Projekte

Cruisen mit Lord Foster

Um den Menschen – und nicht um das Triebwerk – herum gebaut. Norman Fosters Motoryacht Alen 68.

von Norman Kietzmann, 26.11.2014

Eleganz auf dem Wasser: Für die türkische Werft Alen hat der britische Architekt Norman Foster eine 20 Meter lange Motoryacht entworfen, die nicht nur schnittig durchs Wasser gleitet. Mit ihrem weitläufigen Panoramadeck und dem puristischen Innenleben wurde die Alen 68 um den Menschen herum gebaut – und nicht um das Triebwerk. 

Auch wenn Architekten eine natürliche Affinität zum Segeln nachgesagt wird: Sie können auch mit Dieselantrieb richtig durchstarten. Bereits 2010 hatten Foster and Partners das Interieur der 56 Meter langen Segelyacht Panthalassa entworfen. Doch weil Größe behäbig macht, erteilte der Besitzer einen weiteren Auftrag: eine schnelle, wendige Motoryacht, für die Norman Foster nicht nur als Inneneinrichter tätig wurde. Er ersann das 68 Fuß (20,7 Meter) lange Boot vom Rumpf bis zum Sonnendeck aus einem Guss – und warf dabei allerhand nautischen Ballast über Bord. 

Mehr als Muskeln
Seit jeher ist die Welt der Motoryachten gespalten. Während die einen Performance um jeden Preis fordern, setzen die anderen auf puren Komfort. Für die Konstrukteure stehen damit zwei konträre Rollenbilder zur Auswahl: Ein pfeilschneller Hecht oder ein behäbiger Karpfen. Einen Mittelweg schlägt die Alen 68 ein, die von der gleichnamigen Werft in der Türkei gebaut wurde. Mit einer Geschwindigkeit von 45 Knoten (83 Stundenkilometer) ist die Yacht überaus agil. Doch sie kann weit mehr, als nur ihre Muskeln spielen lassen. Sowohl auf Deck als auch im Innenraum standen räumliche wie kommunikative Qualitäten im Mittelpunkt. Ganz so, als wollte man einem Apartment das Schwimmen beibringen. 

Open Space auf dem Meer
Rund 20 Prozent mehr Nutzfläche bietet die Yacht im Vergleich zu konventionellen Bauarten. Der Grund: Direkt hinter dem rundum verglasten Cockpit erstreckt sich ein Open Space bis zum Abschluss des Hecks. Um den Bewegungsspielraum für die Passagiere zu erhöhen, wurden sämtliche Deckaufbauten als freistehende Inseln konzipiert. An die höhenverstellbare Sitzbank des Kapitäns dockt ein großzügiger Essbereich an, der zugleich das kommunikative Zentrum bildet. Ein großer, querstehender Tisch wird von zwei Bänken umschlossen, von denen die hintere direkt in eine Küchenzeile übergeht. Gekocht wird nicht im Geheimen, sondern wie auf einer Showbühne auf dem Ozean.

Showtreppe ins Wasser
Gleich hinter der Küche erhebt sich eine rechteckige Liegefläche, die mit ihren auskragenden weißen Polstern an ein geräumiges Futon erinnert. „Über den Wellen zu fliegen“, lautete das gestalterische Leitbild von Norman Foster, das an dieser Stelle besonders deutlich wird. Weil die Höhe der Liegefläche mit der umlaufenden Reling abschließt, genießen die Passagiere beim Sonnenbaden einen unverstellten Ausblick auf die Wogen des Meeres. Eine vierstufige Treppe erstreckt sich über die gesamte Breite des Rumpfs und führt hinab zu einer schmalen Plattform oberhalb der Wasseroberfläche. Über eine kleine Leiter können die Passagiere dort nach dem Schwimmen wieder an Bord gelangen oder ihre Beine im Wasser baumeln lassen. Wird die Treppe aufgeklappt, kommt ein motorisiertes Beiboot für Exkursionen an Land zum Vorschein. 
Fließende Konturen
Rustikales Seemannsgarn wurde auch im Inneren vermieden. Anstatt die Krümmung des Rumpfes wie üblich hinter Einbaumöbeln zu kaschieren, gingen Foster and Partners genau den umgekehrten Weg. Ein langgezogenes Sofa schmiegt sich in den Bug hinein und formt eine dynamisch geschwungene Sitzlandschaft. Horizontale Fensterbänder lassen die Enge gewöhnlicher Bullaugen hinter sich und öffnen einen Panoramablick hinaus aufs Wasser. Weiße Lederbezüge und weiße Wände erzeugen einen puristisch klaren Raumeindruck, während Böden aus gebleichter Eiche und schmale Bänder aus hellem Teakholz für Wärme sorgen. Die fließenden Konturen des Innenraumes werden durch indirekte Lichtbänder betont, die eher an ein Flugzeug als an ein Boot denken lassen. 

Flexible Ausstattung
Auch wenn die Entwicklung der Alen 68 für einen einzelnen Kunden erfolgte, wird das Modell nun in Serie produziert. Die Sitzlandschaft im Bug kann nach Wunsch in zwei zusätzliche Kabinen unterteilt werden, die den Master Bedroom ergänzen. Weil die Sanitäranlagen unter Deck in einer Mittelinsel gebündelt sind, würde jede der drei Kabinen über ein eigenes Badezimmer verfügen. Wird dagegen eine offene Lösung bevorzugt, kann eine zusätzliche Küche oder Bar in der von weißen Wänden umhüllten Raummitte eingerichtet werden. 

Fazit: Norman Foster hat gezeigt, dass sich auch bei einer Motoryacht nicht alles um den Motor drehen muss. Klarheit, Offenheit und Flexibilität sind die Kriterien, mit denen Gemeinschafts- und Rückzugsorte gleichermaßen geschaffen wurden. Die Gestaltung wirkt alles andere als introvertiert. Sie gibt den Passagieren in jedem Moment ein Gefühl für das Meer – ganz gleich, ob sie sich auf Deck oder in den Kabinen befinden. Dass der Auftraggeber der Alen 68 dem technikaffinen Lord freie Hand gab, erwies sich so als Glücksfall. Das Ergebnis ist eine Motoryacht, der selbst passionierte Segler schwerlich widerstehen werden.

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Links

Foster and Partners

www.fosterandpartners.com

Alen Yacht

www.alenyacht.com

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