Alles Apfel
Gala, Early Gold, Pinova, Braeburn, Granny Smith. In Berlin träumt man zuweilen davon, diese Apfelsorten nicht im Biomarkt an der Hauptverkehrsstraße in Prenzlauer Berg zu kaufen, sondern direkt auf der grünen Wiese zu pflücken. Im burgenländischen St. Andrä am Zicksee kann man das und zwar auf dem Obsthof der Familie Leeb. Das Wiener Architekturbüro Architects Collective AC hat eine Verarbeitungshalle für Obst mit Verkaufs- und Nebenräumen entworfen, bei der der Endverbraucher direkt vor Ort in den (hoffentlich nicht sauren) Apfel beißen kann.
Verena und Albert Leeb besitzen einen Betrieb für die Verarbeitung und Vermarktung von Apfelprodukten. Das ist durchaus eine Marktnische im Burgenland, wo es sonst vorwiegend Gemüse- und Weinbauern gibt. Zumal der Obsthof der Familie direkt an den Verbraucher verkauft und nicht von Großabnehmern abhängig ist. Auf einem Grundstück von 3500 Quadratmetern Größe steht seit einigen Monaten auf der grünen Wiese die Obstverarbeitungshalle mit einer Nutzfläche von 400 Quadratmetern. Direkt an die Halle schließt sich ein Ladengeschäft an.
Verkaufsraum in Recycling-Optik
Das auffälligste Gestaltungselement des Ladens sind die großen, bis zum Boden reichenden Fensterflächen, die gleichzeitig als Eingang dienen. Falls die Sonne scheint, sorgen aufklappbare Alurahmen mit darauf gespannten, gebrauchten Werbeplanen für kühlenden Schatten im Inneren. Das Interiordesign übernahm das Wiener Büro Gabarage Upcycling Design, das sich bei ihren Entwürfen auf Restmaterialien als Basis spezialisiert hat, oder wie die Gründer sagen: „Die Ausgangsmaterialien werden von unserem Team in Zusammenarbeit mit ausgewählten Designern aus ihrem ursprünglichen Kontext genommen und einer neuen Funktion zugeführt. So entstehen individuelle Einzelstücke und Kleinserien.“
Im Verkaufsraum des Obstguts Leeb kommt beispielsweise die Leuchte „Racingball“ gleich mehrfach zum Einsatz. Schaut man genauer hin, erkennt man, dass sie aus gebrauchten Fahrradschläuchen und Kabelbindern gefertigt ist, die zusammen eine runde durchlässige Form ergeben, so dass das Leuchtmittel zu sehen ist. In den Regalen und Schränken aus gebrauchten Mehrschichtplatten und dem mit Druckerplatten verkleideten Verkaufstisch wurden sämtliche, auf dem Obstgut produzierten Produkte platziert.
Was man aus Äpfeln alles machen kann
Denn neben den frischen Früchten zum Selbstpflücken produziert Familie Leeb auch Naturprodukte wie Apfelsaft ohne jegliche Zusatzstoffe, von Hand geschnittene und gedörrte Apfelchips sowie naturtrüben Apfelessig und -schnaps. Das Obstgut baut die Apfelsorten naturgerecht an und arbeitet nach der sogenannten „Kontrollierten Integrierten Produktion“ (KIP), was bedeutet, dass nur bestimmte und so wenige wie möglich Spritzmittel eingesetzt werden. Ganz auf biologischen Anbau setzt das Unternehmen indes nicht, da der Kunde nun einmal einen schönen, großen Apfel statt einen fleckigen, schrumpeligen verzehren möchte, so Vera Leeb, die Besitzerin. Dafür liefert man aber nur in die Region, nicht weiter weg als in die Hauptstadt Wien.
Wenn Architektur, Design und Produkte nachhaltig sind
Ökologie und Nachhaltigkeit spielen nicht nur beim Anbau der Äpfel und im Interiordesign eine entscheidende Rolle, sondern auch bei der Architektur. So besteht das Gebäude vorrangig aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz und Recycling-Produkten. Die Holzrahmenkonstruktion der Verarbeitungshalle ist nicht nur optimal gegen Hitze und Kälte gedämmt, sondern war auch sehr schnell vor Ort aufgebaut, nämlich in vier Monaten. Der Verkaufsraum mit Nebenräumen ist im Passivhausstandard ausgeführt, während die Fassadenfläche des gesamten Gebäudes aus Grobspanplatten (OBS) besteht, die mehrfach braun beziehungsweise grün lackiert wurde. Dahinter werden jährlich – man glaubt es kaum – 200 Tonnen Äpfel verarbeitet.
Links
Interiordesign
Gabarage Upcycling Design, Wien