Auf ein Glas mit Herzog & de Meuron
Sanierte Brasserie und Bar des Volkshaus Basel
Das Volkshaus Basel ist eine kulturelle Institution in der Stadt am Rhein. Hier finden nicht nur Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Brasserie und Bar waren seit jeher Treffpunkt von Kunst-, Architektur- und Design-Verliebten. Gerade ist das Haus aus den Zwanzigern wiedereröffnet, nachdem es von den lokalen Weltstars vom Architekturbüro Herzog & de Meuron komplett umgebaut worden ist.
Das Volkshaus Basel blickt zurück auf eine bewegte Geschichte, die bis ins 14. Jahrhundert reicht. Damals noch Burgvogtei, wechselten die Nutzungen des Hauses in den folgenden Jahrhunderten stetig. Im 19. Jahrhundert befand sich auf dem Gelände eine Brauerei samt Gastwirtschaft, während das heutige Gebäude von 1925 stammt. Der Architekt Henri Baur war einige Jahre zuvor als Gewinner aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangen. Er ergänzte eine damals bereits vorhandene Konzerthalle um verschiedene Räume, ein Restaurant und Hotel. In den siebziger Jahren knapp einem bereits geplanten Abriss entgangen, wurde das Volkshaus anschließend saniert und dabei durch technische Baumaßnahmen ästhetisch stark beeinträchtigt. Herzog & de Meuron haben diese Überformungen weitgehend entfernt und – soweit finanziell und technisch möglich – die Originalstruktur der Räume wiederhergestellt. Um raumprägende Elemente zu identifizieren, nutzten sie historische Archivaufnahmen.
Gliedern und ordnen
Im Restaurant demontierten die Architekten eine abgehängte Decke. Unter den freigelegten Balken tafelt man heute in edel-gediegenem Ambiente, das an Wiener Kaffeehäuser erinnert. Der große, langgestreckte Raum ist durch wenige Farben architektonisch dreigeteilt: Auf dem dunklen Fußboden stehen in der Mitte und an den Seiten mit grünem Leder bezogene Sitzbänke, die den Raum in einzelne Zonen gliedern. Die Sitzbänke werden hinterfangen von weißen Wänden und der ebenfalls weiß getünchten Balkendecke. Die Reduzierung auf diese wenigen, raumbestimmenden Elemente lässt das Restaurant ausgesprochen aufgeräumt und klar strukturiert wirken. An den Längsseiten vervielfachen verschieden geformte Spiegel das durch große Fenster hereinfallende Tageslicht. Zusätzliche, künstliche Beleuchtung wird erzeugt durch LED-Pendelleuchten, die unter der gesamten Decke verteilt sind. Sie ähneln simplen Glühlampen und sitzen in einfachen Fassungen. Dickwandig und mundgeblasen, nehmen sie Bezug auf die historischen Kronleuchter.
Nicht einfach nur ein Stuhl
Die modernen Deckenleuchten stehen in einem schönen Kontrast zur Bestuhlung. Dabei handelt sich um einen Nachbau des hölzernen Volkshaus-Stuhls des Schweizer Herstellers Horgenglarus, der zur Originalausstattung gehörte. Die im Volkshaus eingesetzten 255 Stühle sind allerdings modifizierte Versionen. Warum, erklärt Marco Wenger, Geschäftsführer von Horgenglarus: „Grundsätzlich war die Überlegung, die Individualität in den Vordergrund zu stellen. So gibt es beispielsweise sichtbare Nummern auf jedem Stuhl, die auf das Rückenteil aufgeschlagen wurden. Das Ziel ist, dass sich der Gast mit dem Stuhl auseinandersetzt. Die verschiedenen Rückenteile sind eine Weiterentwicklung, um eben diese Individualität zu gewährleisten. Es war wichtig, dass jeder Stuhl anders ist." Dabei war die Zusammenarbeit mit den Architekten eng, wie Wenger ausführt: „Herzog & de Meuron haben all diese verschiedenen Rückenteile auf einen Plan gezeichnet, und wir konnten diese auf unsere Maschinen überspielen und hatten somit die Möglichkeit, die unterschiedlichen Teile auszufräsen. So hat nun jeder Stuhl ein anderes Rückenteil, zusätzlich zu den sichtbar beschlagenen Nummern auf der Rückseite – alles abgeleitet vom einstigen Originalstuhl.“ Gemeinsam mit den lederbespannten Sitzbänken sind die Volkshaus-Stühle runden und rechteckigen Tischen zugeordnet. Herzog & de Meuron schaffen mit den visuell zurückhaltenden Sitzgelegenheiten verschiedene, beinahe intime Raumzonen – ohne die perfekten Proportionen des Raums zu unterbrechen.
Le zinc oder eine Bar aus Zinn
Vom Restaurant führt eine Pendeltür in die angegliederte Bar. Herzog & de Meuron – deren Büro sich ganz in der Nähe des Volkshauses befindet – verwenden hier ein ungewöhnliches Material: Zinn. Es beginnt am Tresen und setzt sich an den Tischen fort. „Grundsätzlich war es uns wichtig, ausschließlich mit hochwertigen Materialen wie Zinn, Leder und Holz zu arbeiten, die über die Jahre durch Gebrauchspuren eine Patina entwickeln“, sagen die Architekten. Neben Brasserie und Bar ist es vor allem die Gestaltung der öffentlichen Waschräume, die ausgesprochen gelungen ist. Über Wände und Decken verlaufen auf Tapeten übertragene Stiche aus dem 17. Jahrhundert, die eine Brücke schlagen zurück ins Basel der ehemaligen Burgvogtei. Sie kontrastieren mit dem rein weißen Fußboden und den ebenfalls weißen Waschbecken, die recycelt sind und aus der Basler Bauteilbörse stammen.
Das Volkshaus Basel ist seit seiner Entstehung wichtiger zentraler Treffpunkt für politische, soziale und kulturelle Aktivitäten. Dem gelungenen Umbau durch Herzog & de Meuron ist es zu verdanken, dass das Interior nun auch den Ansprüchen heutiger, detailverliebter Kunst-, Architektur- und Designfreunde genügt. Hier sitzen sie, erfreuen sich an original wiederhergestellten und zeitgenössischen Gestaltungselementen, blättern in der Tagespresse, palavern über Kunst und Literatur oder trinken einfach nur ein Glas Rotwein.
FOTOGRAFIE Adriano Biondo © Horgenglarus
Adriano Biondo © Horgenglarus