Berge versetzen
Es ist kein Geheimtipp mehr und inzwischen hoch dekoriert – doch immer wieder gibt es Neues zu berichten aus dem Gästehaus berge in den bayerischen Voralpen, das der Designunternehmer Nils Holger Moormann in direkter Nachbarschaft zu seinem Firmensitz in Aschau eingerichtet hat: So wurde berge 2010 mit dem Designpreis Gold der Bundesrepublik Deutschland und dem Corporate Design Award ausgezeichnet. Außerdem kann man mit der hauseigenen „Ausrüstung“ nun buchstäblich „berge versetzen“: Passend zum Gästehaus gestaltete Accessoires sowie Textilien und Geschirr wurden in einer eigenen Kollektion aufgelegt – als Erinnerung an den Urlaub oder einfach ein Stück Voralpengefühl für zu Hause.
Eigentlich wollte Nils Holger Moormann nur sein Unternehmensgebäude, die „Bergwacht“, um ein Lager erweitern, da es aus allen Nähten platzte. Mit dem Erwerb des Nachbargrundstücks wurde er auch Eigentümer eines früheren Backhauses – eines mehrfach umgenutzten, großen Gebäudes. Schnell war jedoch klar, dass dieses Haus gar nicht zum gewünschten Zweck umgestaltet werden durfte – doch Eigentum verpflichtet, und das Gebäude war äußerst baufällig. Mit der Instandsetzung des Dachs kam die Ertüchtigung des Mauerwerks und damit die Frage nach einer neuen Aufgabe für die Hülle. Das Backhaus wurde zum Gästehaus, zur Herberge, deren Name berge für diesen Zweck steht und auch für das, was man von ihr aus sieht: die voralpine Landschaft des Chiemgau.
Einfachheit mit Humor
Ob „Gartenzwerg“, „Sommerloch“, „Bergebude“ oder „Vorderstübchen“– die Namen der unterschiedlichen Wohneinheiten, die im berge angeboten werden, halten, was sie versprechen: Hier sind ganz eigensinnige, eigenartige Räume entstanden. Jede „Wohnung“ – manchmal ist es auch nur ein Zimmer mit Bad – hat einen eigenständigen Charakter, der sowohl die vorgefundene Substanz und die Lage innerhalb des Hauses berücksichtigt, als dieser auch jedes Mal ein Stück Moormann’sche Designphilosophie hinzufügt. Aus einfachen, möglichst natürlich belassenen Materialien – am liebsten aber Plattenbaustoffen – wurden hier Möbel eingebaut, die dem Nutzer immer etwas mehr abverlangen als reinen Konsum. Dafür bieten sie aber auch immer ein bisschen mehr. In die – traditionellen Alkoven nachempfundenen – Schlafkojen der kleinen „Bergebude“ muss man hineinklettern, dafür taugen sie mit einer Breite von 1,20 Metern aber nicht nur für einen sondern auch mal für zwei – nähesuchende – Menschen. Die nach dem Prinzip der „dicken Wand“ gestalteten Einbauten bieten zudem Platz für Ablagen und Regale. Und im Apartment „Nordwand“ wird die Treppe zur kleinen Galerie gleichzeitig als (Bücher-)Regal genutzt.
Zur Ruhe kommen
Apropos Bücher: In berge gibt es davon reichlich; eine bibliophile, in Leinen gebundene Klassikeredition ist hier versammelt, zu finden natürlich nicht nur in den Sideboards und Regalen des Hauses, sondern auch in den Sitzmöbeln „Bookinist“ und „Easy Reader“ sowie in einem eigenen „Literatenkammerl“. Vergeblich suchen wird man dagegen einen Fernseher. Auch einen Internetanschluss gibt es nicht, der Mobiltelefonempfang ist ebenfalls lückenhaft. Medienjunkies werden hier also gnadenlos in den kalten Entzug geschickt – auch wer „sich endlich mal wieder verwöhnen lassen“ möchte, wie es so viele Wellnesshotels versprechen, sucht sich besser eine andere Unterkunft – es sei denn, ihm reicht die kleine Gartenhaus-Sauna.
Selber machen
Denn hier muss man sich selber waschen, selber kochen und selber aufräumen. Dafür hat fast jede Wohnung eine eigene Küche oder Küchenzeile sowie einen geräumigen Essbereich. Kochen kann man dort auf zwei Induktionsfeldern, einen Herd gibt es nicht. Dafür aber alles, was man zum Brutzeln und Braten braucht: Vom Topf über den Messbecher bis zur Espressokanne sind alle wichtigen Utensilien vorhanden. Die Küchen selbst sind robust gestaltet: Eine Naturholzplatte dient als Arbeitsfläche, die Fronten und Türen sind aus schwarzem Birkensperrholz – zum Beispiel in der „Liftstube“, der „Hohen Kammer“ und im „Kampenblick“ – oder aus weißem Birkensperrholz wie in der „Winterstube“ oder im „Gartenglück“. Bei den Essplätzen ist fast jede Typologie vertreten: Während man im „Kampenblick“ vor einem Fensterband auf hochlehnigen Bänken sitzt, die eine eigene Nische im Raum formen, kann man es sich in der „Hohen Kammer“ auf Eames’ Side Chairs Wood an einem langen Tisch bequem machen. Eine Kombination aus vor der Wand „schwebender“ Bank und den Eames-Stühlen findet man im „Gartenglück“; und bei der „Winterstube“ wurde vor einem Rundbogenfenster der klassische Essplatz mit zwei Bänken variiert. Für ausgiebige Gelage gibt es die „Große Stube“ mit vollwertiger Küche, großem Esstisch und – bei Bedarf – fachlicher Unterstützung beim Kochen.
Ausrüstung
Die Teller und Tassen, von denen man in berge isst beziehungsweise aus denen man trinkt, gibt es auch für zu Hause. Das Service besteht aus einfachem weißem Porzellan, das mit der Wortmarke berge signiert ist – so wie die Handtücher aus Waffelpikee und die schlichte, weiße Bettwäsche. Und wer ein Stück Verlangsamung mit nach Hause nehmen will, kann den angefangenen Strickschal von Hedwig Bouley erwerben und zu Ende stricken. Stricken soll ja unglaublich entspannend sein – und wem das zu wenig ist, der kann dazu daheim ja den Fernseher anschalten.