Drei Räder ohne Tempomat
Schicker Showroom, schickes Trike. Das Start-Up Butchers & Bicycles in Kopenhagen.
Die Schnittstelle zwischen Metzgern und Bikern ist im ohnehin schon als freigeistig, wenn nicht gleich als anarchistisch verrufenen Kopenhagen zu verorten. Jetzt hat eine neue Generation dänischer Freigeister das Rad neu erfunden. Sie nennen es MK1, fahren damit noch auf Teststrecken und haben derweil einen Shop mit den ersten Probefahrzeugen eröffnet. In den Räumen von Butchers & Bicycles löst sich dann auch das Rätsel um den Fleischerei-Bezug.
Trendbezirk würden die Berliner einen Stadtteil wie Kødbyen wohl nennen, Jakob Munk nennt ihn fashionable. Der Industriedesigner, Marken- und Kommunikationsexperte war lange Jahre Designchef beim dänischen Unternehmen Menu A/S. Dort war er verantwortlich fürs Design, aber auch für die Strategie und die Implementation der Produkte. 2012 beförderte er sich zum Chef seines eigenen Designstudios und wurde nebenbei als Entrepeneur eines Trios Zweirad-Händler. Munk und zwei seiner Designerkollegen gründeten das Fahrrad-Label Butchers & Bicycles. Morten Morgensen verantwortet die technische Umsetzung, Morten Wagener, der unter anderem zwei Jahre bei Frog Design gearbeitet hat, ist Designchef.
Vom Transportrad zum Trike
Das agile Cargo-Rad, das die drei zu einer Zweitkarriere bewegt hat, steht Schwarz und Weiß auf kleinen Plateaus in ihrem frisch eröffneten Laden im so genannten Meatpacking District. Früher wurden hier Schweine und Rinder gehandelt und geschlachtet, heute sind viele der Hallen und Läden umgenutzt. Der Name ist also in erster Linie ein Wortspiel, es lassen sich aber auch ganz praktische Analogien ziehen. „Weil vor allem Metzger und Bäcker über Jahrhunderte regelmäßige Nutzer von Transporträdern waren, dachten wir, dass das schon ein ganz passender Name für unser kleines Unternehmen wäre“, begründen die Gründer. Zuletzt war der ehemalige Stall eine Bauruine, jetzt ist er thematisch passend weiß verkachelt und mit modernem, dänischem Design möbliert. Wer seinen Laden so inszeniert, liebt sein Produkt.
Akrobat in der Kurve
Der große, frontale Korb ist das augenfälligste Attribut. Er liegt zwischen den beiden Vorderrädern und lässt sich frontal öffnen. Zwei Kinder passen rein, aber auch windaffine Tiere, Sperrgepäck wie Getränkekisten oder sogar Kleinmöbel. Die eigentliche Revolution offenbart sich bei einer Testfahrt. Denn während andere Transporträder im Gegensatz zum Sportrad auf Adjektive wie leicht und wendig verzichten müssen, löst das Modell von Butchers & Bicycles diesen Interessenkonflikt für Zweiradfreunde durch ausgefuchste Technik. Damit wollen die Erfinder Räder anbieten, die nicht nur eine gelegentliche Alternative zum Auto, sondern ein dauerhafter Ersatz sind. Mit Vorteilen, die über das Energiesparen hinausgehen: „Zweiräder sind in vielen Städten tatsächlich schneller“.
Mit Physik in die Fliehkraft
Das Geheimnis liegt in der Vorderachse. Die ist als Parallelogramm ausgeführt, Gelenkarme führen zu den beiden frontalen Stützrädern. Geht das Rad in die Kurve, gehen die beiden Vorderräder im identischen Winkel mit. Das bedeutet praktisch vor allem eines: Fahrspaß. Kurven können ohne viel Bremsen genommen werden, wo andere starre Systeme zum Umfallen neigen, neigt sich das MK1 einfach mit. „Das ist ein Rad für jeden, der Radfahren liebt. Es verändert die Wahrnehmung, es zeigt, wie amüsant und leichtgängig auch ein Cargo-Bike sein kann, ohne, dass die Gebrauchstauglichkeit leidet“. Im MK1 treffen sich ein Sportgerät und ein Transportmittel, es ist die Evolution des ebenfalls in Kopenhagen entstandenen Christiania Bikes. Das ist schon lange nicht mehr nur in der dänischen Hauptstadt vertreten, aber hier hat es wohl die größten Erfolge zu verzeichnen: 25 Prozent der Dänen besitzen mittlerweile ein Cargo-Fahrrad. Für Butchers & Bicycles gibt es also noch einiges zu tun: die letzten 75 Prozent.