Designing Light - Das neue Mercedes Benz Museum in Stuttgart
Nur eine Autobahntrasse trennt das Gebäude vom Haupteingang des Werksgeländes in Stuttgart-Untertürkheim. In sich selbst verschlungen, ragt der silbrig glänzende Baukörper fast 50 Meter über das Land der Häuslebauer empor. In seinem Innern wird zukünftig die Firmengeschichte des schwäbischen Automobilherstellers präsentiert. Vieles ist schon über dieses Gebäude geschrieben worden, das in nur vier Jahren Bauzeit errichtet wurde.
Von „Digitalmodern“ über „Rechnerbarock“ bis hin zum Vergleich mit dem Helm eines dunklen Lords aus einer weit, weit entfernten Galaxie reichen die Beschreibungen über den ungewöhnlichen Bau, teils unverhohlen missbilligend, teils mit heller Begeisterung. Warum also noch einmal über das Gebäude schreiben, das am 19. Mai mit großem Medienrummel eröffnet wurde? Ist nicht bereits alles gesagt? Ein Thema, das am Gelingen der Ausstellungsinszenierung einen maßgeblichen Anteil hat, bisher in der Gesamtwahrnehmung des Gebäudes aber unterging, ist die Lichtplanung. Licht ist doch einfach Licht, denken Sie?
Nach der Wettbewerbsentscheidung zugunsten des holländischen Architekturbüros UN Studio wurde das Planungsbüro Ulrike Brandi Licht aus Hamburg ausgewählt zusammen mit den Architekten und dem Ausstellungsplaner (HG Merz, Berlin) ein Lichtkonzept für Gebäude und Szenographie zu entwickeln.
„Als erstes versuche ich, die Architektur zu greifen und in dem Tageslicht zu verstehen, das rings herum ist. Die Lichtplanung schafft eine Atmosphäre, die sich mit dem Ort, sei es Architektur, sei es ein Außenraum in Einklang befindet.“
Besonders inspirierend fand die Hamburger Lichtplanerin die erste Idee der holländischen Architekten, den Besucher mit einem Auto durch das Gebäude fahren zu lassen. Dieser Gedanke, so Frau Brandi, vermittle sich heute sofort, wenn man das Gebäude betrete. Vor den Augen des Betrachters verschmilzt das Innere zu einer Landschaft aus Böschungen, Rampen, Verläufen und nicht definierten Grenzen zwischen Wand, Decke und Boden. Diese Architektur hat in Kombination mit der hügeligen Umgebung des Neckartals ihre Konzeption beeinflußt.
Landschaften obliegen einem Zyklus von Tag und Nacht. Auch das Raumkontinuum des Mercedes Benz Museum folgt einem Wechsel von dunklen Räumen ohne Tageslicht - den Mythenräumen - und hellen Bereichen – den Collection-Räumen - die sich dem Tageslicht zuwenden.
Dynamisches Bühnenlicht - die Mythenräume
Tritt der Besucher aus dem Fahrstuhl im obersten Stock des Museums, wird er in einer sanften Spirale um den freigelegten Kern des Gebäudes herum nach unten geleitet. Die Rampe führt nacheinander durch die zum Atrium offenen und von den Rampen einsichtigen Mythenräume. Hier wird die Geschichte der Marke chronologisch in Themen und Epochen gegliedert präsentiert.
Im Unterschied zu herkömmlichen Ausstellungsprinzipien, wo der Zuschauer zum Gegenstand seines Interesses eine vorgeschriebene Perspektive einnimmt (Guckkastenprinzip), bestand hier die Herausforderung, das Licht einem dynamischen, sich ständig wechselnden Betrachterstandpunkt anzupassen, ohne dabei die Exponate im „falschen Licht“ zu präsentieren.
Was bei Autos alles andere als einfach ist: Auf den mehrfach gewölbten, zu Hochglanz polierten Oberflächen der Fahrzeuge beginnen zahlreich gesetzte Deckenstrahler schnell, unerwünschte Lichtpunkte wiederzuspiegeln. Einige Glanzpunkte sind andererseits durchaus erwünscht, weil sie dadurch die Brillanz der Karosserien hervorheben.
Das Büro von Ulrike Brandi meisterte diesen Drahtseilakt mit einer geringen Grundbeleuchtung und wenigen, gezielt eingesetzten Strahlern. Der Trick: Hat sich das menschliche Auge erst an die Dunkelheit gewöhnt, sorgen bereits ein Paar Lichtakzente für die ausreichende Helligkeit an den Ausstellungsstücken.
Mit den Mythenräumen verbunden sind die zur Landschaft offenen Collection-Räume, die der dokumentarischen Vertiefung des chronologischen Themas dienen. Auch sie führen in einer Spirale nach unten, die Verbindungsrampen beider Raumabfolgen sind wie eine Doppel-Helix ineinander verwoben.
Himmlisch erleuchtet – die Collection-Räume
Um das Tageslicht in den Collection-Räumen zu kontrollieren, wurde auf die Fassade eine Rasterbedruckung aufgebracht, im Süden aufgrund des höheren Lichteinfalls deutlich dichter als im Norden. (Tageslichtplanung in Zusammenarbeit mit Transsolar)
Ausgangsidee für die Kunstlichtplanung in den Collection-Räumen war das Bild eines Lichthimmels, der den gesamten Raum gleichmäßig beleuchtet. Da die Decke in diesem Bereich des Museums jedoch nicht allzu hoch ist und darüber hinaus die gesamte Technik aufnehmen muss, wurde auf die Ausführung einer durchgängigen Lichtdecke verzichtet. In Zusammenarbeit mit UN Studio entwickelte Ulrike Brandi, die ansonsten eher gegen derartige Individuallösungen ist, eine Leuchte, die sich in die Decke hineinwölbt. Geschaffen wurde so eine ästhetisch und funktional überzeugende Lösung, in der das Licht in die Decke integriert wird (konstruktive Ausführung: Semperlux, Berlin).
Um dennoch den Gedanken des Lichthimmels durchzusetzen, wurde ein weiteres Mal ein Trick angewendet: Die Oberflächen des Raumes wurden hell gestaltet und so ein hoher Reflektionsgrad erreicht. Die unterschiedlich einstellbaren Strahler beleuchten sowohl die ausgestellten Exponate des Automobilherstellers als auch den Boden. Der reflektiert das Licht gegen die Decke, die es wiederum gegen die Wand wirft, dann wieder auf den Boden und so fort. Ein virtuoses Spiel mit Licht und Oberflächen.
Lichtplanung und Modellarbeit
Entscheidend für die Planung des Lichts war nicht zuletzt die Arbeit am Modell und das Live-Testing. Es wurden aufwändige Computer- und Modellstudien erarbeitet und sogar Mock-Ups im Maßstab 1:1 errichtet, um die Lichtlösungen in den Räumen zu überprüfen. Ein enormer Aufwand, der sich jedoch, wie man feststellen kann, gelohnt hat!
Nicht immer stehen dem Lichtplaner derartige Mittel zur Verfügung. Die Bedeutung seiner Arbeit wird nach wie vor unterschätzt. Meist wird sie sogar nur dann bemerkt, wenn sie nicht funktioniert: Dann spricht die ganze Welt vom schlechten Beleuchtungskonzept. Danach bemessen steht die Leistung von Ulrike Brandi und ihren Mitarbeitern außer Frage: Ihr Konzept, obwohl maßgeblich am Gelingen der Ausstellungskonzeption beteiligt, wurde von den Medien bisher wenig gewürdigt. Vielleicht ein kleiner Trost für die Hamburgerin, deren höchstes Ziel es ist, angemessene Lichtplanungen zu entwickeln in einer Balance von Gestaltung, Nutzerfreundlichkeit und Energieeffizienz.
Anlässlich der Eröffnung des Mercedes Benz Museum haben wir ein ausführliches Interview mit Ulrike Brandi geführt. Das Gespräch über aktuelle Projekte sowie über Ziele und Inhalte der Lichtplanung werden wir in einigen Wochen an dieser Stelle veröffentlichen.
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