Tools Design
Tools Design sind die Meister der kleinen Dinge. Die beiden Dänen Henrik Holbæk und Claus Jensen sind vor allem für ihre Küchenutensilien und Wohnaccessoires bekannt, die sie als Hausdesigner der Linie „Eva Solo“ des Herstellers Eva Denmark entwerfen. Beide studierten in Kopenhagen Design, Holbæk an der Königlich-Dänischen Kunstakademie und Jensen an der Dänischen Designhochschule, und sie sind auch privat ein Paar. Ihr gemeinsames Studio gründeten sie noch während des Studiums 1989. Ihre Entwürfe wie eine Küchenreibe, eine Salatschleuder, eine Mülleimerserie, eine Waage, Karaffen, Kaffeebereiter oder Schalen sind international vielfach preisgekrönt. Im Gespräch mit Designlines erzählen sie, warum sie vor allem für sich selbst entwerfen, warum sie gerne mit Eva Denmark zusammenarbeiten und warum polierter Edelstahl das Gold Dänemarks ist.
Herr Holbæk, Herr Jensen, meine erste Frage ist eine offensichtliche, die Ihnen vermutlich immer wieder gestellt wird: Viele Ihrer Entwürfe bieten neue und ungewöhnliche Lösungen für altbekannte Probleme. Wie kommen Sie auf diese Lösungen?
Claus Jensen: Die Herangehensweise, möglichst neue Lösungen zu finden, kommt noch aus der Zusammenarbeit mit unserem allerersten Kunden. Es war ein Ein-Mann-Betrieb mit einer kleinen Werkstatt. Der Eigentümer suchte den Kontakt zu Designern, weil er seine Produktpalette verändern wollte. Da er allerdings kaum Geld hatte, mussten wir billige Produkte entwerfen. Um damit trotzdem auf dem Markt bestehen zu können, brauchten wir gute Ideen. Die Produkte mussten neuartig oder anders sein. Und wenn man was macht, was die Leute mögen, dann wollen sie mehr davon. Dann kommen neue Kunden, die sagen: Oh, ihr seid ja so erfinderisch, macht so ein Produkt auch für mich.
Aber wie kommen Sie auf die Ideen? Nicht jedem fallen solche Lösungen ein.
Henrik Holbæk: Wir denken gerne anders. Jedes Mal, wenn wir eine neue Aufgabe angehen, sagen wir uns: Was wäre, wenn wir darüber gar nichts wüssten? Das ist oft ein guter Ausgangspunkt. Zu vergessen, was man weiß. Aber man sollte nicht zuviel vergessen, denn die Nutzer sollten noch erkennen, um was für ein Produkt es sich handelt.
C. J.: Aber es ist schon die Frage, wie man eine Idee bekommt. Das weiß ich nicht. Wir haben jetzt immerhin zwanzig Jahre Erfahrung darin, zu versuchen, gute Ideen zu bekommen. Am Anfang haben wir zwei Produkte pro Jahr gemacht, was nicht viel ist. Aber wir haben praktisch Vollzeit daran gearbeitet. Jetzt machen wir etwa hundert Produkte im Jahr. Man könnte also sagen, wir haben gelernt, Ideen zu bekommen. Kürzlich ist mir aufgefallen, dass mir Ideen immer in Verbindung mit Bildern einfallen. Etwa: Ich möchte eine Salatschleuder in Form eines Eimers machen. Das ist das Bild – aber wo es herkommt, weiß ich nicht, das passiert nicht bewusst. Manchmal ist ein Produkt mit diesem Bild im Grunde schon fertig.
Sie verwenden häufig für den häuslichen Bereich ungewöhnliche Materialien oder setzen Material anders ein, als es üblich ist, wie zum Beispiel Neopren.
C. J.: Ein Designer ist zu fünfzig Prozent Künstler und zu fünfzig Prozent Techniker. Und wir haben auch Erfahrungen in anderen Design-Bereichen gemacht. Wir arbeiten zum Beispiel für medizintechnische Firmen und ähnliche, eher im Industriedesign angesiedelte Branchen. Und in diesen Bereichen verwendet man andere Arten von Materialien.
H. H.: Auf der anderen Seite können wir auch bestimmte Eigenschaften von Produkten aus dem Home-Bereich in den Industrie-Bereich übertragen; zum Beispiel die Benutzerfreundlichkeit, dass der Nutzer sofort erkennt, was für ein Produkt das ist. Solche Qualitäten können helfen, komplizierte Projekte aus dem Industrie-Bereich einfacher zu machen.
Viele Ihrer Entwürfe sind Produkte für den täglichen Gebrauch, eher kleine und einfache Gerätschaften für Küche, Tisch oder Bad. Wollten Sie noch nie einen Stuhl entwerfen? Oder ein Regalsystem, das in Büros auf der ganzen Welt steht?
C. J.: Ich bin ja ausgebildeter Möbeldesigner. Während meines Studiums ging es die ganze Zeit darum, wie man Türaufhängungen macht und wie hoch Stühle sein müssen. Aber ich interessierte mich nicht für Möbel, ich wollte als Industriedesigner arbeiten. Ich wollte Maschinen entwerfen, elektrischen Kram, und bei Henrik war es genauso. Letztendlich arbeiten wir nun hauptsächlich an kleinteiligen Accessoires. Aber wir machen jetzt auch etwas für eine spanische Möbelfirma. Da es noch nicht in Produktion ist, können wir noch nicht darüber sprechen.
H. H.: Als ich anfing zu studieren, entwarf ich medizinische Geräte und solche Sachen, meine Hochschule war sehr industriell orientiert. Außerdem bin ich ausgebildeter Biochemiker. Aber wir haben nun mal im Accessoire-Bereich angefangen, und das finde ich sehr interessant. Gemeinhin denkt man, es wäre leicht, weil es um kleine Dinge geht. Aber tatsächlich ist der Wettbewerb in diesem Bereich sehr hart, was man auf Messen wie der Ambiente sieht. Es gibt so viele Konkurrenzprodukte. Und als Designer bekommt man unmittelbares Feedback von den Nutzern, denn das sind die Menschen um einen herum.
Sie arbeiten bereits eine ganze Weile für die Firma Eva Denmark, offensichtlich eine erfolgreiche Kooperation. Warum klappt das so gut?
C. J.: Eva Denmark ist ein ziemlich kleines Privatunternehmen, und der Eigentümer führt auch die Geschäfte. Das macht es einfach, Entscheidungen zu treffen. In einem großen Konzern muss jede Entscheidung von vielen Gremien abgesegnet werden. Der Designer läuft dabei Gefahr, den Prozess aus den Augen zu verlieren. Dagegen ist die Zusammenarbeit mit den Leuten von Eva einfach. Wir beide sind zu zweit, und es gibt den Direktor und den Produktentwickler, und das war’s. Mehr braucht es nicht, um ein Design zu entwickeln und auf den Weg zu bringen. Das macht großen Spaß. Da sind vier Jungs, die sagen: Das machen wir! Und dann machen wir das.
H. H.: Eine anderer Grund für den Erfolg ist, dass Eva Denmark keine Vorschläge für Produkte macht. Zwei oder drei Mal im Jahr zeigen wir ihnen, was wir gerne für sie machen würden. Das ist entscheidend für die Zusammenarbeit.
C. J.: Das ist auch wichtig für die Qualität der Produkte. Weil wir am besten sind, wenn wir selbst entscheiden können. Wenn uns jemand anspricht und sagt: Macht uns eine Waschmaschine …
H. H.: … und sie soll gestern fertig sein [beide lachen].
C. J.: Bei solchen Aufträgen muss man ein Produkt entwerfen, egal, ob man eine gute Idee hat oder nicht.
Sie sind also in der glücklichen Lage, keinen Ihrer Aufträge langweilig zu finden?
Beide: Nein!
H. H.: Natürlich sind manche der Aufgaben, die mit der Entwicklung eines Produktes verbunden sind, langweilig. Aber wir müssen kein Produkt entwerfen, das wir langweilig finden.
Wir Deutschen beneiden Euch Dänen ein wenig, weil Ihr in diesem schönen Land mit soviel Designbewusstsein lebt. Zumindest sieht es für uns so aus. Wie wichtig ist die dänische Designkultur für Ihre Arbeit?
H. H.: Wie soll ich das beantworten? Natürlich lieben die Dänen Design, und sie richten sich ihre Wohnungen und Häuser gerne schön ein, denn in Dänemark ist es häufig kalt und regnerisch. Gäste müssen wir uns nach Hause einladen, und wir sitzen meistens drinnen, nicht draußen. Daher statten sich die Dänen gerne aus, besonders die Küchen. Denn in Dänemark ist es üblich, wenn man Freunde zu sich einlädt, sie auch in die Küche zu bitten, während der Gastgeber das Abendessen fertig zubereitet.
C. J.: Ein wichtiger Aspekt ist, dass Dänemark ein sehr kleines Land ist. Und wir haben sehr hohe Steuern – unglaublich hohe Steuern. Ein Auto kostet bei uns etwa drei Mal soviel wie in Deutschland. Aber der Vorteil der hohen Steuern ist, dass die Dänen relativ gleich gestellt sind. Wir haben nicht sehr viele arme Menschen – natürlich auch nicht sehr viele sehr reiche. Das ist ein Grund, warum viele Dänen einen ähnlichen Geschmack haben. Denn Geschmack ist eine Frage der gesellschaftlichen Klasse. Wenn man nach Saudi-Arabien schaut, dort ist der Geschmack der reichen Leute massives Gold und Diamanten. Das ist für die Dänen unerreichbar – bei uns reicht es nur für polierten Edelstahl [beide lachen].
H. H.: Das macht es für Designer und Hersteller einfacher. Der Markt ist ziemlich groß, obwohl Dänemark ein so kleines Land ist.
C. J.: Es ist tatsächlich möglich, ein Produkt an bis zu zehn Prozent aller Haushalte des Landes zu verkaufen. Zumindest, wenn man sich die Bestseller anschaut. Das ist wirklich möglich.
Aber Geschmack kommt ja nicht von alleine. Was hat den Designgeschmack der Dänen geprägt? Die gestalterische Tradition der Moderne?
C. J.: Die dänische Designtradition kommt aus Deutschland, vom Bauhaus.
H. H.: Aber dänische Gestalter haben diese Designsprache in etwas typisch Dänisches übersetzt. Es ist nicht dasselbe wie in Deutschland. Man kann unterscheiden, ob ein Möbelstück aus Deutschland oder aus Dänemark kommt.
C. J.: Ich denke, das dänische Design geht auf die fünfziger Jahre zurück – eine Arme-Leute-Interpretation anderer Kulturen.
H. H.: Das ist eine gute Erklärung. Einige der Architekten und Designer aus den Fünfzigern und Sechzigern, sie entwarfen gute Möbel für die einfachen Leute. Heute sind das teure Klassiker. Die Dänen entwickeln gerne Produkte für die Menschen, für die konkreten Nutzer.
C. J.: Wir versuchen, möglichst viele Menschen zu erreichen.
H. H.: Das interessiert mich wirklich am Design. Wenn man nur zehn Käufer für einen Entwurf in der ganzen Welt hat, ja, dann kann man vielleicht viel Geld verdienen. Aber ist das interessant?
Also dürfen wir von Ihnen kein teures Editionsdesign erwarten? Eine letzte, etwas persönlichere Frage: Kochen Sie selbst und benutzen dabei Ihre selbstentworfenen Utensilien?
C. J.: Wir haben uns selbst die Regel gesetzt, dass wir kein Gerät kaufen, das wir selbst entwerfen können. Als eine Art Motivation. Da kommen wir noch mal auf den Anfang unseres Gesprächs zurück, auf die Frage, woher die Ideen stammen. Wir haben unsere Einfälle, wenn wir in der Küche stehen und etwas Bestimmtes brauchen. Wenn man eine Knoblauchpresse benötigt, dann geht man los, kauft sich eine, und dann hat man sie. Das machen wir nicht. Wenn uns im Haushalt etwas fehlt, dann verzichten wir so lange darauf, bis wir wirklich genervt sind und es selbst entwerfen müssen. Und wenn dann ein neues Produkt von uns erhältlich ist, dann benutzen wir es auch selbst. Denn manchmal funktioniert ein Design nicht richtig – aber das findet man nur raus, wenn man es benutzt. Das sind wir schon unseren Käufern schuldig.
Kommt es vor, dass Sie ein Produkt überarbeiten, weil es Sie im Alltag nicht überzeugt hat?
C. J.: Klar, es gibt schon Dinge, die nicht so funktionieren, wie wir uns das vorgestellt hatten. Einige verschwinden einfach, aber die meisten verbessern wir. Sogar ein deutsches Auto muss ab und an verbessert werden. Aber mit der Zeit haben wir dazugelernt und machen weniger Fehler. Ein Beispiel ist die Küchenreibe, für die wir dieses Jahr den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland bekommen haben. Eines unserer ersten Produkte für Eva Solo war eine Reibe. Damals fanden wir sie großartig. Das ist jetzt zehn Jahre her. In diesen zehn Jahren hat sich das Produkt ganz gut, aber auch nicht gerade herausragend verkauft. Wir waren zuletzt nicht mehr ganz überzeugt davon. Aber wir wollten auf jeden Fall eine Reibe in der Produktpalette. Also haben wir uns etwas noch Einfacheres als den ersten Entwurf ausgedacht.
H. H.: Eines Tages, als Claus gerade die alte Reibe benutzte, hatte er eine Idee. Warum machen wir nicht eine neue? Und die neue benutzt er jetzt die ganze Zeit.
Herr Holbæk, Herr Jensen, vielen Dank für das Gespräch
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