Newcomer

Imm Cologne -Talentschau 2009

von Tanja Pabelick, 28.01.2009

Am letzten Wochenende ging mit der imm cologne “die globale Trendshow“ der Möbelindustrie zu Ende. Leider mag das nur für diejenigen so stimmen, die ihren Wahrnehmungshorizont auf den Standort Deutschland beschränken. Für den Designernachwuchs waren die Tage in Köln dennoch eine gute Gelegenheit ihre Entwürfe an den Hersteller zu bringen und vielleicht schon Kunden von morgen zu interessieren. Neben vielen altbewährten Veranstaltungskonzepten, wie den „talents“ und den parallel zur Messe stattfindenden Satellitenveranstaltungen der „Passagen“, gab es in diesem Jahr auch Neues. Direkt am Rheinufer und in Laufnähe zum Kölner Hauptbahnhof gelegen fand im „RheinTriadem“ in diesem Jahr zum ersten Mal die DesignersFair statt, die sich als „Messe für junges Möbel- und Interiordesign“ bewarb.

Angeblich wird es ja gemütlich. Und das kommt so: Die wirtschaftlichen Gegebenheiten führen zum derzeit vielzitierten „Cocooning“ - also zu einer Neuentdeckung der heimischen Behaglichkeit. Die Menschen wünschen sich dafür neue, kuschelige Möbel und das Resultat ist eine boomende Möbelindustrie. Die imm cologne, die größte deutsche Möbelmesse, spiegelte eine andere Realität: Hier gähnten leere Flure und unbeanspruchte Hostessen. In gewisser Hinsicht eine Ausnahme: Die Halle 3.1, in der sich der Nachwuchs präsentierte. Zwar gab es auch hier wie in den anderen Hallen leer gefegte Ecken, dafür wurde der Besucher aber besser unterhalten. Denn während man bei den großen Herstellern meist umsonst nach Neuem suchte, waren zumindest bei den Jungdesignern einige der Entwürfe Premieren.

Wie schon in den letzten drei Jahren ihres Bestehens gliederten sich die talents in die drei Bereiche „professionals“, „contest“ und „schools“. Während bei den „professionals“ einige schon mehr oder minder etablierte Designer wie maigrau oder Christian Lessing anzutreffen waren, präsentierten sich im Bereich „contest“ besonders diejenigen, die gerade erst den Hort der Hochschule verlassen hatten. Wie der Titel schon vermuten lässt, war Dabeisein nicht alles, sondern mit dem am ersten Abend verliehenen "interior innovation award" in der Rubrik Talente ging es auch um Ruhm, Ehre und mediale Aufmerksamkeit – und um einen Scheck in Höhe von 1000 bis 3000 Euro.

And the Winners are


475 Designer hatten sich dieses Jahr um eine Ausstellungsfläche beworben, 28 Designer und Gestalterkollektive wurden eingeladen. Zu einem der drei ausgezeichneten Gestalter gehörte Jacob Brinck, der seinen Schreibtisch „Clark“ bei den talents präsentierte. Durch in die Arbeitsfläche integrierte Ablagefächer, die passgenauen Stauraum für Ordner und büro-typischen Kleinkram bieten, soll mit seinem Entwurf ganz unbürokratisch Ordnung in die Amtsstuben oder Studentenbuden einkehren. Damit konnte er die Jury überzeugen, die ihm eine der insgesamt drei Acryltrophäen und den 3.Platz verlieh.
Platz 2 ging an den Frankokanadier Philippe Malouin. Auch er stellte einen Tisch vor, dem man bei Platzmangel die Luft ablassen kann – und der sich zum Dinner ganz einfach wieder aufpumpen lässt.
Einen zumindest thematisch dazu passenden Stuhl fand man beim Gewinner des Wettbewerbs, Pepe Heykoop. Während der „Grace table“ mit seiner Luftkammerplatte erst einmal instabil aussieht, fühlt sich der „restless Chairacter“ so an. Er gibt dem Körper dynamisch nach und ist trotz seines steifen Erscheinungsbildes dadurch fast so bequem wie ein gefederter Bürostuhl.

Nester, Holz und Schattenmöbel


Was im letzten Jahr vielleicht Ikarus gewesen ist – eine poetisch dahin schmelzende Leuchte aus Wachs – waren in diesem Jahr die Entwürfe von Johannes Hemann: Experimentell, schwer einzuordnen und so, dass man unbedingt mal anfassen will. Gebilde aus Kork, Kunststoff oder Styropor, die erst auf den zweiten Blick als Tisch oder Leuchte zu erkennen sind. „Formen durch Stürme“ wollte Hemann generieren und hat Gebilde in eine Windkammer gehangen. Durch heiße Luft, thermoplastischer Granulate oder Klebstoff wurden Einzelstücke geschaffen, deren zusammengeschmolzene Silhouette ein schwer zu kontrollierendes Produkt der Einflüsse ist.

Trotz aller Experimentierfreude wirkte aber vieles letztendlich irgendwie vertraut: Bei der Wahl der Materialien und Themenfelder zogen sich viele auf sicheres Terrain zurück und setzten auf das, was seit einigen Jahren beinahe marktschreierisch zum Trend ausgerufen wurde: „Holz! Natur! Nachhaltigkeit! Cocooning!“
Auf letzteres zielt wohl auch der Entwurf der beiden Designerinnen Anaïs Morel und Celine Merhand ("les m") ab, die Schaumstoffelemente präsentierten, aus dem ganze Räume geknüpft werden können. Ganz in der Tradition von Modulen wie den "Algues" und „North Tiles“ der Bouroullec-Brüder, formieren sich trennende und doch transparente Strukturen zu Nestern oder Höhlen. Ansonsten traf man auf natürlich belassenes Holz – gern gepaart mit kräftigen Farben, bis zum Gerippe reduzierte Formen und Objekte aus nur einem Material. Reinhard Dienes stellte Stühle und Hocker aus Polypropylen vor, die einer einzigen Platte gefräst und dann zum dreidimensionalen Objekt gefaltet werden. Das Möbel wird zur Silhouette, die wie ein Schatten im Raum steht.


DesignersFair


Wer mit hohen Erwartungen die „Messe für junges Möbel- und Interiordesign“ am Rheinufer besuchte, wurde mit Sicherheit enttäuscht. Denn bei dem, was hier geboten wurde war die Vokabel Messe fehl am Platz. Man fand sich vielmehr im etwas provisorischen Ambiente eines Designmarktes wieder, bei dem die Bandbreite vom Klimbim bis zum ernst zu nehmenden Designobjekt reichte. Der angeschlossene Shop tat für das Image der Veranstaltung sein Übriges. Um hier auf echte Highlights zu stoßen, die das angepriesene Messeambiente verdient hätten, musste schon gesucht werden. So lohnte sich ein Besuch bei den Stadtnomaden und ihren mobilen Möbeln, Annahanna und ihrem Sofa „by Hempels“ - mit einem extrabreiten Schlitz für Zeitschriften und Kaffeservice. Das Berliner Label Formfjord stellte eine ganze neue Kollektion vor und das Kollektiv llotllov hatte unzählige ihrer Strickleuchten „Matt“ zu einer kuscheligen Rauminstallation verspannt.

Für den Standort Köln ist zu hoffen, dass die Satellitenveranstaltungen wie DesignersFair und die Passagen den Kinderschuhen entwachsen und sich neben der schrumpfenden Messe als ernst zu nehmende Konkurrenzveranstaltungen etablieren können. Denn in diesem Jahr war mal wieder festzustellen: Köln ist nicht Mailand, und die Passagen sind keine Designer’s Week.
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail

Mehr Newcomer

Corrugated

Staub als Ressource: Sitzskulpturen von Charlotte Kidger

Staub als Ressource: Sitzskulpturen von Charlotte Kidger

Halo Collection

Ein chromatisches Spektakel vom chinesischen Label Buzao.

Ein chromatisches Spektakel vom chinesischen Label Buzao.

Kodama

Finish mit Flamme: Wohnskulpturen von Base10.

Finish mit Flamme: Wohnskulpturen von Base10.

Resin

So schön wie ihr Schatten: Hocker von Laurids Gallée.

So schön wie ihr Schatten: Hocker von Laurids Gallée.

Tone

Ein Tisch in Tracht: Acryltische der koreanischen Designerin Sohyun Yun.

Ein Tisch in Tracht: Acryltische der koreanischen Designerin Sohyun Yun.

3kg Bench

Pflanzen-Immigranten als Ressource.

Pflanzen-Immigranten als Ressource.

O.E. Candle Holder

Kugeln, Kegel, Kreise: Bausatz von St-u-dio.

Kugeln, Kegel, Kreise: Bausatz von St-u-dio.

1.3 collection

Ein Polster aus Knoten von Youngmin Kang.

Ein Polster aus Knoten von Youngmin Kang.

Erosión

Gebackener Beton, der eine ganze Kollektion zum Schwimmen bringt.

Gebackener Beton, der eine ganze Kollektion zum Schwimmen bringt.

Airchair

Hängesessel im Hosentaschenformat von Kerstin Pfleger.

Hängesessel im Hosentaschenformat von Kerstin Pfleger.

Sponge Table

Baustoff Luft: Beisteller von Caleb Knauf.

Baustoff Luft: Beisteller von Caleb Knauf.

Bark Back

Eine Bank zum Anfassen von Levi Robb.

Eine Bank zum Anfassen von Levi Robb.

Triplex Stool

Eine Form, zwei Materialien, drei Teile: Hocker von Studio Ryte.

Eine Form, zwei Materialien, drei Teile: Hocker von Studio Ryte.

Pipe-Line

Farbe folgt Funktion: Tisch von Peter Otto Vosding.

Farbe folgt Funktion: Tisch von Peter Otto Vosding.

Around Object

Der Baumarkt als Inspiration und Ressource.

Der Baumarkt als Inspiration und Ressource.

Powerplace

Immer 100 Prozent: Philipp Hainkes Möbel versorgt Laptop und Co.

Immer 100 Prozent: Philipp Hainkes Möbel versorgt Laptop und Co.

According to the Grain

Vielauge zum Sitzen: Möbel von Sho Ota.

Vielauge zum Sitzen: Möbel von Sho Ota.

Circle Set

Eine grafische Möbelinterpretation von Jules Tardy.

Eine grafische Möbelinterpretation von Jules Tardy.

Sponge

Die Pflanze als Selbstversorger: Übertopf von Moreno Ratti.

Die Pflanze als Selbstversorger: Übertopf von Moreno Ratti.

Moca

Getropfte Skelette: Porzellaninnovationen von Joachim Morineau.

Getropfte Skelette: Porzellaninnovationen von Joachim Morineau.

Borders of Assembly

Hauchdünne Stahlmöbel von Paul Coenen.

Hauchdünne Stahlmöbel von Paul Coenen.

No 2 Fabric Formula

Erhitzt, fixiert, erstarrt: ungewöhnlich produzierte Hocker von Zhekai Zhang.

Erhitzt, fixiert, erstarrt: ungewöhnlich produzierte Hocker von Zhekai Zhang.

Inflatable Leather

Leder statt Vinyl: Aufblasmöbel von Satomi Minoshima.

Leder statt Vinyl: Aufblasmöbel von Satomi Minoshima.

Grid Bench

Eine doppelte Täuschung von Mario Tsai.

Eine doppelte Täuschung von Mario Tsai.

3D knitted furniture

Kein Klebstoff, keine Nägel: Polstermöbel von Floor Skrabanja.

Kein Klebstoff, keine Nägel: Polstermöbel von Floor Skrabanja.

Tephra

Eine Hommage an den Vulkan: Tableware und Leuchten von LGS Studio.

Eine Hommage an den Vulkan: Tableware und Leuchten von LGS Studio.

The Morning After

Erinnerung und Emotion: Spiegelserie von Boldizsár Szenteczki.

Erinnerung und Emotion: Spiegelserie von Boldizsár Szenteczki.

Trashformers

Vom Müll zum Möbel: Objektskulpturen von Savvas Laz.

Vom Müll zum Möbel: Objektskulpturen von Savvas Laz.

Bird Feeder

Farbenfrohe Vogelfutterstationen für die graue Jahreszeit.

Farbenfrohe Vogelfutterstationen für die graue Jahreszeit.

Coal: Post-Fuel

Eine Zukunft für ein Material mit viel Vergangenheit.

Eine Zukunft für ein Material mit viel Vergangenheit.