Berliner Nächte
Flohmarkt-Objekte statt Designmöbel, individuelle Gestaltung statt Gleichförmigkeit – mit dem „Michelberger Hotel“ in Berlin schuf der Berliner Designer Werner Aisslinger einen völlig neuen Hotel-Typus. Die Zielgruppe sind insbesondere junge Reisende, die die Atmosphäre der Hauptstadt nicht nur auf Streifzügen entdecken, sondern sie auch in ihrer Unterkunft erleben wollen. Gemeinsam mit dem Team des „Michelberger Hotel“ verwandelte Werner Aisslinger ein ungenutztes Industrieloft an der Warschauer Straße in ein junges und unkonventionelles Hotel, das das spezielle „Berlin-Feeling“ in all seinen Facetten widerspiegelt.
In den 119 Zimmern des „Michelberger Hotel“ ist jedes Detail durchdacht – von der selbst illustrierten Streetart-Tapete über Papierlampen und Trennwände aus Büchern bis hin zu selbst entworfenen Etiketten für das hoteleigene Duschgel. „Das ¸Michelberger Hotel‘ hat Ecken und Kanten, denn etwas Aalglattes und zu Perfektes hinterlässt meist keinen bleibenden Eindruck“, so Tom Michelberger, Gründer, Geschäftsführer und Namensgeber des Hotels. Gemeinsam mit Nadine May, Azar Kazimir, Jens Strobl, Rudi Michelberger und Werner Aisslinger entschloss er sich, ein Hotel zu eröffnen, wie es sich das Team selbst wünschen würde: abseits herkömmlicher Konventionen, individuell ausgestattet und liebevoll gestaltet, verspielt und humorvoll.
Bücher-Trennwände und Papierlampen
Umgesetzt wurden die Vorstellungen von Werner Aisslinger, der dem alten Fabrikgebäude zwischen Oberbaumbrücke und O2-Arena ein neues Gesicht gab. Aisslinger behielt die architektonischen Gegebenheiten aus dem frühen 20. Jahrhundert, wie die riesigen Sprossenfenster, die hohen Decken und die Klinkerfassade, bei und integrierte sie in sein Designkonzept. Auch ein Innenhof, ausgestattet mit Hollywoodschaukeln und Holzpodesten und bei den Gästen sehr beliebt, gehörte zum ursprünglichen Areal. So weist nun bereits von außen ein riesiges Leuchtschild im Stil alter Hollywood-Kinos dem Berlin-Reisenden den Weg in das Hotel. Durch eine alte Fabrikeinfahrt, von deren Decke unzählige, übergroße Glühbirnen baumeln, geht es über den Innenhof zum Haupteingang des Hotels.
Schon die Lobby ist wie Berlin selbst: ein großer Raum, ausstaffiert mit wild durcheinander platzierten, gebrauchten Gegenständen aus verschiedenen Jahrzehnten, eine Mischung aus Fundstücken und exklusiv gestalteten Möbeln. Auf einem polierten Betonboden und vor unverputzten Wänden befindet sich in der Mitte des Raums die runde Rezeptionstheke. Abgeteilt vom Barbereich wird die Lobby durch große Gitterwände, in die zahllose, auf Flohmärkten und in Antiquariaten erstandene Bücher lose hinein gesteckt sind – eine Idee, die Werner Aisslinger schon vor einigen Jahren mit dem Regal books umsetzte. Sie bilden individuelle und bunte Trennwände, wobei die Bücher durchaus heraus genommen und von den Gästen gelesen werden können. Aus Papier, genauer gesagt aus alten Reiseführern, bestehen auch die Schirme der übergroßen Deckenleuchten, die Werner Aisslinger exklusiv für das Michelberger Hotel gestaltete.
Vom Luxus-Zimmer bis zum Gruppen-Loft
Die Zimmer des Hotels sind in fünf Kategorien unterteilt und meist nach ihrer Größe benannt – wobei das Michelberger-Team nicht die Fläche, sondern das Raumvolumen zu Grunde legte. Die meisten Zimmer folgen der Kategorie „33m³“ und „55 m³“, die bis zu drei Personen Platz bieten und mit großen Betten sowie Sitzinseln ausgestattet sind, die in Plattformen aus gebürstetem und geöltem Lärchenholz ruhen. Vier Einzelbetten bieten dagegen die „88 m³“-Zimmer, bei denen das namensgebende Raumvolumen voll ausgeschöpft wurde: Das Team um Werner Aisslinger nutzte bei der Planung die große Raumhöhe dieser Lofts und errichtete im Raum eine zweite Ebene für die Betten. Der erhöhte Schlafbereich „sitzt“ nun auf dem Bad- und Garderobenbereich.
Und sogar noch größere Reisengruppen finden im „Michelberger Hotel“ die passende Unterkunft. „The Big One“ ist ein helles Loft für bis zu zehn Personen, bei dem der Schlafbereich ebenfalls auf einer zweiten Ebene angelegt ist. Und wer einfach nur ein romantische Wochenende zu zweit verbringen möchte, kann sich ein Zimmer der Kategorie „The Luxus“ gönnen. Großzügig aufgeteilt bieten die Luxus-Zimmer unter anderem eine Holzbadewanne. Alle Zimmer sind in dezenten Grautönen gehalten und mit einer maßangefertigten, von Azar Kazimir illustrierten Tapete ausgestattet, auf der die Inspirationsquellen des Michelberger-Teams bei der Konzeption des Hotels bildlich festgehalten sind: von Schallplatten über Palmen und Sonnenschein bis hin zu alten Computerkonsolen. Zusätzlich finden sich in jedem Raum Bilder aus antiken Fotoalben sowie eine handverlesene Bibliothek.
„Ein bisschen Chaos“
Zusammengetragen wurden die unzähligen Berlin-typischen Dekorationsobjekte von den Stylistinnen Anja Knauer und Sybille Oellerich. Sie durchforsteten Flohmärkte und Antiquitätenläden nach alten Büchern und fanden zum Beispiel Zuckerdosen, die nun, an die Wand montiert, als Handtuchhalter dienen. „Das ist das, was Leute in Ostberlin tun“, erklärt Anja Knauer. „Sie nehmen alte Sachen, kombinieren sie und erhalten etwas Neues. Man sieht das überall in Berlin. Nur nicht in Hotelzimmern.“ Daher war es auch Werner Aisslinger Anliegen, mit dem „Michelberger Hotel“ einen ganz neue Hotel-Typus zu kreieren. „Mein Anspruch bestand darin, eine Collage zu gestalten und keine saubere, designte Welt“, so Aisslinger. „Es sollte nichts sein, wo alles perfekt ist, sondern eher etwas Familiäres besitzen. Ein bisschen Chaos.“
Dass sich diese Art von Chaos sogar für PR-Zwecke eignen kann, bewies das Michelberger-Team bereits in der Bauphase. Die nach getaner Arbeit spontan veranstalteten „Baustellen-Partys“ wurden schnell zu einem kleinen Geheimtipp in Berlins Partyszene. Grund genug für die Betreiber, das Konzept weiterzuführen und auch das fertige Hotel durch Veranstaltungen mit Leben zu füllen: eine kleine Bühne in der hauseigenen Bar steht den Gästen für spontane Auftritte jederzeit zur Verfügung.
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