehr schnell an die neuen Bauteile. Wie jetzt bei den LEDs: viele sind noch gar nicht auf dem Markt, aber schon bei uns in der Entwicklungsabteilung. Bei dem neuen Downlight zum Beispiel hat Philips uns vor einem halben Jahr ein neues Leuchtmittel geschickt. Neue Fassung, kürzere Bauform, 25 Prozent weniger Stromverbrauch. Jetzt bringt Philips dieses Leuchtmittel auf den Markt und bei uns ist es schon in einer Leuchte verbaut. Das sind eigentlich nur Chancen.
Im Allgemeinen ist die Sensibilität einfach größer geworden und Firmen werden in absehbarer Zeit sehr gute Energiebilanzen vorlegen müssen. Das ganze Thema wird noch so viel größer werden.
Sie haben ursprünglich BWL studiert. Wie sind Sie eigentlich zum Design gekommen?
Das ist ziemlich schnell beantwortet: Ich hatte einfach nicht genug Mut um zu sagen, ich hab Talent und könnte Designer werden. Also ging ich auf Nummer sicher und habe BWL studiert. Ich dachte immer, wenn ich mich mit Design befasse, dann kann ich mir das später noch autodidaktisch beibringen. Also habe ich BWL studiert, quasi als Absicherung. Ich bin dann nach New York gegangen und hab an der Parson School of Design Abendkurse für Berufstätige gemacht. Aber dadurch, dass wir ja heute auch Produzenten sind, kommt mir das betriebswirtschaftliche Wissen nach wie vor zu Gute.
Warum haben Sie sich dann auf Leuchten spezialisiert?
Ich habe eigentlich gar nicht mit Leuchten angefangen sondern mit Innenarchitektur. Ich habe Werbeagenturen, Büros, Modeläden usw. eingerichtet. Zu dieser Zeit, Ende der Achtziger Jahre, kam gerade die Niedervolttechnik auf den Markt. Ich fand diese kleinen Halogenlampen toll und habe für die Einrichtungen, die ich machte, Sonderleuchten gebaut. Andere Leuchten habe ich auch mal per Kleinanzeige in die Zeitung gesetzt und ganz gut verkauft. Ich bin da so reingerutscht. Was ich immer wollte, war, die Entwürfe auch selbst zu produzieren, das hat mich gereizt. Leuchten waren in der Hinsicht einfach spannender und es war leichter, immer wieder etwas Neues zu machen, weil einem immer wieder neue technische Möglichkeiten gegeben werden. Das ist bis heute so. Jetzt kommt die LED-Technik, mit der wir neue Produkte entwickeln können, und das ist einfach spannend. Außerdem finde ich bei Leuchten gerade die Verknüpfung von Technik und Design toll.
Haben Sie ein persönliches Lieblingsmodell?
Nicht eines, aber man weiß schon, was gut ist, manchmal aber auch erst sehr viel später. „George“ zum Beispiel mag ich sehr, aber auch „Bill“. „Bill“ ist zwar heute, modisch gesehen, schon fast veraltet, aber das ist nach wie vor eine tolle Gelenksleuchte, in der auch mordsmäßig viel Arbeit steckte. Zurzeit sind es bei mir aber eher GO XT und LEED, diese Kunststoffgeschichten sind im Moment mein Ding.
Im Moment ...
Ja, das wird sich auch wieder ändern.
Herr Grau, vielen Dank für das Gespräch.
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