Newcomer

Interview: Formfjord

von Hannah Bauhoff, 22.12.2009


Der Beginn ihrer Zusammenarbeit war nicht geplant, sondern das zufällige Ergebnis einer Reihe von Treffen. Irgendwann stellten Fabian Baumann, geboren 1977 in Berlin, und Sönke Hoof, geboren 1972 in Kiel, fest, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Ausbildungen – Fabian ist Maschinenbauingenieur und Sönke Raumausstatter und Diplom-Designer vieles eint. Sie sind offen, gelassen, aber auch beharrlich, was ihr gemeinsames berufliches Ziel anbelangt: Von den eigenen Ideen leben zu können und sich dabei die kreative Freiheit zu bewahren. Seit knapp drei Jahren sind sie nun unter dem Namen „Formfjord“ mit ihren unkomplizierten Produkten in der internationale Möbeldesign- und Accessoireszene vertreten.  Auch wenn sich Projektgrößen und Auftraggeber inzwischen geändert haben, ihre lockere, unverkrampfte Art und die Beharrlichkeit sind geblieben, wie wir bei unserem Besuch in ihrem Berliner Studio am Prenzlauer Berg feststellen konnten. Dort haben wir ausführlich über den Beginn ihrer Zusammenarbeit, Herausforderungen an Jungdesigner und ihre Kontakte zu Unternehmen gesprochen.

Dass Ihr zusammenarbeitet, ist mehr oder weniger Zufall. Wie habt Ihr Euch kennen gelernt?

Fabian (F): Das ist eine lustige Geschichte. Es war direkt hier vor der Haustür.
Sönke (S): Ich lief mit einer Kollegin durch dieses Viertel, in dem damals in leer stehenden Ladenwohnungen eine Menge Design- und Architekturbüros gegründet wurden. Wir kannten schon einige, nur dieses eine Ladenbüro kannten wir noch nicht – und da saß dann Fabian an einem Tisch mit seinem Computer.
F: Das war im Februar oder März 2006. Dann habe ich eine Art „Filmriss“, also gefühlt haben wir gleich zusammen gearbeitet.
S: Wir waren damals Einzelkämpfer und hatten erste kleine Produkte auf dem Markt. Doch diese Art zu arbeiten war relativ schwer. Bis Fabian 2007 beim Salone Satellite in Mailand angenommen wurde...
F: ... und ich dachte erst mal nur – krass. Kann ich das alleine überhaupt reißen? Das geht eigentlich gar nicht, das ist viel zu teuer und zu aufwändig. Und da habe ich Sönke gefragt, ob wir es nicht zusammen machen wollen.

Dann wurde es richtig ernst?

S: Ja, aber in der Zeit, wo Fabian jetzt im Nachhinein seinen Filmriss hat, haben wir bereits für ein Standardprodukt „Teelicht“ zwanzig verschiedene Windlicht- und Teelichtvariationen entworfen. Daraus ist unser erstes Produkt „François“ für den Accessoire-Bereich entstanden und wir sind zur Ambiente gefahren....
F: ... mit dem Prototypen im Gepäck. Francois ist ein recht einfaches Teil. Es ist leicht zu produzieren – und es wird auch immer noch in Berlin hergestellt.

Warum heißt es „François“?


S: Du kennst doch das Schloss Chambord, das wurde für François den Ersten erbaut. In dem Schloss gibt es diese doppelläufige Treppenanlage, bei der Du auf der einen Seite hoch gehst, und auf der anderen Seite hinunter. Diese Spirale, die das Kennzeichen unseres Entwurfs ist, hat dem Produkt seinen Namen gegeben.

Diese Namensphilosophie habt Ihr beibehalten. Wenn ich Eure anderen Produkte sehe, finde ich nur Vornamen: Mida, die Hängeleuchte zum Beispiel.

S: Mida ist auch eine lustige Geschichte. Der Name kommt eigentlich zustande, weil ich in meinem Skizzenbuch so unleserlich den Namen unseres Kunden notiert hatte. Aus Micha wurde Mida.
F: Die Leuchte Mida ist übrigens das Ergebnis einer Anfrage eines Architekturbüros, das in einer ehemaligen Porzellanmanufaktur im Wedding mit diesen preußischen Kassettendecken saß und viel Licht zum Arbeiten brauchte. Doch sollte es möglicht nichts kosten, und wir konnten nur Blech und Leuchtstoffröhren verwenden. So ist Mida entstanden – obwohl das Briefing nicht hieß: Macht eine Leuchte.

Euer Debut als Designer hört sich nach einem steinigen Weg an, zumal die Anforderungen der Auftraggeber, für wenig Geld zu arbeiten, utopisch klingen. Bekommt Ihr solche Briefings trotz des dreijährigen Bestehens Eures Büros immer noch?

F und S einhellig: Ja.
F: Gerade im Möbel- und im Leuchtenbereich gibt es einfach zu viele Designer, die alle ungefragt ihre Entwürfe an die Unternehmen schicken – und diese suchen sich dann die Besten heraus. Wenn man irgendwann einen Namen hat und man als Autor angefragt wird, dann wird es ein bisschen einfacher. Aber bis dahin muss man zusehen, dass man mit den Unternehmen redet und herausfindet, was sie wollen. Man muss sich eben damit abfinden, dass man vorab eine Menge investieren muss.

Also verdient Ihr Geld mit den Lizenzen für Produkte, die Ihr entworfen habt? Ihr bekommt erst dann Geld, wenn das Produkt fertig entwickelt ist und im Laden steht?

S: Genau, aber diese Projektentwicklungen dauern meistens ewig. Wir arbeiten beispielsweise seit fast zweieinhalb Jahren mit italienischen Herstellern an Leuchten, und jetzt ist gerade wieder so ein Punkt…
F: ...wegen der Wirtschaftkrise ...
S: ... da passiert gerade gar nichts. Man muss die ganze Zeit dem Produzenten hinterherlaufen, nachhaken, telefonieren...

Wie stellt Ihr eigentlich den Erstkontakt zu Unternehmen her?

S: Wir reisen auf fast alle Messen und schauen uns um. Wir gehen dann direkt zu den wichtigen Entscheidern und stellen uns vor.
S: Unsere ersten Entwürfe sind unabhängig von irgendwelchen Firmen entstanden und haben uns letztendlich geholfen, einen Kontakt zu Unternehmen aufzubauen und mit denen über unsere Produkte zu diskutieren. Dieser Austausch ist wichtiger als der Gedanke, wir könnten ein Unternehmen für unsere Produkte auf Anhieb begeistern.
F: Durch den intensiven Meinungsaustausch erfahren wir inzwischen, was gerade in dem Unternehmen ansteht, was in Zukunft produziert wird. Zudem bekommen wir ein direktes Feedback zu unseren Produkten. Hocker sind zum Beispiel für viele Unternehmen nicht so interessant.
 
Warum?

 
F: Wahrscheinlich weil die Gewinnspanne eher gering ist. Ein Hocker darf nicht so viel kosten wie ein Stuhl, denn die Produktionskosten sind hoch.

Und diese Hocker hier hinten? Wer hat sie produziert?

F: Diese Hocker sind eine limitierte Auflage und in Eigenproduktion entstanden. Die erste Hocker-Herde namens „Schweinchen“  haben wir für unsere Ausstellung in Köln gebaut. Wir brauchten eine Sitzgelegenheit, die im ästhetischen Kontrast zu unseren schwarz-weiß gehaltenen Büromöbeln stehen sollte. Die Idee für die Form kam mir übrigens bei einer Reise durch Griechenland, wo ich Schlachtbänke gesehen hatte – daher auch die schiefen Beine.

Deshalb auch der Name?

F: Der Name ist auch eher ein Zufallprodukt, denn wir hatten in diesen Hockern unser Werkzeug während der Ausstellung verstaut – sie hatten damals einen Deckel. Wir haben uns dann bei der Suche nach dem Werkzeug gegenseitig gefragt: In welchem Schweinchen ist denn der Schraubenzieher? Und auf einmal hatte der Hocker seinen Namen weg. 
S: Die erste Herde war nur fünf Schweinchen groß. Und dann gab es die Anfrage vom DMY, ob wir nicht eine zweite Herde für eine Lounge produzieren können.
  
Aus der Not wurde dann eine Tugend – ein Prinzip, das Ihr häufiger anwendet?

F: Wenn wir Prototypen für Messen bauen, machen wir inzwischen immer eine kleine Serie, damit wir über den Verkauf von einzelnen Prototypen das Ganze finanzieren können. Das klappt nicht immer, aber manchmal zumindest.
S: Auch wenn wir nicht viele Kontakte zu Designgalerien haben, weil wir eigentlich immer in Serie denken und keine Editionsdesigner werden wollen, bietet uns dieser Ansatz die Möglichkeit, zumindest den Prototypbau zu finanzieren.

Vertrauen in Eure Kompetenz spielt eine große Rolle bei Kontakten zu Herstellern. Ihr habt inzwischen einen ganz guten Draht zu dem spanischen Büromöbelproduzenten Dynamobel. Wie kam das?

F: Rainer Schäfer, den Vertriebsleiter Dynamobel Deutschland, haben wir beim Design Annual in Frankfurt kennen gelernt. Da er öfters mal in Berlin ist, hat er uns hier im Studio besucht. Wir haben viel gequatscht, und uns ausgetauscht – er hat ja auch Design studiert  – und dann haben wir Dynamobel-Stühle gegen eine Lampe von uns – „Lambda“ –  getauscht.

Passiert Euch das öfter, dass Ihr solche „Kooperationen mit Herstellern“ eingeht?

Nein, aber es wäre schön, wenn es öfter passieren würde. Denn es macht Spaß und ist inspirierend, sich professionell auszutauschen und eine andere Perspektive auf den Markt kennen zu lernen. Zudem hat Rainer auch ein paar Bemerkungen gemacht, die uns bei der Entwicklung von unseren Produkten noch weiter voran gebracht haben. Das war richtig gut! Überhaupt finden wir den Austausch mit anderen ziemlich befruchtend.

Oft scheitern Jungdesignern, weil sie nicht unternehmerisch denken können – und es auch in ihrem Designstudium nicht gelernt haben. Wie läuft das bei Euch?

F: Wir treffen Entscheidungen oft aus dem Bauch heraus, was vielleicht aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht richtig ist. Aber wenn wir von einer Idee überzeugt sind, dann wollen wir sie auch realisieren. Natürlich rechnen wir, aber wir machen nicht am Jahresanfang eine Budgetplanung und legen fest, welche Projekte welches Budget bekommen. Ich wage zu behaupten, dass Design extrem schwer planbar ist. Oft kann man schlecht einschätzen, wie viel Arbeit ein Projekt oder eine Idee macht. Es ist auch schwer zu sagen ob sich ein Produkt verkaufen lässt oder ob es erfolgreich wird – oder eben nicht. Oder wie lange es auf dem Markt sein wird.

Klingt wie Lotto spielen...

S: Ich kann Dir mal ein Märchen erzählen: Wir waren neulich auf einer Reise durch Westdeutschland, da haben wir uns mehrere Termine auf die Route gelegt und wollten auch bei einem Kunden vorbei fahren. Einen Tag bevor wir losgefahren sind, meinte Fabian: Wir können nicht mit leeren Händen dort auftauchen. Dann haben wir in einer Nacht- und Nebelaktion eine Reihe von Entwürfen ausgearbeitet.
F: Und jetzt werden bereits die Werkzeuge gebaut. Manchmal geht es halt so. Ein Produkt gefällt, und die Realisierung wird sofort entschieden. Natürlich ist zwischen dem ersten Meeting und dem jetzigen Stand viel Arbeit in das Projekt geflossen. Wir hatten eine Idee – und die gefiel. Dann ist die Ausarbeitung sehr viel motivierender. Es ist eben immer das: zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Leuten sprechen, die einen am besten schon kennen, damit sie Augen und Ohren für unsere Ideen haben.

Dennoch scheinen es Jungdesigner besonders schwer zu haben. Woran liegt das Eurer Meinung nach?

S: Ich habe das Gefühl, dass Firmen die Entwicklung junger Designbüro aufmerksam verfolgen. Wird die Partnerschaft der Designer von Dauer sein? Diese Frage schwingt bei Newcomern immer mit. Eine Trennung von Geschäftspartnern passiert ja oft genug und ist ein schwer kalkulierbares Risiko für Hersteller. Doch wenn man zwei, drei Jahre auf dem Markt ist und sich bewährt hat, dann wissen die Unternehmen, dass sie dieses Risiko eingehen können – weil es dein Designstudio auch in sechs Monaten noch geben wird.

Wo wollt Ihr denn hin? Was ist Euer Ziel?

F: Wir wollen reich und berühmt werden (lacht).
S: Und wir möchten weiter ganz unterschiedliche Dinge entwickeln und realisieren – vom Auto bis zur Büroklammer.

Vielen Dank für das Gespräch.
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