Newcomer

Interview: Oskar Zieta

von Tanja Pabelick, 17.12.2008

Der in Polen geborene Gestalter Oskar Zieta hat Architektur an der „University of Technology“ in Stettin studiert und dort im Jahr 2000 sein Diplom gemacht. Danach wechselte er für einen Aufbaustudiengang an die ETH in Zürich, wo er begann, mit innovativen Fertigungsverfahren und Blech zu experimentieren. Acht Jahre sind seitdem vergangen, und seit letztem Jahr sind die ersten Resultate seiner von ihm „FiDU“ benannten Technologie auf dem Markt. Für die unter Innendruck mit Luft aufgeblasenen Blechmöbel, wie den Hocker „plopp“, wurden ihm seither einige der wichtigsten Designpreise, wie der Red Dot Award oder der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Wir trafen Oskar Zieta im November beim YDMI in Berlin, wo er gerade den Preis als „Young Professional 2008“ gewann und sprachen mit ihm über die Ergonomie von Hockern, Architektur im Design und darüber, was junge Designer auch noch heute noch von dem Architekten Jean Prouvé lernen können.

Oskar Zieta, wie kommt ein Architekt dazu, ein Möbel wie „plopp“ zu machen?


In Zürich habe ich im Bereich CAAD bei Prof. Ludger Hovestadt als Assistent angefangen. Meine Aufgabe war es, computergesteuerte Maschinen in Architektur, Design, Leichtbau und Konstruktion einzusetzen. Ich habe mich schon ziemlich früh auf Blech konzentriert. Damals gab es noch nicht so viele Blechprodukte. Ich habe einige Firmen besucht und gesehen, dass in dem Werkstoff ein enorm großes Potential steckt, das noch nicht ausgereizt ist.

Vor dem Produkt stand also langes Experimentieren?


Ganz genau. Ich bin nicht irgendwann mitten in der Nacht aufgewacht und habe mir gedacht: „So. Blech kann man aufblasen.“ Wir haben lange versucht das Material, das als Platte flexibel und elastisch ist, zu stabilisieren. Nachdem wir mit Stanzen, Laserschneiden, Prägen und Biegen experimentiert haben, hat es sich eines Tages einfach ergeben, dass wir aus zwei geformten Elementen ein Profil gemacht haben. Und dann irgendwann später habe ich gedacht: das kann man doch auch mit Innendruck machen, so wie in der Automobilindustrie. Dort werden Profile mit einer Innen-Hochdruck-Umformung in Matrizen gepresst. Aber wir hatten immer wieder Probleme mit den Formen und Werkzeugen, die komplex und sehr teuer sind. Da im Design oder in der Architektur, wo Kleinserien und Einzelstücke gefordert sind, Kosten natürlich eine große Rolle spielen, konnten wir uns diese einfach nicht leisten. Ich glaube, selbst sehr erfolgreiche Architekten könnten sich solche Werkzeuge nicht leisten. Deswegen haben wir weitergesucht und sind am Ende auf die „Freie Innendruck Umformung“, kurz FiDU, gestoßen.

Wie wird denn mit Hilfe von FiDU aus zweidimensionalen Blechen ein dreidimensionales Objekt?


Wir legen zwei identische Bleche übereinander und schweißen sie entlang ihrer Kontur dicht. Dann wird die Form aufgeblasen. Und weil wir zweidimensional sehr präzise steuern können – bis zu einem Zehntel Millimeter genau – können wir auch die dreidimensionale Skulptur steuern. Das ist wie bei dem Handfadenspiel, das Kinder oft spielen: wenn irgendwo gezogen wird, wirkt sich das auf das ganze Gebilde aus. Alles ist verbunden, und wenn durch die Kontur schon gewisse Knoten- und Krafteinsatz-Punkte definiert sind, ist die Reaktion des Materials voraussehbar. Bei dem Hocker haben wir beispielsweise eine Verjüngung am Bein. Diese ist formal nicht wichtig – an dem Hocker gibt es nichts, was formal gedacht ist – sondern alles hat eine Funktion. Wenn man eine Biegeachse will, also wenn man will, dass sich das Material an einer bestimmten Stelle knickt, dann muss man die Form dort verjüngen.

Was aber nicht erklärt, wie man die Richtung der Biegung definiert. Bei dem Stuhl, der ja auch aus einem Stück gefertigt ist, biegen sich die Beine nach unten und die Lehne nach oben...


Ganz genau. Das Material weiß natürlich nicht wo oben und unten ist. Natürlich ist das eine schöne Idee: man nimmt ein flaches Objekt, bläst es auf, und es faltet sich von ganz allein in mehrere Richtungen. Das Problem war, dass sich manchmal zwei Beine nach oben und zwei nach unten gebogen haben. Solche Produkte kann man natürlich nicht verkaufen. Deswegen müssen wir die Richtung der Deformation vorgeben, indem wir alles leicht vorknicken.

Die Form der FiDU-Möbel leitet sich also vor allem aus den technischen Anforderungen bei der Produktion ab?


Betrachten wir den Hocker: die formale Sprache war nie ein Thema für das Produkt. Ich habe bei der Konzeption immer nur an die technologischen Möglichkeiten in der Produktionskette gedacht. Die Füße müssen abgerundet sein, sonst blasen sich die Ecken nicht auf. Plopp hat nur drei Beine, weil die kleinen Ungenauigkeiten bei vier Beinen dazu führen, dass das Modell instabil wird, und der Hocker wackelt. Und das Loch in der Mitte der Sitzfläche gibt es auch nur, damit der Querschnitt bei der Sitzfläche und bei den Füßen nahezu gleich wird. Vielleicht wird er aber gerade deswegen so gut angenommen.

Wenn jeder Hocker bis zu einem gewissen Grad ein Zufallsprodukt ist, wie wirkt sich das dann auf die Ergonomie aus?


Zur Ergonomie habe ich mir bei dem Hocker nicht viel überlegt, und man kann auch nicht wirklich viel verbessern. Ich glaube, Hocker sind ohnehin Objekte, auf denen man nur kurz sitzen will. Ich habe aber schon einen mehrstündigen Test gemacht, und das hat ganz gut funktioniert. „Plopp“  ist eigentlich viel bequemer als er aussieht. Beim Design Mai 2008 in Berlin zum Beispiel haben wir 50 Stück ausgestellt. Damit waren wir der Gegenpol zur weichen Lounge Zone von „Quinze & Milan“, die mit weichen Schaumstoffen arbeiten. Ich hatte den Eindruck, die Leute haben unsere Installation genossen. Es haben sich Grüppchen gebildet, und ich war sehr zufrieden, das sehen zu dürfen. Zuerst dachte ich, die Leute werden das nicht akzeptieren, sie werden darauf nicht sitzen wollen. Es kam aber ganz anders: das Objekt ist zum Thema von vielen Gesprächen geworden. Die Leute haben sich erzählt, wie das funktioniert. Und zusätzlich noch dieser Aha-Effekt: Aha, das sieht aufgeblasen aus, Bongbong, das ist aus Blech. Warum? Wie kann man Blech aufblasen? Dreht man das Objekt um, ist da auch noch dieses Ventil. Also hat man es aufgeblasen. „Plopp“ ist also ein durchaus soziales Objekt.

Man fühlt sich bei „Plopp“ auch unweigerlich an die Aufblasmöbel der 60er und 70er erinnert, die aus weichem Kunststoff gefertigt waren.
Obwohl er aus Edelstahl ist, wirkt er nachgiebig und verformbar…

Das ist er aber überhaupt nicht! Man kann ihn mit eineinhalb Tonnen belasten. Wenn nicht mit zwei.

Und er ist auch ein Objekt, das das Erlebnis und im weitesten Sinne seine Entstehungsgeschichte mit verkauft: wie sich in ein paar Sekunden quasi aus dem Nichts ein Möbel entfaltet …


Das war ja auch Teil der Idee: wie kann ich aus einem flachen Material, das noch biegbar ist, etwas stabiles Dreidimensionales produzieren? Bei dem Hocker haben wir gesagt: das ist mit Blech ummantelte Luft. Das Objekt manifestiert die Technologie. Was wir zurzeit entwickeln, ist weniger expressiv. Die Bank etwa, die wir gerade vorgestellt haben, ist sehr viel filigraner - der Hocker sieht bewusst nicht so aus. Aber seit seiner Entstehung haben wir viele Tests gemacht, und jetzt wissen wir noch besser, wo die Möglichkeiten der Technologie liegen. Bei der Bank kann man bei der Bestellung sogar die Länge der Sitzfläche bestimmen.

Indem ihr die Bank modifizierbar gestaltet, integriert ihr auch einen weiteren Vorteil computergesteuerter Fertigungsverfahren: das Design auf die Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden...

Ja, und wir arbeiten derzeit auch an mehreren anderen Entwürfen. Zuletzt haben wir eine Lampe und ein Tischgestell präsentiert. Aber das sind immer noch Objekte, wo man schnell merkt: die sind aufgeblasen. Die manifestieren immer noch die Aufblastechnologie. Was ich aber in den nächsten Jahren zeigen will, ist, dass die Teile mit der FiDU-Technologie aufgeblasen sind, aber nicht nach aufgeblasen aussehen. Die Elemente werden ruhiger, aber auch funktionaler.

Du arbeitest im Moment fast ausschließlich mit der FiDU-Technologie. Kannst Du Dir nicht vorstellen, dass Du damit irgendwann einmal abgeschlossen hast?

Doch. Das kann ich mir vorstellen. Aber immer wenn wir etwas Neues geschafft haben sage ich: „Mensch, da gibt es noch so viel zu tun“. Ich sehe das fast als eine Verantwortung. Deswegen machen wir Grundlagenforschung, deswegen testen wir einzelne Materialien mit verschiedenen Deformationen: welche Stabilität gewinnen wir, wenn wir zusätzlich noch Innendruck aufbauen oder die Form mit verschiedenen Materialien ausfüllen und wie stabil werden die Teile sein? Da gibt es noch für Jahre genug zu tun. Das ist eigentlich langweilige Arbeit, wenn man immer wieder ein Profil aufblasen, belasten und den Prozess dann dokumentieren muss. Aber wir machen auch andere Sachen. FiDU ist für uns natürlich sehr wichtig, und trotzdem haben wir auch schon andere Systeme entworfen, wie zum Beispiel die dreiplus-Platte, mit der man flächiges Material stabilisieren kann. Das entwickelt sich parallel und da entstehen auch sehr schöne Sachen.

Und die Architektur?


Wir bewegen uns schon wieder in der Architektur. Wir haben schon erste Träger und Elemente gebaut, und ich sehe auch immer wieder die enge Verbindung von Architektur und Design. Wir testen Knotenpunkte für die Architektur, die ich dann später im Design oder für etwas ganz anderes einsetzen kann. So hat Jean Prouvé das auch gemacht. Er hat Konstruktionen zuerst bei einem Möbel ausprobiert. Vom Tisch „Compas“  bis zu dem Pavillon, den er gebaut hat: er verwendet das gleiche Prinzip, verändert aber den Maßstab. Und auch Prouvé hat den Produktionsprozess begleitet. Er konnte von dem Wissen, das die Leute an den Maschinen haben, profitieren. Und die Möglichkeit haben junge Designer heute immer seltener. Wenn Produktionen nach China verlagert werden, können sie die Prozesse nicht kennenlernen. So haben sie erstens keine Kontrolle und können zweitens nichts verbessern. Und drittens werden sie selber nicht besser, wenn sie sich nur mit einer virtuellen Umwelt beschäftigen. Sie entwerfen im Kopf und sehen die Technologie, die dahinter steht, nicht. Es wäre besser, wenn sie die erst kennenlernen würden und dann entwerfen. Wenn sie die Technik quasi ummanteln würden.

Danke für das Gespräch.
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