Brutalismus auf Mexikanisch
Während meiner Schulzeit in den achtziger Jahren lernte ich zu kochen: in einem Raum ohne Fenster mit einer weißen deckenhohen Einbauküche und unsinnlich anmutenden Tischen und Stühlen – und das alles in einer Beton-Brut-Architektur aus den Siebzigern. Es machte mir nicht wirklich Spaß. Damals schob ich es auf die Hauswirtschaftslehrerin, heute auf die Architektur. Was mich zu dieser Erkenntnis gebracht hat? Ein Projekt vom Architekturbüro Gracia Studio im mexikanischen Tijuana. In der Culinary Art School kochen die Schüler in einem Ambiente, das wohl aus jedem Kochmuffel einen inspirierten Sternekoch machen würde.
Bei diesem Projekt handelt es sich um eine klassische Kochschule, in der die Schüler in einer dreijährigen Ausbildung alles über das Kochen und die internationale Gastronomie erfahren. Der Komplex gliedert sich in zwei gegenüberliegende Bauteile, die über einen offenen Hof miteinander verbunden sind. Während der größere Baukörper die Büros der Administration, die Klassenzimmer, eine Bibliothek und einen Weinkeller birgt, sind im zweiten Gebäude die Kochinseln und weitere Werkstatt-Räume untergebracht. Das Schöne daran: Beim Kochen an den Edelstahlgeräten können Schüler und Lehrer nach draußen schauen.
Durchlässige Architektur
Überhaupt legt das im amerikanischen San Diego ansässige Architekturbüro Gracia Studio großen Wert auf das Wechselspiel zwischen Innen und Außen – und nimmt damit die Tradition des südamerikanischen Gebäudes mit Patio auf. 895 Quadratmeter Fläche insgesamt hatten die Architekten um Jorge Gracia im kargen mexikanischen Bundesstaat Baja California zu bespielen. Die zwei Bauvolumen sind charakterisiert durch die Verwendung ausgewählter Materialien: Sichtbeton, Stahl, Glas und südamerikanisches Garapa-Holz. Die gesamte Wirkung des Komplexes entspringt diesem Mix von kühlen und warmen Materialien, der kombiniert wird mit den kubischen Flachdach-Gebäuden, der Geradlinigkeit der Architektur und den offenen Raumstrukturen.
Spiel der Volumina
Viel Licht fällt in das Gebäude, vor allem durch die raumhohen Fenster zum Innenhof. Dieser ist großflächig versiegelt und nur mit wenigen Holzbänken und in großen Bottichen angepflanzten Bäumen versehen. In einem dritten Volumen – zwischen den beiden großen Baukörpern angeordnet – haben die Architekten eine Cafeteria sowie ein kleines Auditorium untergebracht. Hier kocht der Lehrer vor den Augen der Schüler, die wie in einem Vorlesungssaal in der Universität auf hintereinander gestaffelten Holzbänken hoffentlich gebannt nach vorn schauen. Dort ist nämlich die große Kochstelle aus Edelstahl angeordnet, die von einer getäfelten Wand hinterfangen wird.
Spiel mit dem Licht
Die Architektur der Culinary Art School inszeniert den Wechsel zwischen geschlossenen und geöffneten Räumen. Während einige Räume durch die großen Glasfenster gut einsehbar sind und schöne Ausblicke nach draußen bieten, wirken andere fast wie Mönchszellen. Zwar spielt Gracia Studio im Degustierraum für die Weine mit der Idee des abgeschotteten (Wein-) Kellers, lässt diesen aber dennoch nicht düster erscheinen: Geschickt verdeckte Seitenoberlichter machen es möglich.
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