Menschen

Vicente García Jiménez

von Norman Kietzmann, 05.06.2009


Vicente García Jiménez hat ein Gespür für Licht. Geboren 1978 in Valencia studiert er an der University of Experimental Science in Castellon de La Plana Industriedesign und sammelt erste Erfahrungen im Umgang mit Licht im Designbüro „Santa & Cole“ in Barcelona. Nach einem Aufenthalt in Mailand verschlägt es ihn ins norditalienische Udine, wo er sich 2005 mit seinem eigenen Studio selbständig macht und bis heute arbeitet und lebt. Zu seinen Kunden zählen seitdem vor allem Leuchtenhersteller wie Foscarini, Karboxx und Pallucco, ebenso aber auch Möbel- und Küchenproduzenten wie Tacchini und Cesar Cucine. Wir trafen Vicente García Jiménez in Mailand und sprachen mit ihm über leuchtende Landschaften, skandinavische Vorbilder sowie die Suche nach Unendlichkeit.



Herr Jiménez, Sie haben sich bereits sehr früh auf das Thema Licht spezialisiert. Würden Sie sagen, dass Ihre Leuchten dabei eine „spanische Seele“ haben?


Ich würde es vielleicht nicht spanische Seele nennen. Aber sie sind sicher das Ergebnis meiner Erfahrungen. Zum Beispiel die Wandleuchte Fields hat viel mit meiner Kindheit zu tun. Meine Eltern kommen aus einem kleinen Dorf in der Mitte Spaniens. Nach dem Unabhängigkeitskrieg zogen sie nach Valencia in die Stadt. Doch während des Sommers fuhren sie immer wieder zurück aufs Land. Ich bin daher nicht nur in der Stadt aufgewachsen, sondern ebenso auf dem Land. Mitten in der Natur. Die Geräusche, die Geschmäcker, die Farben und die Hitze haben mich sicher geprägt. Als ich einmal von Valencia nach Madrid flog und die Felder unter mir sah, kamen plötzlich all diese Erinnerungen wieder auf. Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade auf dem Weg zurück von Foscarini, mit denen ich über die Entwicklung einer neuen Leuchte gesprochen hatte. So entstand schließlich die Idee zu dieser Leuchte. Meine Erfahrungen werden so zu einer Inspiration für meine Arbeit.

Ist Ihre neue Leuchte „Soleil“, die Sie soeben auf der Mailänder Möbelmesse 2009 vorgestellt haben, nicht auch eine Referenz an Ihre Heimat?

Ja und nein. Die Idee für diese Leuchte entstand, als ich darüber nachdachte, wie man ein möglichst warmes und angenehmes Licht erzeugen kann. Und das beste Licht ist für mich immer noch das Licht der Sonne. Als ich dann an meinem Schreibtisch saß und mir überlegte, wie ich dies in ein Produkt umsetzen könnte, fielen mir diese lamellenartigen Vorhänge ein, die vor allem in Büros häufig verwendet werden. Ich wollte das Licht auf spielerische Weise verstecken und diffus machen. Ein wenig wie bei den klassischen, skandinavischen Leuchten, die für mich immer Vorbilder waren. Ich mag die Art von subtilem Licht, die sie in ihre Umgebung werfen. Reflexionen spielen dabei auch eine große Rolle. Ich verwende bei meinen Leuchten häufig mehrere Formen von Licht auf einmal: direkt, indirekt und diffus. Ich denke, das gibt ihnen mehr Komplexität und Persönlichkeit. Auch definieren die Leuchten auf diese Weise unterschiedliche Zonen im Raum.

Wie sind Sie eigentlich mit dem Thema Licht in Berührung gekommen?

Es fing damit an, dass ich nach meinem Studium in Valencia nach Barcelona ging und knapp zwei Jahre lang für das Designbüro „Santa & Cole“ gearbeitet habe. Ich habe dort neben Möbeln vor allem Leuchten entwickelt und als technischer Manager des Büros auch viel gelernt, was die technische Umsetzung in der Produktion anbelangt. Doch ich war noch sehr jung zu dieser Zeit, gerade 24, und wollte noch etwas anderes lernen. Auch eine andere Sprache. Also entschied ich mich nach Mailand zu gehen und blieb dort für fünf Monate. Mailand kann eine ziemlich harte Stadt sein, wenn man nach einem Job und nach Freunden sucht. Ich war also weit weg von zuhause und wollte etwas finden, das auch mit meinem Beruf als Designer zu tun hat. Doch es ergab sich vorerst nichts, bis mir schließlich ein kleines Architekturbüro in Udine einen Job angeboten hat. Auch dort habe ich vor allem Leuchten entwickelt bis ich zwei Jahre später 2005 mein eigenes Studio in Udine eröffnet habe. Ich habe Licht also schon sehr intensiv kennengelernt. Richtig angefangen zu mögen habe ich es allerdings schon in Barcelona.

Wie ist eigentlich Ihr Leben in Udine? Die Stadt zählt nicht unbedingt zu den ersten Adressen, an die es junge Designer verschlägt.


Zunächst ein wenig seltsam vielleicht, da ich sonst immer in sehr großen Städten gelebt habe. Udine hat nur 100.000 Einwohner. Für mich ist das ein Dorf. Hier kennen sich alle und reden auch miteinander. Das ist auf gewisse Weise auch ein Vorteil: Wenn man Leute kennenlernen will, ist es deutlich leichter als in der anonymen Großstadt. Für mich ist es so perfekt. Ich bin in der Mitte von Nirgendwo und doch ganz nah an Mailand, Venedig oder der Küste von Kroatien. Meiner Meinung nach ist die Lebensqualität in Udine sehr hoch. Und wenn ich woanders hin möchte, fahre ich einfach zum Flughafen. Der ist nur zwanzig Minuten von meinem Haus entfernt und schon bin ich in London, Paris oder in Barcelona. Ich denke, darin liegt auch die Kommunikation von heute. Wir sind mobil und an vielen Orten gleichzeitig.

Neben Ihrer Arbeit als Leuchtendesigner entwerfen Sie auch die zahlreiche Messestände. Ihre Installation „Infinity“, die Sie auf der diesjährigen Mailänder Möbelmesse für Foscarini präsentiert haben, zeigt sich als ein überdimensionales, begehbares Kaleidoskop.

Auch das ist etwas sehr Persönliches von mir. Ich denke sehr oft über die Unendlichkeit nach. Darüber, wie die Dinge miteinander zusammenhängen und doch nur ein ganz kleiner Teil von etwas Großem sind. Wir unterhalten uns gerade in Mailand, Mailand ist in Italien, Italien ist in Europa und so weiter. Was kommt danach, wenn man das immer so weiter denkt? Ich finde das eine sehr spannende Frage. Und ich glaube, dass jeder in seinem Leben irgendwann darüber nachdenkt. Aber immer, wenn man sich diese Fragen stellt, kommt man zu dem Schluss, dass man es nicht weiß. Als ich an dieser Installation gearbeitet habe, habe ich mich gefragt, wann ich erstmalig über Unendlichkeit nachgedacht habe. Und das war der Moment, als ich als Kind zum ersten Mal durch ein Kaleidoskop geschaut habe. Alles scheint so weit und doch so nah beieinander. Ich fand dies einen spannenden Ansatz. Für die spätere Installation habe ich dann mit zwei Künstlern zusammengearbeitet: Massimo Gardone und Francisco Morosini, die Videoprojektionen und Musik beigesteuert haben. Ich wollte das Konzept auf multimedialer Ebene erweitern.

Auch bei dieser Arbeit spielte der Einsatz von Licht erneut eine entscheidende Rolle. Können Sie sich auch vorstellen, stärker in anderen Disziplinen zu arbeiten?

Ja, ich arbeite im Moment zum Beispiel mit Giulio Ridolfo an einer Textilkollektion für Kvadrat. Wir leben beide in Udine und sind auch gute Freunde. Meine Erfahrungen sind noch gering. Mit jemandem zusammen zu arbeiten, der so viel Erfahrung besitzt wie er, ist eine große Chance. Ansonsten arbeite ich gerade noch an ein paar Möbel-Projekten, für die ich allerdings noch keinen Hersteller gefunden habe. Aber das ist in Ordnung. Ich mag es, Schritt für Schritt an einer Sache zu arbeiten und nicht zu viele Projekte gleichzeitig zu machen. Normalerweise entwickelt sich in der Entstehung eines Produktes immer auch eine enge Beziehung zu der Firma, mit der man zusammenarbeitet. Darin liegt für mich auch in gewisser Weise die Definition des Designs. Als ich noch studiert habe, hätte ich wohl gesagt: Etwas, das schön und funktional ist. Da hieß es immer: Als Designer lösen wir Probleme. Das mag zwar stimmen, aber ich glaube, dass Design noch etwas anderes ist: die menschliche Relation.

Zwischen dem Gestalter und dem Produzenten?

Ja, denn das Design entsteht weder durch den Designer und noch durch das Unternehmen, sondern erst durch beide zusammen. Wenn die Beziehung gut ist, werden sie ein gutes Produkt entwickeln können. Doch gerade für junge Designer ist diese Relation keinesfalls einfach. Leider ist es beim Design nicht wie beim Fußball, wo jeder diesen Teamgedanken sofort versteht. Aus diesem Grunde arbeite ich lieber mit weniger Firmen, aber baue zu ihnen jeweils eine sehr enge Beziehung auf. Ich vertraue ihnen und sie vertrauen mir. Das ist doch etwas sehr Schönes. Auch die skandinavischen Designer haben früher ihr ganzes Leben lang mit denselben Herstellern zusammengearbeitet. Das ist schon fast wie eine Hochzeit. Als ich 2005 mein Büro gegründet hatte, bekam ich Anfragen von gleich drei Leuchtenherstellern für eine Stehleuchte. Aber ich dachte mir, dass es sinnlos sei, für drei Firmen das Gleiche zu machen. Was bedeutet das denn? Vielleicht bin an dieser Stelle noch nicht professionell genug, aber ich wollte es einfach nicht. Vielleicht wenn ich Fünfzig oder Sechzig Jahre alt bin. Aber jetzt noch nicht. Ich habe noch Zeit vor mir.

Vielen Dank für das Gespräch.
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Vicente García Jiménez

www.vicente-garcia.com

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