Architektur als Spielzeug
Wie spielerisch Architektur sein kann, zeigt ein japanische Kita.

Kinder brauchen Natur, kreative Nischen zum Verstecken und vor allem viel Platz zum Toben. In der dicht besiedelten Wohngegend um Kyoto ist Raum für Kinder jedoch spärlich vorhanden. Für den Bau einer Kindertagesstätte fanden die Architekten des japanischen Studios Archivision Hirotani dennoch eine smarte Lösung, alle Anforderungen auf wenig Fläche unterzubringen.
Wer sich der Kindertagesstätte Mukou Leimondo unweit von Kyoto nähert, mag sich zunächst wundern: Auf dem Dach des Gebäudes stehen, unregelmäßig verteilt, asymmetrische, hölzerne Gebilde, die vor benachbarter Gebirgskulisse wie ein kleines Bergdörfchen anmuten. Mit dem heimeligen Charakter einer Holzhütte hat der restliche Bau jedoch wenig zu tun: Beim Betreten öffnen sich weitläufige, lichte Räume, die aufgrund der großen Fensterflächen, den Dielenböden und den holzverkleideten Wänden eher an das Raumgefühl einer Turnhalle erinnern.
Spielplatz mit Aussicht
Hier gibt es ausgedehnte Flächen zum Spielen, Rennen und sich Ausbreiten. Diese waren allerdings nicht von vorneherein gegeben: „Wegen der begrenzten Baufläche gab es nicht ausreichend Platz für einen ebenerdigen Spielplatz“, so die Architekten Yoshihiro Hirotani und Yusaku Ishida. „Deshalb legten wir einen Rasen auf das Dach und entwarfen eine fantasievolle Landschaft unter freiem Himmel.“ Die hüttenförmigen Objekte gliedern den Garten und haben durchaus skulpturale Qualitäten. Sie schaffen spannende Sichtachsen, formulieren Nischen und spenden Schatten. Doch was befindet sich in ihrem Inneren?
Das ganze Spektrum
Zwar verfügen die hölzernen Häuschen über Fenster, Eingänge hingegen sucht man vergebens. Wer einen Blick hineinwirft, erhält durchgehende Sicht bis in die unteren Räume und erkennt, dass es sich hier, wider erwarten, nicht um Häuser im eigentlichen Sinn handelt. Tatsächlich stellen sie die Dächer von insgesamt sechs, im Erdgeschoss liegenden, Räumen dar. Sich nach oben hin verjüngend, durchbohren sie die Decke wie Schornsteine und erreichen so die doppelte Deckenhöhe. Gleichzeitig schleusen sie auf diesem Wege Oberlicht nach unten, was eine angenehme indirekte Beleuchtung schafft. Fensteröffnungen unterschiedlicher Größen und Formate erzeugen dabei variierende Lichtstimmungen. Außerdem ist jeder der separaten Räume in einem anregenden, lebendigen Ton gestrichen – darunter ein warmes Lindgrün, ein Himmelblau, ein Zitronengelb oder ein poppiges Rosa. Dank des vertikalen Lichteinfalls entstehen so variierende Nuancen und poetische Farbverläufe.
Kreative Refugien
„Häuser des Lichts“ nennen die Architekten diese Räume im Raum. Doch eigentlich erscheinen erst durch das Zusammenspiel von Beleuchtung und Farbe reizvolle Effekte, die das Gebäude buchstäblich sinnlich erfahrbar werden lassen. Die Wahl ihrer Farben erinnert an Goethes Farbkreis und im erweiterten Kontext auch an Rudolf Steiners Goetheanum in Dornach, dessen prächtig bemalte Decken und Wände eine ebenso anregende Wirkung haben. Die Räumlichkeiten der Tagesstätte erhalten mit den farbigen und individuell beleuchteten Zimmern zum einen harmonische Refugien, in die sich die Kinder, je nach Gefühl, zurückziehen können. Zum anderen verwandelt die variierende Licht- und Farbgestaltung den Raum in ein kreatives Element, das die Kleinen, so die Architekten, häufig in ihr Spiel einfließen lassen. Ganz nebenbei fördert die Architektur so gleichermaßen Beobachtungsgabe wie kommunikative Fähigkeiten der Kinder. Mit der Tagesstätte Mokou Leimondo gelingt den Architekten nicht nur eine abwechslungsreiche Raumfolge aus weiten Flächen und verschachtelten Nischen. Sie verleihen der Architektur auch etwas Lebendiges, wodurch sie – ähnlich wie ein Spielzeug – die Entdeckerfreude der Kinder anregt.
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