Anders als die anderen
Was für ein Arbeitsumfeld brauchen eigentlich Menschen mit physischen oder psychischen seelischen Störungen? Wie sozial muss ein sozialer Arbeitsplatz sein? Diese Fragen stellten sich die niederländischen Gestalter i29 und das Architekturbüro VMX, als sie den Auftrag bekamen, die neue Ausbildungsstätte des Combiwerk Delft zu gestalten. Dabei galt es nicht nur mit alten Klischees aufzuräumen, sondern auch eine identitätsstiftende Gestaltungssprache zu finden. Wer den äußerlich grauen Neubau betritt, erlebt sein buntes Wunder!
Ein sozial ausgerichteter Arbeitsplatz muss auch sozial gestaltet sein, in diesem Punkt waren sich alle Projektbeteiligten einig. Man wollte kein gesichtsloses Gebäude, sondern eines, das den Stolz und die Talente seiner Nutzer nach außen vertreten und die wertvolle Arbeit, die in seinem Inneren verrichtet wird, unterstützen würde.
Gelungene Geste
Ein knappes Budget und der Wunsch nach Nachhaltigkeit führten dazu, dass bei der Konstruktion des Neubaus auf eine günstige Industriehallen-Konstruktion mit einer einfachen Wellblechfassade zurückgegriffen wurde. Doch auch hier schafft es das für die Architektur verantwortliche Amsterdamer Studio VMX, mit einfachen Mitteln eine gelungene Geste herzustellen: Die Fenster verschwinden hinter einer perforierten Blechschicht – das Haus wirkt mit seiner asymmetrisch geschwungenen Dachform wie aus einem grauen Guss. Kombiniert mit der Bürogestaltung von i29 ist die neue Ausbildungsstätte des Combiwerk Delft eine wunderbare Referenz für den Kontrast zwischen einem unscheinbaren Erscheinungsbild und innerem Reichtum.
Farbinseln im grauen Ozean
Bereiche zum Sortieren, Verpacken und Montieren, ein hauseigenes Restaurant mit Küche sowie ganz normale Büroarbeitsplätze bilden das Grundgerüst der Ausbildungsstätte, doch auch das Putzpersonal und die Gartenarbeiter sind Teil des angebotenen Jobprogramms. Diese Vielzahl an Arbeitssektionen spiegeln i29 in einem patchworkartigen Farbteppich wider, die sie als „Gärten“ bezeichnen. Und tatsächlich zieht sich das Rot, Grün, Blau und Gelb in verschiedenen Abtönungen über Boden und Möbel wie eine Schicht farbiges Moos. Der Hintergrund – die Hallenwände und -decke sowie Teile des Bodens – ist in einem monolithisch wirkenden Grau gehalten, wodurch der Kontrast noch verstärkt wird: Wie Farbinseln schlängeln sich die Arbeitsbereiche durch das große Hallengebäude.
Dass Menschen mit Behinderungen. meist ohne genaueres Hinsehen, in die immer gleiche Schublade gesteckt werden, machen i29 zu einem weiteren Motiv ihrer Gestaltung, das sie sinnbildlich im gesamten Arbeitsbereich einsetzen: Gestapelte Boxen ziehen sich als skulpturale Raumtrenner und Regale durch die gesamte Einrichtung. Wenn es nach den Designern geht, sollen sie durch die Nutzer mit persönlichen Gegenständen gefüllt werden: Möbel, die ihre Geschichten erzählen.
Altes mit Neuem
Gespräche mit betroffenen Menschen zeigten, dass sich die meisten von ihnen stark an Routinen und einer gewohnten Umgebung orientierten. Das führte zu der Überlegung, gebrauchte und authentisch wirkende Gegenstände in die neu geschaffene Bürowelt einzubringen: 250 Secondhand-Stühle – wobei keiner dem anderen gleicht – aber auch alle anderen Möbelstücke wurden gebraucht gekauft und von den Auszubilden vor Ort restauriert. Nicht nur, dass sich jeder seinen Lieblingsstuhl suchen kann – für i29 ist das bunte Gemisch der Möbel auch ein Sinnbild für die Vielfalt der Angestellten.
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