According to the Grain
Vielauge zum Sitzen: Möbel von Sho Ota.
Mängel für alle Sinne
Weil viele Asteinschlüsse ein (die Materialkosten senkender) Mangel sind, erlebte die vielaugige Fichte im demokratischen Design eines großen schwedischen Möbelhauses ihre Sternstunden. Vor allem in den 1980er-Jahren hatten die hellen Weichholzmöbel Hochkonjunktur. Bis heute haftet ihnen ein gewisser Garagen- und Keller-Charme an – denn dort landeten all die Fichtenregale, als Buche, Eiche, Kirsche und Nuss wieder in den Wohnraum einzogen. Der japanische, in Eindhoven ansässige Gestalter Sho Ota hat etwas sehr merkwürdiges mit der Fichte angestellt. Er hat ihren vermeintlichen Mangel nicht nur offengelegt, sondern auf seltsam verstörende Weise in den Fokus gerückt.
Indem das Holz rund um die in den Stamm eingewachsenen Äste um zwölf Millimeter abgetragen wurde, bleibt die Oberfläche mit dunklen Dornen zurück. Und die Möbel, die eigentlich zum Sitzen und Abstellen von Dingen einladen sollen, stoßen den potentiellen Nutzer erst einmal ab. Der kann sich derweil mit seinen Emotionen auseinandersetzen: Die Ästhetik zwischen Fliegenpilz und Masern löst unbestimmte Aversionen aus, während sich bei genauerem Hinsehen doch viel Schönheit und Seele offenbart. Das natürliche Material zeigt konsequent seine harten und weichen Stellen – und ist mit dieser forschen Ehrlichkeit dann doch irgendwie ansehnlich. Ein Klotz, der hier keine Metaebene findet. tp
Designer
Sho Ota