Im Wald der Möglichkeiten
Dieser Umbau zum Coworking Space von SelgasCano in London lockt mit jeder Menge Pflanzen und einer Dämmung aus Seifenblasen.
Mit diesem Umbau führen SelgasCano ihre Reihe der ungewöhnlichen Büros fort. Wobei der Londoner Coworking Space Second Home Holland Park auch noch in besondere Mauern gezogen ist: 1966 hatte hier Richard Rogers sein erstes Architekturstudio.
Es müssen nicht immer Yucca-Palme, Gummibaum und Kaktus sein, aber der Ansatz stimmt. Grüne Pflanzen, viel Licht und jede Menge Luft schaffen eine angenehmere Atmosphäre in den Bürolandschaften. Besonders wichtig wird dies in den Großraumbüros für Coworking-Angebote. Denn dass die Räume hip aussehen und das Internet auf Highspeed läuft, genügt nicht mehr – jeder Mieter soll sich wohlfühlen. Im besten Fall sogar so wohl wie zuhause.
Unter dem Namen Second Home haben die Kreativunternehmer Sam Aldenton und Rohan Silva 2014 ihre erste kollektive Arbeitslandschaft in London Spitalfields eröffnet: ein voller Erfolg. „Biophilic Design“ nennt das spanische Architektenduo SelgasCano sein Second Home-Interior-Konzept, das ganz auf Natur im Raum setzt. Geschwungene Wände aus Acrylglas und tanzende Tische schlängeln sich zwischen kleinen Bäumen und Grünpflanzen. Und weil José Selgas und Lucía Cano auch beim zweiten Second Home in Lissabon unter dem Dach einer alten Markthalle das richtige Händchen bewiesen haben, scheint es nur logisch, dass ihr Studio sich seitdem als Haus- und Hofarchitekt des Coworking-Riesen verstehen darf. Die Nachfrage wächst.
Eine Nummer kleiner
Nach der Dacherweiterung in Spitalfields im Londoner East End im Dezember 2017, konnte im Januar 2018 das zweite Second Home im Westen der Stadt eröffnet werden. Hier ist alles eine Nummer kleiner: Die Studios im Second Home Holland Park am Princes Place wurden von den Architekten zum Beispiel so konzipiert, dass dort kleinere Teams mit bis zu acht Personen arbeiten können, während die Studios im Second Home in Spitalfields für Teams mit bis zu 150 Personen geplant sind.
„Bei diesem Gebäude geht es allein um den Maßstab“, sagt José Selgas. „Es ist klein, aber mit einer starken Persönlichkeit, wie in einem Zirkus“. Der Bestand setzt sich aus fünf Gebäudeteilen unterschiedlicher Größe zusammen, die gemeinsam etwa 600 Quadratmeter umfassen. Interessanter als die Bausubstanz waren für die Architekten die Spuren der vorigen Mieter. Einst hatte hier der Vogue-Fotograf John Cowan sein Studio, in den Sechzigerjahren Drehort für Michelangelo Antonionis Film Blow Up. Ein paar Jahre später zog Richard Rogers mit seinem ersten Studio ein, kurz bevor er 1971 zusammen mit Renzo Piano den Wettbewerb für das Centre Pompidou gewann.
All das verstehen SelgasCano als eine Art Schatz. Treppen, Oberlichter, einen Brückengang und eine Rebe im Hof, die noch Richard Rogers selbst gepflanzt hatte, wurden zu Bestandteilen des Entwurfs. „Wir mussten das vorhandene Zwischengeschoss erweitern und einige Oberlichter öffnen, um den 35 echten Bäumen, mehr natürliches Licht zu geben“, erläutert der Architekt José Selgas die durchgeführten Maßnahmen. „Wir mussten außerdem eine Lösung finden, einen großen Teil des Hofes abzudecken und gleichzeitig die Weinrebe am Leben zu erhalten.“ Dazu dient ein klares Doppelschichtdach mit einer Zwischenschicht, die innerhalb von 20 Minuten mit Seifenblasen gefüllt werden kann: eine umweltfreundliche und energieeffiziente Dämmung. Auch ohne Blow Up und Vogue bleibt es also eine unkonventionelle Film-Location.
FOTOGRAFIE Iwan Baan
Iwan Baan