Dynamisch statt statisch - Therme Meran
Licht hat einen großen Einfluss auf unser Befinden. Seine stimmungsaufhellende Wirkung macht man sich beispielsweise in der Lichttherapie zunutze, indem man Patienten einige Zeit einer hellen Lichtquelle aussetzt. Aber auch die feinen Nuancen von Lichtfarbe und -intensität haben ihre Wirkung auf das menschliche Gemüt: Kerzenschein ist nicht gleich Neonröhre. Dieses Wissen über die Wirkweisen des Lichts hat der Architekt und Designer Matteo Thun bei der Ausgestaltung der in Südtirol gelegenen Therme Meran in ein dynamisches Lichtkonzept übersetzt. In Zusammenarbeit mit der Firma Zumtobel wurde nicht nur das Interieur, sondern auch die Lichtstimmung an die jeweilige Nutzung des Raumes angepasst.
300 Sonnentage hat die Südtiroler Stadt Meran im Jahr. Das und die gute Bergluft waren mit Grund dafür, dass Meran einst einer der beliebtesten Kurorte Italiens war. Doch das traditionelle Kuren kam aus der Mode und das Image der Stadt wurde nach und nach immer staubiger. Dann wurde ein neues Thermalgebäude geplant, eines, das die alte Meraner Kurtradition mit einer modernen Architektur verbindet und damit einen Gegenentwurf zum immer gleichen Erscheinungsbild modisch durchgestylter Wellness-Oasen darstellt. Seine Orientierung am Lokalen, statt am Globalen und Pauschalen, sollte Meran einzigartig und wieder zum Anziehungspunkt für Entspannungssuchende machen.
„Echo statt Ego“ (Matteo Thun)
Seit 2005 steht die Therme Meran, die das größte Gebäude in der Geschichte der kleinen Stadt ist. Die Berliner Architekten „Baumann Zillich“ planten in der ersten Phase, dann übernahm Matteo Thun das Ruder und war somit verantwortlich für Detailgestaltung und Innenarchitektur. Über die fertige Therme sagte er später: „Das ist nicht High Tech, sondern High Touch“. Worauf Thun, der seine Gestaltungskonzepte gern mit knackigen Formulierungen kommentiert, damit hinweisen wollte, ist die bemerkenswerte Sensibilität für den Charakter der Südtiroler Landschaft, die Gestaltung und Materialwahl bestimmt haben. Das zeigt sich schon an der Fassade. Sie wurde ausschließlich mit lokalem Naturstein verkleidet und umschließt den gläsernen Kubus der Thermenhalle, der den Badenden einen fast ungehinderten Blick auf das eindrucksvolle Panorama der Bergwelt eröffnet. Das Tageslicht flutet den Raum und wird von den Wasserflächen der Becken funkelnd zurück geworfen.
Das Tageslicht zum Vorbild
Die Einbeziehung des natürlichen Lichts ist essentiell für die Beleuchtung der Therme, die sich auf das von Zumtobel entwickelte Konzept der "Humanergy Balance" stützt. Ziel ist es, die „Balance zwischen Umwelt, Energie und dem Ich“. Man will also nicht nur den Ansprüchen und Vorlieben der Nutzer gerecht werden, sondern auch so umweltfreundlich und energiesparend wie möglich bleiben. Licht ist nicht nur an oder aus, es wird stufenlos und von einer zentralen Steuerung geregelt. Matteo Thun hat in Zusammenarbeit mit dem Industriedesigner Lutz Büsing einen speziell auf die Therme und ihre Lage angepassten Tageslichtrechner entwickelt, der die Beleuchtung automatisch abdimmt oder verstärkt – je nach Intensität des einfallenden natürlichen Lichtes. Dieses Prinzip dynamischer und individuell anpassbarer Beleuchtung bietet auch die Möglichkeit Licht gezielt atmosphärisch in den einzelnen Räumen einzusetzen. In der Sauna oder den Behandlungszimmern kann so eine die Behandlung unterstützende Stimmung hergestellt werden. Direktes Licht wurde vermieden, fast nirgends fällt der Blick auf einen Leuchtkörper. Für die gleichmäßige Ausleuchtung der Therme sorgen speziell konzipierte Leisten, die in den Winkel zwischen Wand und Decke installiert ein flächiges und diffuses Licht erzeugen. Visuelles Highlight des Beleuchtungskonzeptes ist, besonders in den Abendstunden, die Lichtinstallation in der zentralen Halle. Über den Schwimmbecken der Therme schweben Kugeln und Plexiglasringe, die sich wie ein übergroßes Mobile langsam drehen. Das auf sie gerichtete Licht wird zum einen reflektiert, zum anderen in farbigen Flächen an die Wand geworfen. Reflexion, Brechung und Überlagerung treten in ein schillerndes Wechselspiel, das an den Widerschein der Wasserflächen am Tag erinnert.
Das ganzheitliche Prinzip der Therme als Wohlfühlort ist aufgegangen, und auch die Wiederbelebung scheint gelungen zu sein: im Schnitt besuchen am Tag wieder 850 Menschen Meran – nur um in der Therme zu kuren.