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De Füürtoorns blenken

Im Rügener Niemandsland liegt dieses alte Bauernhaus, das sich zwei Architekten ausgebaut haben.

von Markus Hieke, 23.06.2015

Wo früher der Dorflehrer wohnte und unterrichtete, lässt man heute den Alltag weit hinter sich. Auf der Insel Rügen haben die Greifswalder Architekten Axel Drebing und Holger Ehmke ein altes Fachwerk- und Backsteinhaus in ein bestens ausgestattetes Feriendomizil verwandelt. Viel Platz drinnen und draußen, ein Kaminofen in der Küche und eine Sauna versprechen Erholung. Und: Man kann das Haus mieten.

Schon die Anfahrtsbeschreibung liest sich wie eine Fahrt ins Niemandsland: über die Rügenbrücke Richtung Sassnitz, bei Bergen links entlang der Straße nach Gingst bis Ramitz, und von dort an auf schmalen, teils holprigen Passagen der Ausschilderung nach Rappin folgen bis zum kleinen Örtchen Bubkevitz – lüttes Dörp würde man es hier nennen. Einmal links. Nun noch an drei Siedlungshöfen, einem Feldsteinhaufen und dem Kuhstall vorbei, und schließlich vor einer Ansammlung alter Landwirtschaftsgerätschaften rechter Hand in den unbefestigten Feldweg einbiegen: Hier liegt nach wenigen Metern das Ziel, Haus Bubkevitz, umgeben von weiten Wiesen und Feldern.

Schulferien auf Rügen
Auf einem Grundstück von dreieinhalb Hektar Größe haben sich die Architekten Axel Drebing und Holger Ehmke ein denkmalgeschütztes Bauern- und Schulhaus mit angrenzender Scheune zum Feriendomizil für eigene Zwecke ausgebaut. Drei Jahre hat es gedauert. Die besondere Erfahrung mit dem Projekt war, so die Architekten, „dass wir frei von den täglichen Gestaltungszwängen unseres Berufes waren“. Mittlerweile kann man das Haus auch mieten. Für erholsame Tage sorgt zum einen seine komfortable Ausstattung, die das Architektenduo bis ins letzte Detail verfeinert hat. Den Rest erledigt die Lage, abseits aller Hektik und Urlauberströme.

Eins plus eins macht eins
Wer Ruhe sucht, ist hier genau richtig. Oder auch: Wer mit der ganzen Familie und Freunden kommt und genügend Platz zum Austoben benötigt. Denn das Haus bietet Raum für bis zu acht Personen – auf zwei Geschossen mit insgesamt 225 Quadratmetern Wohnfläche. Der alte Bau war ursprünglich ein kleineres Siedlungshaus, dem um 1878 zur rechten Seite ein Schulanbau angefügt wurde. Betritt man diesen Teil des Hauses durch die alte Schultür, geht es rechts gleich ins alte Klassenzimmer – der heutigen Küche mit edler Massivholzmöblierung. Die Küchenzeile steht vor einer schwarzen Wand, dort, wo einst die Kreidetafel hing, eine Kochinsel an der Stelle des alten Lehrerpults, und wo zu damaligen Zeiten Kinder an ihren Schulbänken saßen, wurde ein großer Esstisch auf einem blauen Orientteppich platziert. Ringsherum gruppieren sich acht weiße Plastic Arm Chairs von Charles und Ray Eames.

An der Wand prangt ein riesiges, stolzes Wildschwein – eine Nachahmung von Picassos berühmter Skizze von 1952. Der Raum hat auch etwas von Werkstatt – mit den werkbankähnlichen Tischen, den schwarzen Industriependelleuchten und den Scherenwandleuchten. Damit es hier dennoch schön gemütlich wird, sorgt ein offener Kamin für wohlige Raumtemperaturen. Daneben zwei alte Holzlehnstühle.

Die gute Stube
Gegenüber der Küche liegt die frühere Wohnstube des Lehrers, heute das erste Schlafzimmer des Hauses. Dazwischen, also hinter der vierten Tür im Flur, verbirgt sich ein Gäste-WC. Im Zimmer gelingt den beiden Architekten ein stilvoller Mix aus alten Möbeln und zeitgemäßer Einrichtung – wie dem schlichten, schwarzbraunen Baldachinbett, kombiniert mit Sesseln aus den Fünfzigern, dunklen Vorhängen und der hellgrau getünchten Holzdecke. Auffälligstes Gestaltungsmerkmal ist eine der vier Wände: Ein überdimensionierter Gemäldeausschnitt findet hinter dem Bett und durchbrochen von der weißen Tür zum zweiten Flur Platz. Wie jedes Schlafzimmer, verfügt auch dieses über ein eigenes Bad mit bodengleicher Dusche. Die hochwertige Ausstattung, dunkles Streifenmosaik aus Schieferfliesen und eine Glasduschwand, beweist wiederum den qualitativ hohen Anspruch der Architekten.

Hasen, nicht nur auf den Feldern
Durch den Eingangsbereich des Ursprungshauses blickt man ins nächste Schlafzimmer und wird begrüßt von Albrecht Dürers Hasen, der etwas monströs, aber friedlich an der Wand über dem Schlafplatz thront. Aus hellem Holz sind Bett und Nachttische gebaut. Hohe Papierleuchten auf den Nachttischen spenden warmes Licht. In einem kleinen Vorzimmer zum Bad befindet sich ein Schreibtisch an einem schmalen Panoramafenster, mit Ausblick auf die Landschaft.
Weilen unterm Dachstuhl
Neben dem Aufgang zum Obergeschoss liegt zwischen den beiden Schlafzimmern die Tür zur Sauna des Hauses. Mit Blick ins Grüne kommt man hier bestens ins Schwitzen. Und wem es im Kasten zu eng geworden ist, der findet ein Stockwerk höher genügend Fläche, sich unter dem alten Gebälk des Dachstuhls auszustrecken. Gut zu erkennen ist die Fachwerkstruktur des älteren Gebäudeteils – die Balken stammen von 1838 –, während Holzparkett dem Raum seinen modernen Charakter gibt. Zwei Sofas laden zum Füße hochlegen ein – neben ihnen jeweils ein Exemplar von Eileen Grays höhenverstellbarem Beistelltisch E 1027, eine Ikone aus den Zwanzigern. Sind einmal mehr als sechs Gäste im Haus, dienen die Sofas als Aufbettung, denn sie lassen sich ausklappen. Sogar ein kleines Bad liegt nebenan. Aber auch Raum zum Spielen für die Kleinen bietet diese Etage. Das Licht strahlt indirekt gegen die Decke, zum Lesen steht eine Stehleuchte bereit.

In der Ruhe liegt die Kraft
Das Schlafzimmer im oberen Stockwerk ist eine Komfortzone für sich. Auf der Seite des neueren Gebäudeteils befindet sich ein geräumiges Zimmer samt begehbarem Kleiderschrank. Die Möblierung fällt sparsam aus, wirkt aber dank bekannter Designstücke nicht unterbesetzt: Schlichte Holzblöcke dienen als Nachttische – beiderseits leuchtet je eine Panthella in der Tischversion von Verner Panton. In einer Ecke sorgt die dreibeinige Standleuchte Tripode von Santa&Cole für angenehmes Raumlicht. Zwei weiße Tom Vac-Stühle von Ron Arad fordern zum Setzen auf.

Hinter raumhohen Glasschiebewänden befindet sich das großzügige Bad, mit offener Regendusche und Armaturen von Hansgrohe. Behaglichkeit vermitteln die lehmbraunen Fliesen und eine Holzbank. Doch weil man auch das schönste Bad nicht immer sehen möchte, lassen sich schwere, graue Vorhänge zuziehen. Nur wer Sonnenaufgänge mag, sollte sie nächtens nicht schließen!

Konzentriert aufs Wesentliche
Haus Bubkevitz ist ein Idyll für stressgeplagte Städter: Eine garantiert fernseh- und internetfreie Zone versprechen die Besitzer. Die nächsten Bewohner des Dorfes leben einige hundert Meter entfernt, nur ein paar Pferde weiden auf der Koppel, die zum Grundstück gehört. Hinter dem Haus liefern uralte Bäume frisches Obst, und der Hof zwischen Scheune und Schulgebäude bietet reichlich Platz zum Spielen und für lange Grillabende. Bei guter Sicht erkennt man so viele Sterne wie selten, und am Horizont blinken zwei Türme, die einst Seefahrern den Weg wiesen: Dornbusch auf Hiddensee im Nordwesten und nordöstlich Kap Arkona. Tagsüber geht es mit den Rädern direkt ins Grüne. Zu den Seebädern Binz, Sellin und Baabe dauert es etwa dreißig Autominuten.

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Projektarchitekten

Drebing Ehmke Architekten

www.drebingehmke.de

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